Blogsearch

Egosurf

qrcode

Hotel Bravo

May 16th, 2007 by G!

Da ich nicht auf der Langstrecke fliege, kann ich nicht wie mein Kollege nff über Tokio HOTEL schreiben. Wenn ich aber grad bei der Teeny-Band bin, liegt die "grösste AufklärungsJugendzeitschrift Deutschlands" in Denkweite: BRAVO. Ergibt HOTEL BRAVO.

Ich möchte mich eigentlich an dieser Stelle nicht weiter über die mehrfach auszeichnete Jugendband äussern. Dennoch sei erwähnt, dass mir beim Anblick des für meinen Geschmacks – vielleicht bin ich doch schon zu alt und/oder zu konservativ –  etwas zuviel geschminkten, angeblich männlichen 18-jährigen Teenagers eher das HOSTEL im gleichnamigen (und enttäuschenden!) "Schocker" von Tarantino, als ein Hotel in den Sinn kommt. Aber darum geht es gar nicht.

Zurück zu HOTEL BRAVO. HOTEL BRAVO steht bekanntlich für die Immatrikulation, also quasi die "Autonummer" von Schweizer Luftfahrzeugen (HB-xxx) und ist damit bei Kleinflugzeugen zugleich das Funk-Callsign.

Wir Schweizer neigen genetisch bedingt zu (faulen) Kompromissen statt zu zielorientieren Lösungen. Infolgedessen wählen wir Politiker, die es allen Recht machen wollen, anstatt Probleme zu lösen. Ein daraus resultierendes Phänomen ist, dass der internationale Flughafen Zürich, der grösste Flughafen der Schweiz und Drehkreuz für Swiss International und European Air Lines, auch der "Kolbenmotor-Propeller"-General Aviation (Kleinflugzeuge), die überwiegend nach Sichtflugregeln (VFR) fliegt, zur Verfügung steht. Über den Sinn einer solchen Mitbenutzung lässt sich im Jahr 2007 alles, aber nicht streiten. Der internationale Wettbewerbsdruck in der Luftfahrt (für Airlines und Flughäfen) und der wirtschaftliche Einfluss des Flughafens sind zu gross, als dass wir uns nicht noch selber Wettbewerbsnachteile schaffen müss(t)en. Dies tun wir aber in bekannter schweizerischer "jede-Interessengruppe-wird-gefragt-und-hat-Mitspracherecht"-Manier. Schliesslich sind wir eine Demokratie.

Es kann und darf nicht sein, dass ein "HOTEL BRAVO"-Flugzeug just zur Rushhour, in welcher (Swiss und andere) Linienmaschinen in alle Himmelsrichtungen abfliegen müss(t)en, ebenfalls in Zürich starten will. Und dies darf! Das geschieht öfter als man denkt. Das führt zum rational nicht fassbaren, ökonomischen und ökologischen – anders kann man es nicht nennen – Schwachsinn, den ich letzhin einmal mehr miterleben durfte bzw. musste:

Eine HOTEL BRAVO erhielt die Starterlaubnis auf der Hauptstartpiste 28. Die ebenfalls zum Abflug auf Piste 28 eingeteilten Linienflugzeuge – wir und 5 weitere an der Zahl – mussten warten. Da Kleinflugzeuge mit ihren Propellern und Kolbenmotoren nicht allzu schnell fliegen, mussten sämtliche Verkehrsflugzeuge warten, bis die HOTEL BRAVO genügend Höhe und/oder Distanz zurückgelegt hatte, damit die aus Sicherheitsgründen notwendige Separation von der Flugsicherung gewährleistet werden konnte. Resultat: Wir durften rund 5 Minuten (!) später starten.

Tönt nicht weiter tragisch – ist es aber. Man rechne: Bei 130 Passagieren pro Flugzeug warten 780 Personen je 5 Minuten. Macht 3900 Personen-Minuten oder 65 Stunden!!! Dazu kommen – sagen wir mal grob geschätzt – 250 kg sinnlos verbratener Treibstoff der wartenden Flugzeuge…!!! Und sowas kommt in Zürich leider nicht UNIQUE vor.

Bitte nicht falsch verstehen: ich habe absolut nichts gegen die VFR-Fliegerei oder die General Aviation. Aber jeder an seinem Ort. Ein internationaler Flughafen ist definitiv der falsche Ort dafür. Darüber muss nun wirklich gar nicht diskutiert werden. Das wir in einer Bananenrepublik leben, die in gewissen Belangen bestenfalls ein 3.-Welt -Land ist und dass unsere "politische Führung" alles aber keine Führung ist, wissen wir nicht erst, aber spätenstens seit den Vorkommnissen im Herbst 2001. Selbst wenn man sich auf einen Kompromiss einigen müsste, dann sollte dieser so aussehen, dass a) solche Flüge nur in Randzeiten durchgeführt werden dürften und b) Linienflüge ohne jedes wenn und aber Vortritt hätten. Over and out.

Der Flughafen Zürich hat schon standortbedingt (Nähe zur Grenze, enger Luftraum, Topographie, "unglückliches" Pistenlayout) genügend Probleme, da braucht es das Dargestellte nicht auch noch. Von der Lärmdiskussion ganz zu schweigen. Tragisch ist, dass niemand, der die Position dazu hätte, den Rückgrat hat, endlich Klartext zu sprechen und Entscheide zu fällen. Klar, man muss ja spätenstens in 4 Jahren wieder gewählt werden… Dass unser Verkehrsminister lieber in die Oper geht, als zu arbeiten, hat unlängst schon treffend der Unia-Gewerkschaftler Daguet festgestellt. Wehe, wenn der Verkehrsminister zwischen den Opernvorführungen wider Erwarten etwas für sein Ressort macht, dann kann man sicher sein, dass es entweder äusserst wichtig (zB. das Verbot der Ultraleicht-Flugzeuge) oder aber äusserst erfolgreich (Verhandlungen im Luftraumkrieg mit Deutschland) ist…

H abe
B eendet.

Be the first to like.

Posted in master warning, off/duty | 4 Comments »

4 Responses

  1. IJL Says:

    Ich stimme Dir da für die VFR Fliegerei zu, entweder Randstunden oder gar nicht, aber bei der GA’s sehe ich kein Problem, die halten in den seltensten Fällen den Verkehr auf und stehen in der Steigleistung wohl kaum einem Airbus was nach. Dann schon eher so mancher exotischer Airliner, der einfach auf dem Headset sitzt 😉 oder ein akutes Englisch Voice Problem hat…

  2. G! Says:

    Es stimmt, was Du sagst, die Business Jet General Aviation habe ich auch nicht gemeint, die sind bekanntlich klein, aber oho 🙂 (und übertreffen uns daher bei der Steigleistung natürlich regelmässig um Welten). Gerade heute stand DIE Augeweider unter den Business Jets auf den Hardstands: eine Gulfstream V. Ich habe die “typischen” Hotel Bravos (eben: Kolben-Propeller-Cessnas/Pipers) gemeint.

  3. Golfox Says:

    Leider kenne ich die Situation in der Schweiz nur ungenügend, so daß ich mir dort kein kompetentes Urteil erlauben kann.

    In Deutschland liegt das Problem meines Erachtens eher in den Verfahren und den Umständen:

    1) Dadurch, daß in Airportnähe auf Grund vielfältiger Anliegerinteressen in der Gestaltung der Abflugrouten eine Kanalisierung aller Abflüge angestrebt wird, stehen sich Flugzeuge unterschiedlichster Leistungsklassen gegenseitig im Weg.

    Die optimale Lösung wäre daher für mich eine Unterscheidung der Abflugwege etwa in der Art: Langsame Flugzeuge mit einer extrem frühen Links- oder Rechtskurve abfliegen zu lassen, so daß nachfolgender schneller Verkehr mit kleiner Staffelung danach einen “Geradeausabflug” machen kann.

    2) Die Schuldigen für solche Verkehrsstaus sind nicht nur im Bereich der General Aviation zu suchen. So mancher Turboprop im Regionalsegment glänz auch nicht unbedingt mit einer hohen Steigrate und -geschwindigkeit…

    3) Ich wehre mich solche Dinge über Beschränkungen zu regeln. Viel sinnvoller finde ich die Regelung über die Brieftasche: In Frankfurt sind z. B. VFR-An- und Abflüge in jeder Größenkategorie jederzeit möglich, aber in den Spitzenzeiten eben entsprechend teuer, während es in den Randzeiten “günstiger” wird. So kann jeder Nutzer selber entscheiden, ob es für ihn nicht eventuell doch besser ist, nach Egelsbach zu fliegen…

    4) Ich kann die kleine Fliegerei nicht einfach verdrängen, ohne einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen! München ist fliegerisches Niemandsland geworden, seit dort ein Landeverbot von Flugzeugen unter zwei Tonnen herrscht. Der nächste “Kleinflugplatz” ist Landshut. Die in den USA beliebten “Relief-Airports”, wie etwa Teterboro für New York, gibt es hierzulande kaum oder sie werden zugemacht (siehe Tempelhof).

    Just my two cents…

    Viele Grüße,

    Golfox

  4. G! Says:

    @golfox

    ad1: Richtig, das wäre sicher ein möglicher Weg, man denke in ZRH nur schon an die Rechtskurve nach dem Start. Dies wird aber wieder durch die jeder-darf-mitreden-Mentalität verunmöglicht. Jeder will vom Flughafen profitieren (wie auch immer), aber den “Lärm” will niemand. Typisches Phänomen der heutigen Gesellschaft.

    ad2: Dem ist sicher so, wir haben in der Swiss auch solche “Verdächtige” ;-). Dabei handelt es sich aber um Verkehrsflüge, die auf einem internationalen Flughafen aber eine grössere Daseinsberechtigung als Freizeit-VFR-Kolbenflieger haben…

    ad3: Guter Ansatz der sicher auch in ZRH funktionieren würde. Weiss gar nicht, ob’s sowas in der CH bzw. in ZRH gibt?!

    ad4: Ich denke (lass mich gerne korrigieren), dass wir in der CH “genug” VFR-Flugplätze haben. Da kommt aber wieder dazu, dass deren Anwohner den “Lärm” nicht wollen.
    Wie gesagt, solche Flüge in den Leerzeiten von ZRH (durch die Wellen gibts genug) ist das ok, aber nicht in Rushhours.

    Klar ist, dass es keine “Musterlösung” gibt und dass man irgendwelche Interessen wichtiger als andere einstufen muss. Dafür fehlt der CH-Politik aber der Rückgrat.

Leave a Comment

Please note: Comment moderation is enabled and may delay your comment. There is no need to resubmit your comment.

*