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Die Büxe der Pandora

June 25th, 2007 by G!

Ich hätte mich zu dieser traurigen und schon "alten" Geschichte (vgl. die Beiträge im Wüstenspuren-Blog ab April) nicht geäussert, wenn sie nicht leider vor kurzem den Weg in die Schweizer Presse gefunden hätte.

Teil I: Vergangenheit

Von der Mythologie zur Wirtschaftsrealität

[Zum Teil in Anlehung an Hesiod, Werke und Tage 54-105 bzw. Wikipedia] Die Büxe der Pandora war ein Geschenk einiger Basler an das Schweizer Volk und die Angestellten der Swissair bzw. später Swiss, als der stolze Flagcarrier Swissair in den Hafen der Ehe mit ihrer Regionaltochter büxiert wurde.

In Basel, wo die Büxe herkam, war sie – wie von den Göttern vorgesehen – unter der strengen Herrschaft und Kontrolle des Cohiba rauchenden Diktators Lokalpatrons, der genau wusste, weshalb er sie nicht öffnete und nur als Marionette benutze. So sollte sie auch im Herbst 2001 benutzt werden. Doch die VerschwörungsPläne der Basler Taigschaft schlugen fehl.

Die Dinge überschlugen sich: Unwissenheit, Hass, Grössenwahn, Machtansprüche, fachliche Inkompetenz und blinder Lokalpatriotismus führten dazu, dass der Patron die Kontrolle verlor und die Büxe geöffnet wurde. 

Das Unheil

Das Schlechte kam über die Schweiz, den Schweizer Bürger und vor allem über die Angestellten der "jungen Airline mit über 80 Jahren Erfahrung". Aus der Büxe kamen grosse Worte, gut bezahlte Managerkollegen und viel lauwarme Luft und leere Versprechungen. Bevor auch noch Fachkompetenz aus der Büxe entweichen konnte, wurde diese wieder geschlossen und sämtliche (noch vorhandenen) kompetenten Schlüsselfiguren durch eigene Weggefährten ersetzt. Dabei ging es nicht um Qualifikationen, sondern um die wirtschaftliche Herkunft aus der "Siegergesellschaft".

Was folgte, ist bekannt: die Firma wurde ein bedauernswerter Ort, blieb gänzlich erfolglos und wurde von der Steuermannschaft trotz grossen Versprechungen ("schwarze Null") und mehrjährigem Schönreden geradewegs und zum zweiten Mal (und diesmal in absoluter Rekordzeit) in den Boden geflogen.

Das Ergebnis überrascht keineswegs: In der Büxe fehlte von vorneherein jegliches fachliches Knowhow, jegliche Ausbildung und jeglicher Leistungsausweis. Wenn unter diesen Voraussetzungen noch die übrigen Schlüsselpositionen mit einer ebenfalls solch unfähigen Entourage besetzt werden, ist jede Hoffnung verloren. Hauptsache, dass alles schön geredet wurde und die "alten Weggefährten" aus Basel am Ruder waren.

Teil 2: Gegenwart

Die Geschichte wiederholt sich

Gulf Air, ein stolzer Flagcarrier fährt massive Verluste von über 1’000’000 USD pro Tag ein. Die regionale Konkurrenz (Emirates, Etihad) scheint übermächtig. Im Golf erliegt man der Versuchung und öffnet die Büxe der Pandora erneut. Es folgt ein grosses Trara für einen, der inzwischen einen Leistungsausweis hat: einen negativen wie er negativer gar nicht sein könnte. Aber wieder tritt er als Retter an, schwingt grosse Reden, welche – mit einem anderen Airlinenamen – so schon vor einigen Jahren benutzt wurden: "There is no doubt that SwissGulf Air is a strong brand in the aviation industry, both regionally and internationally […] I want to position SwissGulf Air in its rightful place." (Quelle: Gulf News Scan im Wüstenspuren-Blog vom 3. April). Als erste Amtshandlung folgt der grosse Kahlschlag bei den Führungspositionen. Klar, weg mit den Leuten, die den Laden kennen. Seinem alten Credo "never change a bad team" folgend, holt er mit Björn Näf den ersten der alten Crossair-Weggefährten an Bord, der schon bei Swiss durch Inkompetenz glänzen durfte. Dass da schon aus Dankbarkeit für den "tollen Managerjob" keine Kritik kommt, ist sicher. Sie kommt aber auch nicht, weil dazu nicht vorhandene Fachkompetenz nötig wäre. Ich bin schon gespannt, wer der nächste ist, der seinem Ruf folgen wird…

Last but not least

Die Krönung folgt im Beitrag in der Nachrichtensendung 10vor10 (Stream SF DRS vom 15.06.2007): Man sieht den CEO beim Fliegen im Airbus 330 Simulator auf dem Captainssitz (im Stream ab 3:00min). Nun ja, als "ausgebildeter Pilot" und Manager darf man sich schon ein bisschen die Zeit vertreiben ("Jetzt muess i no e chli flüge do zerscht" = Jetzt muss ich hier noch zuerst ein wenig fliegen). Etwas anderes als ein Zeitvertreib zum Spass kann es wohl nicht sein, denn falls er inzwischen keine Umschulung gemacht hat (wozu als "Manager"?), besitzt er kein Airbus 330 Rating. Rating hin oder her, darum gehts gar nicht. Ich gehe aber davon aus, dass der CEO von Gulf Air derzeit andere Prioritäten hätte, als medienwirksam Zeit im Simulator zu verbringen, während seine Firma und deren Angestellten um’s überleben kämpft… Während der CEO im Simulator "spielt", verliert seine Gulf Air in jeder Stunde "Spielzeit" mehr als 40’000 USD.

Déjà vu.

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15 Responses

  1. IJL Says:

    Na ja, was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmermehr… evtl. wacht ja ein Scheich auf und schickt ihn in die Wüste, aber bitte ohne Oase…

  2. G! Says:

    Wie gesagt: wenn nix da ist, auf dem man aufbauen kann, wird’s auch in Zukunft garantiert nix. Das tragische ist, dass solchen Menschen (noch einmal) die Existenzen tausender Menschen anvertraut werden. Sowas würde ich nicht mal der Wüste zumuten…

  3. IJL Says:

    tja, so manch einer fällt immer wieder auf die Füsse. Traurig aber wahr. Mit wieviel Blindheit muss ein Mensch eigentlich geschalgen sein um diese total Unfähigkeit übersehen zu können?? Schlimm nur für diejenigen die dort hingegangen sind um einen Job zu haben und nun von der Vergangenheit eingeholt werden und auch für diejenigen, die sich bislang dort sicher wähnten….

  4. nff Says:

    … und die BILANZ wird ihn sicherlich wieder zum Manager des Jahres küren. Mir wird schlecht …

  5. IJL Says:

    Als erstes gibts nachher eine Reportage über die Dosé in Glanz & Gloria…. Das Leben der Dosé in der Wüste…. erste Bilder zeigten den zukünftigen Star Manager beim Golfen 😀

  6. G! Says:

    @nff
    Ja, die Bilanz hat da ja ein ganz besonderes Händchen für diese Wahl…

    @IJL
    Tja, solange er im 330er Simulator rumfliegen kann, wird er noch keine Zeit zum Golfen haben…aber was noch nicht ist…

  7. Lukas M. Says:

    Er scheint die Airline wieder zu verlassen: http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/andre_dose_gulf_air_ruecktritt_1.531730.html

  8. IJL Says:

    Tja, so schnell geht’s wenn man mit aufgewärmten Konzepten, die schon in Europa versagten, denkt man kann den Scheichs ein X für ein U verkaufen :-D. Irgendwann wachen auch die auf, insbesondere dann, wenn Piloten und Co. das weite suchen… Wie heisst es so schön, das Pendel welches man anstösst, kommt irgendwann immer retour… Hier kam es dann. Bringt dem Carrier zwar ad hoc keine Besserung, aber evtl. wird sie so vor einem Untergang bewahrt. Aber so einer fällt bestimmt wieder auf die Füsse, irgendwo auf dieser Welt. Es hat ja immer noch Papa Suter :-(. Wäre er besser mal weniger Simulator geflogen, hätte sich besser mal nicht auf gefakten Lorbeeren ausgeruht, sondern sich mal Gedanken gemacht, wie man die den Vogel wieder auf den richtigen Kurs bringt… Und wieder hat er es geschafft, mit viel Primborium ein Haufen Asche und Chaos zu hinterlassen… In Hollywood gibts doch diese Himbeere die immer verliehen wird, für den miesesten Film. Gibts sowas auch für Möchtergern-Manager und Pseudo Airline CEO’s?

  9. IJL Says:

    Vergessen: Aber danke an die Dosé leer, meine Wetter habe ich gewonnen und bin so zu 6 Flaschen Champus gekommen… Ich gab ihm bis Ende August. Ich werde auf ihn trinken 😀 und den guten Tropfen mit doppeltem Genuss zu geniessen wissen!

  10. G! Says:

    Hey Lukas, vielen Dank für die Realtimenews. (Die mich aber nicht Realtime erreicht haben, da ich um diese Zeit nach IST unterwegs war).

    Aber: Endlich mal Good News, denn man darf solchen Leuten nicht noch einmal die Chance geben, Existenzen zu zerstören. Schön ist er weg. Für Ihn dürfte es sich gelohnt haben, wieder TV-Kameras, Lächeln, grosse Worte, leere Versprechungen und das Beste: Airbus 330 Simulator fliegen. Vor laufenden Kameras! Was will ein Mensch von dieser Sorte mehr…

    IJL: Wie um gottes Willen hätte ER den Vogel auf Kurs bringen können? Mir kommt nur eine Möglichkeit in den Sinn: indem er abtritt…

    Hoffen wir, dass seine Zeit in existenzzerstörenden Funktionen ein für alle mal vorbei ist…(ein Wunschtraum, befürchte ich).

    G!

  11. Keep-the-Focus! Says:

    Hier scheinen sich hauptsächlich Dosé- und Crossair/Swissair-Geschädigte zu äussern. Für eure Haltung ihm gegenüber habe ich ein gewisses Verständnis. Doch leider werden auf Grund von Medienberichten, die oft nicht gesicherte Fakten enthalten, gleich die wildesten Geschichten konstruiert und Schlussfolgerungen gezogen, ohne wirklich die Wahrheit zu kennen. Jedermann avanciert sofort zum Experten, wenn es darum geht, über andere zu richten.

    Dosé hat einige Misserfolge hinnehmen müssen und zum Teil auch sicher mitverantwortlich gezeichnet. Dies in einem extrem schwierigen Umfeld, doch nicht zuletzt auch dank ihm konnte die Swiss damals im Frühling 2002 abheben und er hat vermutlich sehr hart dafür gearbeitet und gekämpft. Dann kamen die ersten Jahre mit roten Zahlen. Man hätte ja einen besseren einstellen können, doch bei ausbleibendem Erfolg wäre jeder andere ebenfalls als unfähig abgestempelt worden – garantiert!

    Zum Thema Gulf Air kann ich folgendes beitragen:

    Jeder verfügbare Airline Manager mit langjähriger Erfahrung ist für eine in ernsthaften Schwierigkeiten steckende Fluggesellschaft wie Gulf Air ein willkommene Hilfe, wenn es darum geht, Willen zur Besserung zu demonstrieren. Doch in der arabischen Gesellschaft / Kultur wird anders kommuniziert als bei uns. Es wird anders gedacht und gehandelt, als wir Westeuropäer uns das gewohnt sind.

    Aus verlässlicher Quelle ist zu vernehmen, dass Gulf Air ihre Flotte in den letzten Jahren fast nur äusserlich aufgefrischt hat, die Flugzeuge aber technisch in einem miserablen Zustand sind. Gewisse Flugzeugtypen mussten durch das hiesige Luftamt vor kurzem sogar zwischenzeitlich gegroundet werden. Dosé hat das vermutlich schnell erkannt und einen radikalen Spar- und Gesundungskurs angeordnet. Dies hat den gestandenen Gulf Air-Managern und wohl auch dem Verwaltungsrat nicht gefallen, denn wer gibt schon gerne öffentlich zu, sein marodes Unternehmen sanieren zu müssen.

    Man lese nur mal die neuste offizielle Pressemeldung der Gulf Air:

    http://www.gulfair.com/press/newsEnglish.asp?displaynews=true&NewsLanguage=English&newsid=779

    Also meine Herren (und Damen), etwas mehr Objektivität und weniger Effekthascherei und Hassgefühl schadet niemandem! Das Airline Business ist hart und extremen Schwankungen ausgesetzt. Das sollte man akzeptieren und lernen, damit umzugehen.

    Ich gehöre auch zu den vielen ex-Swissair-Kleinaktionären und habe einiges an Geld verloren. Trotzdem versuche ich, in meinen öffentlichen Äusserungen so sachlich wie möglich zu bleiben, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt.

    Alles Gute & Keep-the-Focus!

  12. G! Says:

    Keep-The-Focus

    Danke für Deinen Beitrag. Nun ja, zu GulfAir kann ich mich nicht äussern, da ich die Situation nicht kenne bzw. nur das Übliche (1 Mio pro Tag, Restrukurierung nötig usw.).

    FAKT aber ist, dass Dosé – wie schon im Beitrag geschrieben – vor und während SWISS KEINEN, ABSOLUT KEINEN Leistungsausweis hatte. Er ist aus verschiedenen Gründen an diese Position gespült worden. Dass die Situation damals (und heute bei Gulf wohl auch) sehr schwierig war, stellt niemand – und ich schon gar nicht – ich habe es vor Ort erlebt! – in Frage. ABER: wenn jemand eine Funktion übernimmt, dann sollte er zuvor entscheiden ob er dieser gewachsen ist. Wenn er das nicht beurteilen kann bzw. sich selber überschätzt gehört er a) nicht dahin und b) muss er die VOLLE Verantwortung tragen.

    Wenn ich wie soeben bei sehr starkem und böigem Wind einen Airbus321 landen soll, muss ich ZUVOR wissen, ob ich das kann, sonst lassen ich den Kapitän fliegen. Wenn es nicht klappt, trage ich die VOLLE Verantwortung.

    Er mag sehr wohl viel dafür getan haben, dass es funktioniert, aber wenn man die Fähigkeiten bzw. Ausbildung dafür nicht hat, ist das KEINE Entschuldiung. Dass er die Fähigkeiten als CEO hat, bleibt er bis heute schuldig, die Ausbildung fehlt, das ist FAKT.

    Wie Du sagst, Keep-The-Focus, das gilt auch für Menschen in solchen Positionen. Nur weil man eine Funktion gerne ausüben möchte, heisst das nicht, dass man es kann.

    Wir Piloten haben halbjährlich einen Check. “Manager” müssen nicht einmal eine minimale wirtschaftliche Grundausbildung haben. Wenn jemand trotzdem Erfolg hat, ist das OK, aber er hatte bisher noch überhaupt keinen. Weder bei der Crossair, noch bei Swiss. Das sind Fakten, die nichts damit zu tun haben, ob man zu den Geschädigten oder nicht gehört.

    Guter Willen allein kann und war gefährlich. Selbstüberschätzung auch.

    G!

  13. IJL Says:

    Kann mich G! hier nur anschliessen…. GF Piloten umschreiben das Szenario noch viel härter, als hier es getan wurde…. Ich erlaube mir zu zitieren…

    – Half your management are gone to Etihad
    – Half of your crew has gone to the competition
    – Half of your pilots are on their way out
    – Michael Kent is in jail
    – Uncertainty before you came
    – Uncertainty after you leave
    – The management team looks like an exclusive club of rich assholes out of reach and full of shiite
    – Lost a lot of the company money on consultants
    – Changed nothing
    – Promised and never delivered

    Im Endeffekt wie schon erlebt, viel heisse Luft und nix umgesetzt. Sorry, aber solche Leute gehören nicht an die Spitze eines Wackel Kandidaten, da sollten Leute hin, die was verstehen von der Materie…

  14. G! Says:

    Deiner Meinung.

    Jetzt kommen die GulfAirianer noch vom Regen in die Traufe: Näf übernimmt ad interim…

    G!

  15. IJL Says:

    Als ich das gelesen habe, dachte ich nur, und wieder eine Luftpumpe mehr, die zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort war…. Mal sehen wie lange er sich hält… Es darf wieder gewettet werden 😀 Was hab ich die grosskotzigen Reden noch im Ohr 🙁

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