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STOP’n GO

January 2nd, 2009 by G!

Mir kommt es vor, wie es gestern gewesen wäre, als ich noch in der Ausbildung zum Copi war und dementsprechend einen Kollegen auf dem dritten Sitz als Sicherheitspiloten und Ausbilder dabei hatte. Dasselbe System gibts auch bei den angehenden Captains: Während der sogenannte “Upgrader” – ein First Officer, der in der Ausbildung zum Captain ist, vorne links fliegt, muss immer ein Check- und Ausbildungscaptain auf dem Observersitz mit dabei sein.

Als ich aus der Reserve einen dreitägigen Einsatz bekommen habe, sah ich auf der Crewliste, dass ich mit einem angehenden Captain das Vergnügen hatte. Obwohl ich bei diesen Flügen – im Gegensatz zum Upgrader – keine Qualifikation bekomme, bedeutet dies doppelte Aufmerksamkeit. Erstens wird man ständig von den wachsamen Augen eines Checkpiloten überwacht, zweitens will man unter diesen Umständen zeigen, was man kann, drittens ist der Kollege auf dem linken Sitz (sehr) neu in der Funktion und viertens will man dem Kollegen das Leben ja nicht unnötig schwer machen und ihm ein “Ei legen”…

Beim Briefing stellte sich heraus, dass der Upgrader mit mir erst seine zweite Rotation in der Funktion des Captains hatte. In bodenständigen Berufen also quasi die zweite Arbeitswoche und somit noch wirklich “neu” in der Funktion. Bevor er allerdings soweit ist, hat er eine längere Theorie- und Ausbildungsphase durchlaufen. In mehreren schweisstreibenden Simulatorübungen hat er bereits gezeigt, dass er den für ihn neuen Flieger (es handelt sich um einen ehemaligen Airbus 330/340 Copiloten der noch nie auf dem Airbus 320 geflogen war) technisch und fliegerisch “im Griff hat”. Dazu kommen neu seine Führungspflichten in Krisensituationen.

Die Rotation verlief mustergültig: der Kollege konnte die fairen aber keineswegs einfachen (Kontroll)-Fragen des Ausbilders regelmässig beantworten, die Operation verlief problemlos (abgesehen davon, dass uns in CPH die Koffer ausgeladen wurden und wir sie in FCO erst 5h nach unserer Ankunft hatten; das ist aber nicht dem Upgrader anzukreiden) und er hatte den Flieger und die Operation im Griff.

So kam es, dass wir bereit für unseren letzten gemeinsamen Flug in Genf am Boden standen und als Nummer vier auf unsere Starterlaubnis warteten. Im Anflug auf die Piste 05 waren die Flugzeuge mit 6NM (ca. 11km)  Abstand zueinander aufgereiht, damit nach jeder Landung ein Flugzeug starten konnte.

“Swiss xx, are you ready for an immediate Take Off?” fragt der Controller vom Tower, denn scheinbar ist der Abstand zwischen den anfliegenden Flugzeugen etwas knapp für unseren Start dazwischen. Ja, wir sind bereit für einen verzögerungsfreien Start.

Als die landende Falcon 2000 kurz vor der Piste ist, gibt uns der Controller die Freigabe, nach dem landenden Flugzeug auf die Piste zu rollen. Er erwähnt einmal mehr, dass wir für einen schnellen Start bereit sein sollen. Das ist nichts besonderes und kommt regelmässig vor. Wir sind bereit. Als die Falcon uns auf ca. 50m über dem Boden passiert, rollen wir auf die Piste und ich beende die Checkliste. Der Businessjet rollt von der Piste, wir kriegen die Startfreigabe:

“Swiss xx, Wind 040/12, cleared for immediate Take Off Runway 05”.Während ich die Startfreigabe am Funk zurücklese, schiebt der Kollege bereits die Gashebel auf 50% und leitet den Start ein. Die Triebwerke beschleunigen und er schiebt die Hebel weiter nach vorne.  Mehrere Tonnen Schub kämpfen gegen die 78 Tonnen unseres mit 190 Passagieren besetzten Airbus 321. Wir rollen langsam an und überprüfen die Triebwerkparameter. Gerade als der Captain mir die Kontrolle für den Start – ich soll das Flugzeug nach ZRH fliegen – übergeben will, kommt ein weiterer Funkspruch für uns:

“Swiss xx – STOP. Swiss xx – STOP. Swiss yy GO AROUND.”

“STOP” tönt es auch im Cockpit und der Captain reisst sofort die Schubhebel in die Leerlaufposition und gibt kurz Umkehrschub. Er bremst und nach wenigen Metern hält unser Flugzeug, wir waren erst wenige – ca. 20-30 – Knoten schnell. Hinter und über uns geschieht das Gegenteil: die Kollegen in Swiss yy geben Vollgas, sie starten durch und müssen eine “Ehrenrunde” drehen. Nachdem wir unsere Verfahren abgeschlossen und die Passagiere informiert haben, rollen wir zwecks Startvorbereitung und Systemchecks von der Piste und stellen uns für einen weiteren Start in die Warteschlange. Alles in Ordnung. Zehn Minuten später hebt unser um 200kg leichterer Airbus 321 nach ZRH ab, wo ich ihn 34 Minuten später auf der Piste 16 lande.

Zu erwähnen bleibt das breite Lächeln unseres Checkpiloten nach dem Verlassen der Piste in Genf. Ein Startabbruch ist ein Verfahren, dass wir im Simulator regelmässig üben, das in der Praxis (egal mit welcher Geschwindigkeit) aber sehr selten ist, erst Recht während der Ausbildung. Aber der Upgrader hat soeben gezeigt, dass er auch dieses Manöver beherrscht. Und darum geht es in unserem Beruf: das im Simulator gelernte in der Praxis auch beim letzten Flug einer Rotation fehlerfrei anzuwenden und somit eine sichere Operation zu gewährleisten.

Das hat der angehende Captain unter Beweis gestellt, ich habe nun einen Startabbruch auf meinem “Konto” und bin um eine wertvolle Erfahrung reicher .

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Posted in in the air, master warning | 10 Comments »