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Weniger ist mehr – Einsatzplan Juni

May 27th, 2010 by G!


Venedig im Sonnenuntergang, 21. Mai 2010, Airbus 319 (HB-IPY)
Flughöhe: 3000ft (Sightseeing Departure)


Weniger ist mehr” lautet die Weisheit, welche uns eingetrichtert mitgegeben wird, wenn es darum geht, wie wir in unser von denjenigen, die es gekauft haben, hochgelobtes Planungssystem unsere Wünsche eingeben sollen, damit ein Plan mit möglichst hoher Befriedigung resultiert. Wer meinen oder die Blogs eines meiner Kollegen nff, skypointer und Tobi (Reihenfolge selbstverständlich nach Seniorität! Blogs zu finden in der Blogroll oben rechts) mitliest, weiss, dass “hohe Befriedigung” in freier Planungswildbahn de facto sozusagen ausgestorben ist.

Wie dem auch sei, als Optimist verzichte ich auch nach drei Jahren nicht darauf, mir bis zum 15. des Vormonats zu überlegen, wohin ich denn am nächsten Monat fliegen möchte. Da die Chance, das Gewünschte zu bekommen gegen null, niente, nada (und zwar aus dem Minus-Bereich kommend!) strebt, wünsche ich mir nur Flüge bzw. Destinationen. Freitage, die man wirklich will bzw. braucht/haben muss (das soll es ja bei sozial vernetzten Menschen geben…) zu wünschen, wäre nämlich sozialer Selbstmord.

Im Juni habe ich zwölf Tage Ferien und dazu noch vier Tage frei “gekauft” (dafür müssen wir hart verdiente Punkte einsetzen, die Freitage sind dann aber blockiert). Bleiben dem System also 14 Tage zum Füllen. Weniger ist mehr. Meine Planungsplanung ist daher schnell gemacht, ich wünsche genau einen Flug während dieser vierzehn Tage. Natürlich nicht Flug X am Tag X, sondern um es dem System einfach zu machen: Flug LXxx vom Tag Y bis Tag Z. Das bedeutet, dass ich innerhalb dieser Zeitspanne möglichst viele Flüge mit der Flugnummer LXxx haben möchte. Einfach halten. Weniger ist schliesslich mehr.

Ich bin nicht nur Optimist, sondern auch – das beisst sich manchmal – Realist. Darum “unterlege” ich den Flugwunsch mit dem generellen Wunsch, dass ich Nightstops möchte. Diesem Bid (wie der Wunsch offiziell heisst) gebe ich aber im Verhältnis zum Flugwunsch nur eine verschwindend kleine Punktzahl, damit der Flug Vorrang hat. Falls mir das System entgegen aller Erwartungen den Flug LXxx nicht geben sollte, möchte ich dennoch Nightstops, wo auch immer. Gibt mir das System den Flug LXxx, erledigt es zwei Fliegen auf einen Schlag und punktet doppelt.  Wäre ich also System, dann würde ich… Das allerdings wiederum würde zu einer hohen Befriedigung führen, weshalb … siehe oben.

Langer Beitrag, kurzer Sinn: Der Einsatzplan für den Juni ist >HIER< downloadbar. Bekommen habe ich schlussendlich einen CAI-Flug (kein Nightstop), einen TLV-Flug (mit Nightstop) und einen Flug nach JFK über GVA (die Destination stimmt, der Flug nicht, keine Punkte für’s System…). Damit es mir nach den Ferien auch nicht zu langweilig wird, wurde – zu meiner grossen Überraschung – bereits wieder der Simulator-Check (auf dem Airbus 320, den ich im Juni nie fliege…) geplant. Ausser Ferien gibt es im Juni ein weiteres Highlight: die vier gewünschten Freitage sind für einen Besuch mit einem Kollegen vom Mutterkranich an der WM in JNB (Achtelfinale!). Ich freue mich schon jetzt darauf, ihn zu begleiten und zum ersten Mal im Cockpit einer Lufthansa Boeing 747-400 mitfliegen zu dürfen (und mich endlich davon zu überzeugen, dass auch Flugzeuge ohne Sidestick Boeings fliegen ;-))!

Weniger ist mehr – das stimmt im Hinblick auf unser Planungssystem immerhin bezüglich etwas: der rechnerischen Befriedigung:

Satisfaction: 23%!

Weniger ist mehr, drum fliege ich nicht mehr selber, sondern lasse mich von den Kollegen unserer Tochtergesellschaft Edelweiss Air in die Ferien fliegen. Bis bald!

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Vulkanasche voraus – Umleitung!

May 20th, 2010 by G!

8. Mai 2010

0710 Uhr (CH-Lokalzeit), am Küchentisch

Mein Kaffee steht auf dem Tisch, das Müesli ist zubereitet, das Thinkpad aufgestartet. Mein HTC Desire (ja, das mit Google Android Betriebssystem ;-)) bimmelt. Zwei Anrufe in Abwesenheit, eine Mitteilung auf der Combox. Das bedeutet in der Regel am Morgen vor dem Flug nichts erfreuliches. Der Anruf bei der Crewdispo bestätigt dies, ich bin eine Stunde zu früh aufgestanden, mein Flug nach New York wurde um eine Stunde verschoben, weil der Flieger aus ebendieser Stadt Verspätung hat. Ein Blick in die Neuigkeiten zum Tag erklären warum: E15, der bekannteste Isländer, schickt seine Ausdünstungen erneut in den Süden.

0930 Uhr, Meteobüro, Swiss Operation Center Flughafen Zürich

Eineinhalb Stunden vor der (verschobenen) Startzeit bin ich wie gewöhnlich zu früh im OPS und treffe schon auf meinen Chef für das Unternehmen “JFK retour”. Seit unsere Airline noch Luft im Namen hatte, bin ich nicht mehr mit ihm geflogen, weshalb wir uns freuen, über dem Nordatlantik genug Zeit um über die letzten bald zehn Jahre zu plaudern. Wir schauen gemeinsam die “Aschekarte” (die aktuellen gibts >hier<) an. Hm, die Wolke liegt genau vor Europa über dem Nordatlantik. Nicht gut, wenn man einen Nordatlantikflug vor sich hat.

0934 Uhr, Swiss Flightdispatch, Swiss OPC

Das “nicht gut” wird vom Flightdispatch in Zahlen und Striche umgesetzt: der Flugweg nach JFK geht nordöstlich an Grossbritannien vorbei, über den Norden Islands, quer über Grönland und dann über Montreal nach den Süden. In Zahlen: gerechnete Flugzeit 9 Stunden 20 Minuten.

Das “Nord”atlantik Tracksystem am 8. Mai 2010. Im Norden die Tracks von Ost nach West, im Süden diejenigen nach Europa. Unser Flug war auf dem zweitsüdlichsten der Tracks im Norden geplant. Geflogen sind wir nach der Schliessung der zwei südlichsten auf dem zweitnördlichsten. Die Aschewolcke war genau zwischen den beiden Tracksystemen.

0945 Uhr, Cabin Briefing Room, Swiss OPC

Wir überbringen die Kunde der unüblichen Route mit der unerfreulichen Nachricht der Flugzeit der Kabinencrew. Nach den Erklärungen, warum wir so fliegen müssen, wo die Asche ist, wann sie sich wie weiterbewegt und ob man den Vulkan von unserem Flugweg aus sehe, machen wir uns an die Flugplanung.

0950 Uhr, Cockpit Briefing, Swiss OPC

Wir kämpfen uns durch die uns unbekannten Daten der Flughäfen, welche zum Planen verwendet wurden, da die “üblichen Verdächtigen” in Europa aschehalber nicht in Frage kommen. Bergen (ENBR) in Norwegen und Sondrestrom (BGSF) auf Grönland sind mir nur von “Kriegsgeschichten” von älteren Kollegen bekannt. Immerhin ist das Wetter unterwegs planungsmässig kein Problem, weshalb wir innert nützlicher Frist unsere Flugplanung beenden können. Aufgrund der unsicheren Lage um Island und des starken Windes in JFK (wer hätte das gedacht…) einigen wir uns, dass wir genug Treibstoff mitnehmen, um mögliche Eventualitäten unterwegs und an der Destination abzudecken.

1010 Uhr, HB-JHA, Dock Midfield

Wir treffen auf dem Flugzeug ein, wo die Cabin Crew fast schon mit dem Vorbereiten des Flugzeuges fertig ist. “Cabin Crew – Fueling in progress” gebe ich durch das PA durch. Das wird noch eine Weile so bleiben, obwohl 2 Tonnen pro Minute in die Flügel gepumpt werden! Im Cockpit angekommen, mache ich mich an die Cockpit Preparation, überprüfe die technischen Systeme, gebe den aussergewöhnlichen Flugplan ins Flight Management System (FMS) ein und starte unsere Tablet-PCs.

1015 Uhr, Cockpit HB-JHA

Auch das noch: wir haben einen Slot, der in ca. 30 Minuten beginnt – nota bene klar vor unserer geplanten Startzeit! Die Betankung läuft noch, wir haben noch keinen einzigen unser gegen zweihundert Passagiere. Knapp wäre komfortabel…

1045 Uhr, Cockpit HB-JHA

Wir verpassen unseren Slot. Der Drucker summt und spuckt den neuen aus – in rund einer halben Stunde, alles Bestens, wir sind wieder dabei. Jetzt ist der Zeitpunkt, unsere Briefings zu machen, den Sitz zurückstellen und dann einen Nespresso zu bestellen. Das machen wir auch, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, what else?!

Im Anschluss, leider immer noch am Boden

Dann überschlagen sich die Ereignisse, weshalb ich keine Ahnung mehr habe, zu welcher Zeit was geschah, weil meine Kapazität anderweitig benötigt wurde. Es fängt damit an, dass wir fristgerecht bereit zum Zurückstossen sind, als der Drucker wieder summt und uns einen Slot in einer Ewigkeit herausspuckt. Mein Kollege telefoniert mit dem Slotmanager (ja, diese Funktion gibt es tatsächlich!) um abzuklären, ob wir eine Chance auf eine Verbesserung hätten, da wir bereit seien. Der Slotie verneint dies und meint, dass wir den Dispatch kontaktieren müssten. Gesagt getan. Die Aschewolke hat sich entgegen den Vorhersagen gegen Norden verschoben! Unglücklicherweise liegen aber im Norden von Island die Nordatlantiktracks, auf denen der Ost-Westverkehr fliegt. Konsequenz ist, dass zwei Tracks geschlossen worden sind. Auch unser Track. Wir müssen also umgeplant werden auf einen noch nördlicheren Track. Das erledigt der Dispatch. Weil nun aber die Flugzeuge der geschlossenen Tracks auf die andern aufgeteilt werden, deren Kapazität aber nicht grösser wird, gibt es diese zwangsläufig sehr schlechte Slots, damit die Flugzeuge gestaffelt werden können. Nach der Umplanung müssen wir bzw. ich den neuen Flugplan ins FMS eingeben. Er wird uns vom Dispatch auf das Flugzeug geschickt. Der Drucker summt unaufhörlich. Zunächst muss ich als Pilot Flying wieder den nötigen Treibstoff bestimmen.  Da wir nun weiter (und länger) fliegen, benötigen wir mehr Treibstoff als geplant. Obwohl wir vorsichtig geplant haben, sind wir uns einig, dass er nicht ausreicht. Wir müssen nachtanken!

Tönt einfacher als es ist, denn dazu werden benötigen wir:
– einen Tanker mit seinem Tankfahrzeug;
– jemand vom Bodenpersonal, um den Jetty wieder ans Flugzeug zu fahren (Sicherheitsmassnahme wegen dem Auftanken und weil wir die Treibstoffabrechnung zur Kontrolle benötigen);
– den Loadcontroller, der uns die neue Ladeberechnung macht und das neue Loadsheet ausstellt (da wir mehr Treibstoff mitnehmen);
– Information an die Passagiere mit einem Update über die Situation.

Dies muss alles von uns organisiert werden. Alles ist am Laufen, ich gebe den neuen Flugplan ins System ein. Ein neues Problem taucht auf: unsere Dutytime! Bei solch einer Verspätung laufen wir Gefahr, über die zulässige Dutytime zu kommen. Der Maître de Cabine und wir Piloten rechnen und kommen zu demselben Ergebnis: overduty! Wir dürfen legal overduty bis zu einer gewissen Maximalzeit leisten. Diese Limite ist nicht erreicht, dennoch geht es um eine zentrale Frage, die sich jedes Crew Member stellen muss: bin ich am Ende des Fluges vollkommen fit, um meine Duty erfüllen zu können? Wir reden von einer misslungenen Landung nach weiteren 10 Stunden Flug, einem Unfall am Boden beim Einbiegen ans Gate mit Evakuation durch die Cabin Crew. Dann muss man fit sein, nicht jetzt, wenn man sich die Frage stellt! Es geht um die Sicherheit von Menschenleben. Keine einfache Beurteilung, die jedes Crew Member für sich selber machen muss. Ich habe gut und genug geschlafen, traue mir das zu. Mein Kollege auch, aber eine Flight Attendant nicht. Sie will aussteigen. Das ist nicht nur ihr Recht, sondern ihre Pflicht! Für uns bedeutet dies, dass wir ein Cabin Crew Member zu wenig haben. Mein Kollege ruft die Crewdispo an und informiert sie. Ich bestelle den Bus, der die Kollegin abholt. Falls die Crewdispo keine andere Flight Attendant in den nächsten Minuten auftreiben kann, müssen wir entweder Passagiere ausladen oder den Flug absagen. Die Crewdispo ist kreativ: zwar hat es keine Reserve-Flight Attendants mehr im OPC, aber sie organisieren eine andere F/A, die schon im Briefing nach ORD sitzt. Dort ist sie “legal” entbehrlich, da neun F/As geplant sind, legal aber nur acht benötigt werden.

Nach einer gewissen Zeit kehrt wieder Ruhe ein: die neue F/A ist bereits an Bord und hat ihre Duty aufgenommen, die Kollegin ist abgeholt worden, weitere drei Tonnen Treibstoff in den Flügeln, wir haben die Treibstoffrechnung erhalten, der Jetty ist weggefahren und die Türen wieder geschlossen. Während der Kapitän die Passagiere und den M/C so gut wie möglich auf dem Laufenden hält, verteilen die F/As in der Kabine Snacks und Getränke. Das ist auch nötig, denn inzwischen ist es bereits nach 1200 Uhr, die Passagiere bereits über eine Stunde an Bord. Ohne dass wir uns auch nur einen Meter bewegt haben!

1246 Uhr, Dock Midfield Flughafen Zürich

Was lange währt, wird endlich gut. Mit 2 Stunden 51 Minuten Verspätung auf unsere geplante und 1 Stunde 51 Minuten auf die erwartete – Startzeit werden wir endlich vom Gate zurück gestossen.

1259 Uhr, Piste 16, Flughafen Zürich

Nach rund 60 Sekunden, in denen unsere zwei Rolls Royce Triebwerke den 224 Tonnen schweren Airbus 330-300 von null auf über 280 km/h beschleunigt haben, heben wir wohlverdient auf der Piste 16 in Zürich ab. Fünf Stunden nachdem ich am Frühstückstisch gesessen habe, haben wir es in die Luft geschafft. New York, wir kommen!

Irgendwann, irgendwo über Kanada

Nach einem “ereignislosen” Flug, bei dem aufgrund des Routings alles non-standard war, machten wir uns daran, den Minimum-Layover (die Zeit, die wir zwischen zwei Flügen legal zur Erholung benötigen) zu berechnen, da wegen der Verspätung und der sehr langen Dutytime der geplante Layover in New York unter dem legalen Minimum war. Mein Kollege teilte unsere Absichten über das Satellitentelefon der Crewdispo mit. Ich spare die rechnerischen Details, nur soviel: die Berechnungen sind so kompliziert, dass ich rund 30 Minuten hatte, um alles auszurechnen. Es zeigt sich einmal mehr, dass diejenigen Personen, welche die Vorschriften / Gesetze machen, nicht in der Praxis sind…tragisch. Letzten Endes mussten wir unseren Rückflug um vier Stunden verspäten. Die Zeit zur Erholung hatten wir mehr als nötig.

1650 Uhr (New York Lokalzeit), JFK Rwy 31R

Nach 9 Stunden und 51 Minuten reiner Flugzeit (ZRH-JFK!!!) setzte ich die JHA bei einem Wind von 290/28G38 (Wind mit 50 km/h mit Böen bis 70 km/h) auf der Piste auf. Es war keine “schöne” Landung, aber damit konnte ich gut leben!

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Wasser und Bier

May 14th, 2010 by G!

Kaum zu glauben aber wahr, die Ansage der M/C auf meinen letzten Flügen lautete:

“Im Namen von Captain Wasser heisse ich sie herzlich willkommen. … Ich bin ihr Maître de Cabine, mein Name ist S… Bier!”

Prost!

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