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Verurteilt? Werde Spitzenbeamter!

August 26th, 2007 by G!

Als ich 1994 für die Offizierslaufbahn in der Schweizer Armee vorgeschlagen wurde, musste ich einen Strafregisterauszug einreichen. Selbstverständlich musste dieser leer sein, um die Weiterausbildung antreten zu können.

Als ich mich 1995 für die Pilotenselektion bei der Schweizerischen Luftverkehrsschule der Swissair anmeldete, musste ich einen Strafregisterauszug einreichen. Selbstverständlich musste dieser leer sein, um als Linienpilot der nationalen Airline in Frage zu kommen.

Als ich 2004 in eine neue militärische Funktion eingeteilt wurde, unterzog man mich einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung. Neben Angaben über meine damalige Lebensabschnittsgefährtin musste ich einen Strafregisterauszug einreichen. Selbstverständlich musste dieser leer sein, um die Funktion ausüben zu können.

Als ich 2006 die Selektion für den Wiedereintritt als Linienpilot bei Swiss bestritten habe, musste ich einen Strafregisterauszug einreichen. Selbstverständlich musste dieser leer sein, um als Linienpilot der neuen nationalen Airline genommen zu werden.

Hätte ich mich – wie ursprünglich vorgesehen – 2007 an die Rechtsanwaltsprüfung angemeldet, hätte ich einen Strafregisterauszug einreichen müssen. Selbstverständlich wäre ich nur zur Prüfung zugelassen worden, wenn dieser leer ist.

Das sind nur fünf Beispiele aus meiner Erfahrung, in welchen eine weisse Weste verlangt wurde. Zu Recht. Mich beruhigt es nämlich zu wissen, dass es sich auszahlt, ein unbescholtener, dem Recht folgender Bürger zu sein. Das ist meiner Meinung nach auch ein wesentliches Merkmal einer zivilisierten Gesellschaft. Gerade in Führungsfunktionen ist so etwas unumgänglich. Wie soll ein Chef, der sich bewusst eines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht hat, ernsthaft von seinen Untergebenen fordern, dass Sie sich rechtmässig verhalten? Ich weiss es nicht.

Nun stellt sich mir aber die Frage, was Leute machen bzw. erreichen können, wenn sie sich bewusst eines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht haben? Die Antwort ist einfach und seit kurzem offiziell: sie werden Spitzenbeamten:

Der Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, Raymond Cron, wurde vom Basler Strafgericht

-der mehrfachen Veruntreuung,

– der ungetreuen Geschäftsbesorgung, und

– der mehrfachen Urkundenfälschung

schuldig gesprochen. Das Gericht beurteilte das Verschulden Crons als schwer, der Deliktsbetrag belief sich auf CHF 137’000.

So weit so schlecht. In der Schweiz schaffen wir es immer wieder zu zeigen, was für eine Bananenrepublik wir in Tat und Wahrheit sind (der Herbst 2001 lässt grüssen…). Unsere ach-so-hoch-gejubelte Demokratie, welche wir den diktatorischen, menschenrechts- und volksentscheidmissachtenden Gebilden UNO und EU beibringen wollen, wird von unseren selbstherrlichen Politikern, denen jeglicher Leistungsausweis fehlt, ausgehebelt. In einem Land, in welchem zahlreiche Funktionen und Berufe mit einem Strafregistereintrag nicht ausgeübt werden können, stellt sich der für Cron verantwortliche Bundesrat Leuenberger schützend vor den Geständigen (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, was nichts daran ändert, dass Cron die Taten begannen hat, denn er hat sie zugegeben. Bis zur Rechtskraft ist nur deren rechtliche Qualifikation und allenfalls das Strafmass offen):

Bundesrat (und Jurist!) Leuenberger hat – der offiziellen Pressemitteilung zufolge – "das heutige Urteil des Basler Strafgerichtes gegen Raymond Cron, Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL), zur Kenntnis genommen." Aha. Er nimmt dazu wie folgt Stellung:

"Das Urteil bestätigt, was Raymond Cron selber schon öffentlich gesagt hat: Er hat an seinem früheren Arbeitsplatz in der Privatwirtschaft einen Fehler gemacht. Für diesen Fehler ist er nun bestraft worden. Das öffentliche Verfahren, das ihn als Angeklagten in den Mittelpunkt stellte, bedeutete als solches eine weitere Belastung für ihn. Wer für einen Fehler gebüsst hat, wie es das Gesetz vorsieht, soll dafür nicht ein zweites Mal am Arbeitsplatz bestraft werden.
Raymond Cron hat in den letzen drei Jahren als BAZL-Direktor sehr gute Arbeit geleistet und dieses Bundesamt erfolgreich reorganisiert. Das wird auch allgemein anerkannt. Er hat deswegen mein Vertrauen und bleibt im Amt. Ich habe den Bundesrat bereits darüber informiert."

Schön zu wissen, dass ich – falls ich einmal wider erwarten straffällig werden würde – zwar meine Pilotenlaufbahn, meinen Offiziersgrad und meine militärische Funktion an den Nagel hängen müsste und auch nicht mehr Rechtsanwalt werden könnte. Als Spitzenbeamte käme ich – mindestens im Departement Leuenberger – dennoch in Frage.

Schön zu wissen, dass die Schweizer Zivilluftfahrt von Leuten wie Leuenberger und Cron geführt wird, weil sich dann die Frage, weshalb wir in der Branche allerorts hausgemachte Probleme haben, erübrigt…

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Posted in master warning, on the ground | 9 Comments »

9 Responses

  1. nff Says:

    Scharfsinnig, richtig und kompetent auf den Punkt gebracht – Danke!

  2. Philipp Says:

    Ciao DoubleG

    Was war denn deine “erweiterte militärische Funktion”?

    Und, eine andere Frage
    Kann das sein, dass du mir gestern am Flughafen entgegengelaufen bist? Verabscheust du die vollgestopften Rolltreppen, welche sowieso immer unter Überfluss leiden?

    Ich habe gestern um zirka 12:15 eine Person richtung Check-in 3 gehen sehen, welche dir ziemlich ähnelte, so glaube ich zumindest.

  3. IJL Says:

    Was für einmal mehr den Beweis erbringt, he höher man angesiedelt ist, desto weicher fällt man, wenn überhaupt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

  4. G! Says:

    @NFF
    Danke Dir!

    @Philipp
    Die Funktion war nicht erweitert, nur eine neue. Die Sicherheitsüberprüfung war eine erweiterte 🙂
    Ja, das kann sein, ich war ziemlich genau um die Zeit unterwegs…hättest mich ansprechen sollen!

    @IJL
    Leider.

  5. Smick Says:

    Die Frage ist ja, ob wenn du jetzt straffällig werden würdest, du auch als Pilot noch entlassen werden würdest, wenn du den Job schon hättest. Bei uns würdest du danach vors Arbeitsgericht ziehen, sicher gewinnen und wieder angestellt werden.
    Aber du hast schon recht, bei nem Spitzenbeamten würde auch bei der Einstellung keiner Fragen. Die wissen halt wie man die richtigen Leute um den Finger wickelt und haben sich im Laufe der Jahre eine Menge Vitamin B aufgebaut. Von den Bänkern fallen auch viele weich, wenn sie mal Unsinn gemacht haben…

  6. G! Says:

    Die “charakterliche Eignung” ist ein (wenn nicht DAS) wesentliches Merkmal unseres Berufes, sei es von Gesetzes wegen (Lizenz) oder von der Firmenqualifikation (Swiss-Selektion). Die Lizenz kann – so der Gesetzestext – insbesondere dann (dh. aber nicht nur dann) verweigert werden, wenn man wegen eines Vergehens oder Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

    Zudem musst Du wissen, dass bei uns der Arbeitnehmerschutz nicht so stark wie bei Euch ist (und das ist gut so.)….

    Letzten Endes geht es nicht um die Frage werden oder bleiben, sondern darum, in welcher Position/Funktion ein geständiger Straftäter noch tragbar ist…und dann erübrigt sich – in Anwendung gesunden Menschenverstands – auch die Frage des “Bleibens” eines straffälligen SPITZENbeamten, der 230 Leute führt!

    Und btw, wir reden hier nicht von “Unsinn” im Sinne von schlechter Leistung, miserabler Manager usw., sondern von einer wissentlich begannenen Straftat! Aber Recht hast Du natürlich damit, dass Manager auch sanft (wenn überhaupt) fallen…

  7. Zugi Says:

    Vielen Dank G! für diesen guten Beitrag, der meine Gedanken zum Sachverhalt genau trifft.

  8. Smick Says:

    Da hast du vollkommen Recht, so seh ich das auch.

    Aber mal was vollkommen anderes, ich hätte da mal eine Frage in die Runde. Ist es eigentlich so, dass Atlantik-Flüge häufiger ruppig sind als die über Land? Also vielleicht wegen verdunstender Wassermassen, irgendeiner Windströmung oder sonstwas? Oder ist das eher Zufall und vom jeweiligen Wetter abhängig?

  9. G! Says:

    @Zugi
    Danke!

    @Smick
    Tatsächlich was anderes, aber da Du mir ja Recht gegeben hast, lass ich es durchgehen 😉
    Ich bin ja kein Atlantiküberquerer, denke aber mal so aus der lockeren Tastatur heraus, dass dem allefalls so ist, weil über dem Atlantik generell sehr starke Winde (Jetsteams) herrschen und es im Zusammenhang mit diesen auch regelmässig zu Turbulenzen kommt (gilt auch in Europa/über dem Festland). Aber falls NFF die Kommentare mitliest, wird er uns hoffentlich beide erleuchten…Ich hoffe, netman hat seinen Router online…:-D

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