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Die Landung II

November 2nd, 2007 by G!

Wie ich bereits im ersten Teil dieses Beitrages zur eigentlichen Landetechnik versprochen habe, folgt nun die Fortsetzung. Tatsache ist, dass eine Landung im Einzelfall von von unzähligen Faktoren abhängt. Einige möchte ich hier – rein exemplarisch, versteht sich – erläutern:

Flugzeugtyp und Gewicht

Einmal mehr der Hinweis, dass es offensichtlich ist, dass sich ein Airbus 319 mit knapp 34m Länge und 52 Tonnen anders verhält und landet als ein Airbus 321, der mit rund 45m Länge 11 Meter länger ist und 75 Tonnen schwer ist. Diese Gewichtsunterschiede machen sich für die Piloten klar bemerkbar. Durch die Längendifferenz ist auch die Distanz zwischen Cockpit und Räder unterschiedlich, was sich natürlich auf die Landung auswirkt. Dazu kommen unterschiedliche aerodynamische Eigenschaften der einzelnen 320er-Familie, welche sich insbesondere im Flare – dem Ausschweben bei der Landung – stark bemerkbar machen.

Wetter (insbesondere Wind)

Das Wetter und insbesondere der Wind nehmen eine Schlüsselfunktion ein. So besteht bei böigen Herbststürmen, wie sie demnächst wiederum häufig anzutreffen sind, die Gefahr, dass der Anflug nicht stabilisiert werden kann und ein Durchstart nötig ist. Weil die Gefahr von Böen sehr oft bis an den Boden besteht, sollte das Flugzeug möglichst schnell aufsetzen, damit es nicht mehr von einer Böe erfasst werden kann. Daher ist unter diesen Umständen eine sanfte Landung, bei der der Flugweg möglichst abgeflacht wird, nicht ratsam, weil dann das Flugzeug länger in der Luft ist. Die Lösung: eine bewusst und absichtlich postive (eben: keine sanfte) Landung.

Im Bereich des Wetters gibt es verschiedenste Phänomene, welche zu optischen Täuschungen und visuellen Fehleindrücken führen können. So können zB. tiefliegende Wolken im visuellen Teil dazu führen, dass der visuelle Eindruck nicht stimmt, da man regelrecht visuell nach "unten gedrückt" wird. Auch Dunst mit Sonne kann die Sicht sehr stark trüben und dadurch den visuellen Eindruck beachtlich stören.

Pistenzustand

Der Pistenzustand (trocken, nass, stehendes Wasser, Schnee, Eis usw.) ist zentral. So sind zB. die Windlimiten bei einer sehr nassen Piste anders als bei einer trockenen. Ist die Piste (noch) nicht schneegeräumt, gelten noch einmal andere Limiten. Eis oder Wasser und Sand ergeben noch einmal andere (tiefere) Limiten. Liegt viel Wasser auf der Piste, besteht die Gefahr, dass es bei der Landung und/oder beim Ausrollen zu Aquaplaning kommt. Daher ist in diesem Fall eine positive (eben: keine sanfte) Landung sicherer um das Wasser zu verdrängen und ein wegrutschen des Flugzeuges zu verhindern. Wenn die Piste nur ein wenig nass ist, ist das (noch) nicht nötig.

Pistendimensionen

Die Pisten dieser Welt unterscheiden sich in diversen Faktoren. Einer der offensichtlichsten ist die Pistendimension. Wenn sich das Flugzeug am Pistenanfang auf einer Höhe von X Meter über der Piste befindet, ergibt eine Piste mit den Dimensionen 2500x60m (ZRH Piste 28) einen vollkommen anderen visuellen Eindruck über die wahrgenommene Höhe, als wenn das Flugzeug am Pistenanfang einer 3700x60m Piste (ZRH Piste 34) ist. Gleich lange Pisten, die unterschiedlich breit sind, ergeben ebenfalls ein "falsches" Bild:

 

Zur Veranschaulichung kann man ein A4-Blatt verschieden breit falten und dann die optische Wahrnehmung betr. "Pistenbild" überprüfen.

Speziell ist der sogenante Displaced Threshold ("versetzte Pistenschwelle"). In diesem Fall wird der für die Landung zulässige Pistenbeginn verschoben. Dadurch ergibt sich ein falsches Bild (Eindruck: zu hoch) und man muss versuchen, nur den "relevanten" Teil der Pisten anzuschauen. Versetzte Pistenanfänge sind sehr oft anzutreffen, (ZRH 14 und 34). Ein extremes Beispiel findet sich in Madrid, Piste 33R [Bild anklicken für eine Grossansicht]:

Wird die aktuelle Postition im Hinblick auf den eigentlichen Pistenanfang (Beginn Beton) betrachtet, ist die Fluglage zu hoch. Im Hinblick auf die versetzte Pistenschwelle (die massgebend ist!), stimmt die Fluglage. Deshalb besteht hier die Gefahr, dass man "drückt" und somit zu tief kommt.

Pistenneigung

Leider sind nur die wenigsten Pisten gleichmässig flach bzw. überhaupt flach gebaut. Viele Pisten sind entweder ansteigend, abfallend oder beides (!) gebaut. Es kommt aber – sehr oft auch vor, dass die Neigungswinkel derselben Piste unterschiedlich sind:

– die einen steigen zunächst an und fallen nachher ab (IST Rwy 18L):

 – andere fallen zunächst (stark) ab und flachen dann etwas ab (ZRH Rwy 14 und 16):

    

– auch Pisten die zuerst abfallen und dann ansteigen gibt’s (ATH Rwy 21L/03R) [Bild anklicken für eine Grossansicht]:

Diese unterschiedlichen Neigungen bezüglich der wahrgenommenen Höhe wegen des unterschiedlichen visuellen Eindrucks verarbeitet werden. Eine Piste, die zB. eine Abwärtsneigung hat, ergibt den visuellen Eindruck, dass man (bei tatsächlich richtiger Flughöhe) zu tief fliegt. Folge: Der Pilot läuft Gefahr, nach oben zu korrigieren und gerät dadurch tatsächlich über den geplanten, richtigen Flugweg. Bei einer nach oben geneigten Piste ist es umgekehrt. Dazu kommt, dass man bei einer nach unten geneigten Piste Gefahr läuft, eine zu lange Landung zu machen, weil sich die Piste absinkt und man daher "weniger" abzuflachen braucht.

In Zahlen: Innerhalb der ersten rund 600m sinken in Zürich die Piste 28 um ca. 6m und die Piste 14 um ca. 8m ab!

Pistenumgebung

Sehr oft ist die unmittelbare Umgebung der Pisten nicht flach. Es kann sein, dass das Gelände unmittelbar vor der Piste stark ansteigt ("Flugzeugträgerlandung") oder das es seitlich der Piste hügelig ist (KGS Rwy 32):

 

Ist das Gelände vor der Piste tiefer, kann die Gefahr bestehen, dass man zu spät abflacht, weil man sich auf das (tiefere) Gelände konzentriert. Steigt es vor der Piste stark an, beseht die Gefahr, dass man zu früh und vor allem zu stark abflacht, da das Gelände schneller als gewohnt entgegenkommt und man daher denkt, man sei tiefer…

Anflugwinkel

Unterschiedliche Anflugwinkel auf dieselbe Piste führen zu denselben visuellen Eindrücken, wie unterschiedliche Pistendimensionen: Ist der Anflugwinkel flacher als üblich (Normal sind 3° Anflugwinkel), ist der Pilot versucht, nach oben zu korrigieren (womit der Anflug zu steil würde) und umgekehrt. Es mag den einen oder anderen Leser überraschen, aber mit Übung kann das menschliche Auge bereits eine Differenz von 0.1° im Anflugwinkel unterscheiden! In Zürich ist der Anflug auf die Pisten 28 und 34 mit 3.3° ungewöhnlich steil, weshalb der visuelle Eindruck nicht mehr stimmt.

Je nach Anflugwinkel, ergibt sich das Problem, dass a) nicht zum selben Zeitpunkt und b) nicht im selben Ausmass abgeflacht werden muss (wie man sich das gewohnt ist).

Am Ende noch dies

Die oben erwähnten Faktoren kommen in der Praxis wild gemischt und regelmässig gemeinsam vor. Aufgrund dessen braucht es nicht viel Vorstellungsvermögen um zu erkennen, dass auch die 100. Landung in Zürich zwar vertraut, aber keineswegs eine Wiederholung ist. Und bitte dran denken: wenn die nächsten Landung etwas hart ist, kann es sein, dass der landende Pilot einen der oben genannten Faktoren falsch eingeschätzt hat – wir sind auch nur Menschen (denen die etwas härtere Landung sicher mehr "psychische Schmerzen" bereitet, als den Passagieren) – oder sie ist aufgrund der Gegebenheiten so gewollt.

Jetzt versteht vielleicht der eine oder andere, warum ich der Meinung bin, dass es so eine Sache ist, wenn Passagiere mit Anweisungen über den Funk eine Maschine landen (zum Anflug als solches wäre dann noch nichts gesagt!) sollen…

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Posted in in the air, technique matters | 6 Comments »

6 Responses

  1. niko Says:

    Sehr interessanter Artikel.
    Auf den ersten Teil würde ich aber gerne noch mal eingehen.
    Könnte man vielleicht etwas genauer beschreiben wie sich welcher Airbus bei der Landung fliegt?

  2. Smick Says:

    Sehr interessante Artikel. Ist echt mal interessant zu lesen wie das abläuft und was es beispielsweise für Probleme gibt, über die man sich nicht so unbedingt Gedanken macht als normaler Fluggast.

  3. Medien Müll Says:

    Tja.. Zum Glück wird auch die 100. Landung in Zürich nicht zur Gewohnheit. Denn mit der Gewohnheit kommt der Automatismus. Und meiner Meinung nach wird eine Arbeit erst gefährlich, wenn sie Automatisch abläuft. Denn dann denkt man nicht mehr mit, beteiligt sich nicht mehr aktiv und es passieren Fehler aus Unachtsamkeit.

  4. G! Says:

    @Niko
    Danke. Je leichter ein Flieger ist, desto “instabiler” bzw. nervöser ist er zum Steuern. Bei einem sehr schweren Airbus muss daher der Flare tendenziell etwas früher angefangen werden, da es länger geht bis er reagiert und weil man ja noch erkennen muss, OB und WIE stark er reagiert (und dementsprechend korrigieren bzw. Einfluss nehmen). Damit in Verbindung sind die Anfluggeschwindigkeiten sehr unterschiedlich und können schon ca. 50km/h auseinanderliegen…

    Ist die Frage beantwortet oder hast Du eine bestimmte Frage?

    @Smick
    Danke.

    @Medien Müll
    Du hast vollkommen Recht. Routine ist gerade in der Fliegerei eine sehr grosse Gefahr und Fehlerquelle…

  5. IVI Says:

    Tja… Jetzt weiss auch ein Gewisser Herr Selbsternannter Aviatikexperte Moser, wies geht 😀

  6. Frank Says:

    Dem ist nichts hinzuzufügen und Deine Aussage:

    “wir sind auch nur Menschen (denen die etwas härtere Landung sicher mehr “psychische Schmerzen” bereitet, als den Passagieren”

    kann ich nur bestätigen.

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