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Schlaf!

December 7th, 2012 by G!

Hast du, lieber Leser, schon einmal einen Lang- oder Kurzstrecken Nachtflug als Passagier erlebt? Warst du während des Fluges fit, müde, kaputt oder hast du geschlafen?

Ein Langstreckenpilot mit 100%-Pensum macht pro Monat rund vier Flüge. Tönt nach wenig? Nun, das sind je nach Destination zwischen vier und acht durchgemachten Nächten. Klar, wenn man zu dritt unterwegs ist gibt es rund drei Stunden Schlaf. Drei Stunden Schlaf von Mitternacht bis drei Uhr morgens; drei Stunden Schlaf von sieben bis zehn Uhr morgens usw. Wer kann sich vorstellen, wie es sich fühlt nach drei Stunden Schlaf um vier Uhr Nachts aufzustehen und einsatzbereit zu sein? Das ist nicht einfach, aber es gehört zu unserem Beruf.

“Welcher Passagier will das?” [Bild anklicken!]

“Man muss an der Destination vor dem Flug schlafen und nicht die Zeit mit Sightseeing verbringen.” Das hört man immer wieder. Bekanntlich wird etwas nicht wahrer oder wie in diesem Fall realistischer, weil es viele denken, sagen oder schreiben (es gibt schliesslich auch keine Luftlöcher…). Der Mensch schläft nicht auf Kommando oder weil er gerade “müsste”. Der “Durchschnittsmensch” wacht an der US-Ostküste irgendwann um 0400 Uhr Ostküstenzeit auf. Ob er dann wieder schlafen kann, ist fraglich. Falls, ist die Qualität des Schlafes oft nicht mehr wirklich gut. An der Westküste gibt es dasselbe Phänomen, meistens füher. In Asien und Japan ist das Problem umgekehrt und viele Leute schlafen nur sehr wenig. Ist man dann wach und es ist hell draussen, stellt der Körper auf Tag- und Wachmodus, ob man das will oder nicht. Irgendwann ist man immer müde, nur muss man dann meistens aufstehen oder bereits wach sein.

Beispiele:

– Bei Flügen an die US-Westküste stehe ich ungefähr morgens zwischen 0800 und 0900 Uhr auf. Wir landen in den USA ungefähr um 0200 Uhr Nachts Schweizerzeit.  Um diese Zeit ist die Reaktionsfähigkeit des Körpers reduziert, ob man sich jetzt müde fühlt oder nicht. Dennoch müssen wir ein maximum an Leistung bringen, um für den Anflug und die Landung fit zu sein.

– Bei Nachtflügen zB. nach JNB oder GRU, die vor Mitternacht in ZRH abfliegen, landet man zwar nach Schweizerzeit am Morgen, man hat aber den Grossteil der Nacht “durchgemacht”. Nichts desto trotz muss man fit sein.

– LX41  fliegt in Los Angeles um 1925 Uhr Lokalzeit ab. Dann ist es in der Schweiz 0425 Uhr. Mit bereitmachen und an den Flughafen gefahren werden, muss ich rund drei bis vier Stunden vorher wach sein. Das bedeutet irgendwann zwischen Mitternacht und 0130 Uhr Schweizer Zeit – wo ich vor achtundvierzig Stunden noch war – aufstehen. Für die nächsten fünfzehn Stunden (!) bin ich dann on duty und kann davon rund drei Stunden schlafen. That’s it.

Selbstverständlich “lernt” man mit der Zeit, wo man wann schlafen muss (bzw. man es versuchen muss), damit man möglichst fit ist. Das funktioniert aber nicht immer. Bei einem Nachtflug ex Zürich (zB. nach GRU oder JNB) geht der Flug kurz vor 2300 Uhr. Wenn ich vorschlafen soll, muss dies irgendwann am Nachmittag bis spätestens 1900 Uhr passieren. Wer hat schon einmal versucht, dann (richtig und lange) zu schlafen? Manchmal klappt es, manchmal nicht. Manchmal ist der Schlaf tief, manchmal sehr oberflächlich und unruhig. Manchmal lang, manchmal kurz.

Fakt ist:

1. man kann nicht auf Kommando schlafen;

2. was einmal klappt, klappt beim nächsten Mal veilleicht nicht (oder schon);

3. wer müde ist, ist nicht voll leistungsfähig.

Fakt ist auch, dass die EU versucht, die maximalen Flugdienstzeiten von Crewmitgliedern zu verlängern. Das ist verantwortungslos und widerspricht den tatsächlichen Gegebenheiten und sämtlichen (auch den von der EU in Auftrag gegebenen!) Forschungsergebnissen!

Das Problem ist, dass Sicherheit nicht sichtbar ist. Eine schmutzige und veraltete Kabine und ein kleines Essen sind sichtbar, ein müder Pilot nicht. Eine alte Kabine und ein kleines Essen töten niemanden. Ein müder Pilot kann Leben nehmen!

Jeder Passagier legt sein Leben in die Hände der Flugzeugbesatzungsmitglieder, ob er das wahrnimmt, oder nicht. Darum liegt es im Interesse jedes einzelnen Passagiers, dass die Crewmitglieder, die wortwörtlich ihr Leben in den Händen haben, fit to fly sind!

 “Fit to fly” ist keine Floskel. Fit to fly ist kein nice to have. Fit to fly ist eine gesetzliche Pflicht. Jedes Crewmitglied, das nicht fit to fly ist, muss sich vom Flugdienst abmelden, so verlangt es der Gesetzgeber (zu Recht)! 

Darum unterstützen auch Ärzte (siehe Link unten) den Kampf gegen längere Einsatzzeiten der Piloten!

Wer sicher im Flugzeug transportiert werden will, sollte sich diese kurzen Beiträge durchlesen  oder zumindest die Videos anschauen…

… und dann hier unterschreiben: flugdienstzeiten.ch!

Die meisten Zwischenfälle mit Flugzeugen basieren auf menschlichem Versagen. Längere Einsatzzeiten verringern diese Quote garantiert nicht!

 

PS: Jeder Passagier täte gut daran zu überlegen, wo bei den tiefen Ticketpreisen gespart werden soll, wo nicht und ob er vielleicht dann gewillt wäre, etwas mehr zu bezahlen…

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Posted in in the air, master warning | 7 Comments »

7 Responses

  1. Daniel Says:

    [EDIT durch G!: Daniel, da du wohl nicht über Insiderwissen einer laufenden Untersuchung Bescheid weisst [und falls, wäre das hier zu veröffentlichen nicht gerade ein raffinierter Schachzug…], veröffentliche ich diesen Teil deines Kommentars nicht, da er bisherigen Kenntnissen zufolge jeglicher Grundlage entbehrt. Diskussion beendet.]

    Ernsthaft: Was Du schreibst, ist völlig richtig. Du hast aber leider viele Pilotenkollegen, die in ihrem Alltag das Gegenteil leben. Anstatt zu schlafen, jöbeln sie noch bei Skyguide, machen ein bisschen Fluglehrer oder haben ihre eigene GmbH. Die beiden ersten Sachen auch gleich mal nach einem Langstreckenflug.

    Man könnte übrigens sicherlich mehr Piloten einsetzen, denn es gibt ja soviele davon, dass fast alle in der einen oder anderen Form dafür bezahlen, fliegen zu dürfen (bei Swiss häufig über die Kosten der Ausbildung bei SAT, anderswo noch etwas direkter).

  2. Andreas Says:

    Guter Post – definitiv ein Thema welches zu wenig thematisiert wird.
    Respekt wie ihr das auf die Dauer durchhält! Wie oft kannst Du aufstehen zum “Beine strecken”?

    Ich mache auch durchschnittlich 2 Langstrecken pro Woche, allerdings (ganz)hinten und bin schon vom Filme schauen auf der Schnauze 🙂

    PS: Habe unterschrieben…

  3. G! Says:

    @Daniel
    Erstens interessiert mich, was du unter “viele” verstehst und woher du (verlässliche) Zahlen dafür hast, ich habe sie nicht!
    Zweitens arbeiten einige Piloten nicht Vollzeit, nicht zuletzt um die Auswirkungen der Nachtflüge abzufedern. Was sie mit der übrigen Zeit machen, ist ihnen überlassen, viele müssen wohl den Erwerbsausfall kompensieren…
    Drittens frage ich mich, ob du Hobbys hast? Was machst du nach der Arbeit? Ins Bett um für den nächsten Arbeitstag fit zu sein? Oder hast du ein Privatleben? So geht es auch Piloten…wer dann was macht, ist jedem selber überlassen, dir und uns Piloten!

    Klar wäre mehr Piloten einzusetzen die Lösung, aber das kostet und darum versucht man, die Einsatzzeiten zu erhöhen. Dies auf Kosten der Sicherheit! Es liegt aber nicht im Interesse einer Airline jeden der Fliegen will, anzustellen, auch wenn das diverse Airlines (so zB. gemäss Medienberichten auch Hello) mach(t)en. Selektionen helfen der Sicherheit ebenfalls!

    @Andreas
    Danke für die Unterschrift! Wir können aufstehen, wann wir “müssen” bzw. “wollen” (natürlich, wenn es die Situation zulässt). Da von unseren Flugärzten empfohlen wird, möglichst viel zu trinken (trockene Luft!), steht man automatisch öfters auf und vermindert so gleich auch noch das Tromboserisiko und bringt den Kreislauf ein wenig in Schwung – drei Fliegen mit einer Klappe…

  4. hypnos Says:

    Ich halte es ebenfalls für sehr bedenklich, dass in der Luftfahrt Regelungen eingeführt werden sollen, die über entsprechende Vorgaben z.B. im Straßenverkehr deutlich hinausgehen.

    Aus meiner Sicht ist es aber schon mal interessant, nach den Ursachen für derartige Planungen zu fragen. Den Kostendruck in der Luftfahrt hast Du bereits angesprochen und über die Ermahnung bzgl. des Ticketpreises den schwarzen Peter (berechtigterweise) den Passagieren zugeschoben. Allerdings: Auch die Piloten haben in den letzten Jahren immer mal wieder durch mehr oder weniger spektakuläre Streiks (bzw. deren Androhung) den Luftverkehr lahmgelegt und konnten so z.T. ganz erhebliche Gehaltssteigerungen durchsetzen. Es ist doch kein Wunder, dass die Fluggesellschaften versuchen, die Nutzung der teuren Ressource “Pilot” zu optimieren und dabei auch entsprechende Lobby-Arbeit leisten. Grundsätzlich könnte ich mir auch vorstellen, dass das Thema “Ruhezeiten” Teil eines Tarifvertrags sein könnte. So könnte man (ggfls. im Tausch auch mit Gehaltsverzicht etc.) sicherlich zu angenehmeren Regelungen kommen.

  5. TABUM Says:

    @hypnos:
    Das Thema Ruhezeiten IST Teil eines Tarifvertrags! Ich kann nicht für die Swiss reden, bei der deutschen Mutter ist dem jedenfalls so!
    Nichts desto trotz ist es in meinen Augen ein Unding einen solchen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Da ist es doch nur eine Frage der Zeit bis der erste Tarifvertrage “angepasst” (ergo: verschlechtert) wird!

  6. G! Says:

    @hypnos

    Du hast vollkommen recht, dass die Fluggesellschaften versuchen, die Resource “Pilot” bzw. richtiger: “Personal” zu optimieren. Das ist ihr gutes Recht und auch notwendig für das langfristige überleben. Was ich aber für falsch und in höchstem Masse bedenklich einstufe (und DAS sollte den Passagieren zu denken geben!), ist, wenn man dies auf Kosten der Sicherheit machen WILL!

    Ruhezeiten und Lohn sind natürlich Teil unseres Vertrages. Aber darum geht es nicht: der legale Rahmen gibt das MINIMUM vor und jede Airline muss entscheiden, ob sie sich am Minimum bewegt (das kostengünstiger ist – kurzfristig), oder darüber hinaus geht. Beispiele:
    – Mit 1.6mm Profil zu fahren, ist (in der Schweiz) legal, aber ist es sicher und sinnvoll?
    – Auf einer kurvigen Bergstrasse kann 80 km/h zu fahren legal sein, aber sinnvoll?
    – Eine Treibstoffplanung kann durchaus legal sein, aber aufgrund der Umstände keinesfalls sinnvoll und vielleicht auch nicht wirklich sicher.

    DAS ist der Unterschied zwischen LEGAL und SICHER. Als Pilot will ich auf der SICHEREN Seite sein, das ist unsere Aufgabe! Das sollte sich auch der Passagier überlegen, bevor er den “billigen” Flug wählt. Ich wiederhole mich zum x-ten Mal: Sicherheit sieht man erst, wenn sie nicht da ist.

    An diesr Stelle über Pilotenlöhne zu diskutieren würde an dieser Stelle den von mir beabsichtigten Rahmen sprengen, darum gehe ich darauf nicht ein.

  7. Einladung zur Demo - 22.1.2013 in VIE Says:

    […] Zitat von rofra Mal aus Interesse: Was sind denn die "unsicheren" geplanten Arbeitszeiten? Hier eine Meinung eines Piloten dazu: Window In The Skies […]

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