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Fuel Low Temperature

August 15th, 2010 by G!

Beim Zwischenfall mit dem Flug BA038 in London Heathrow (alle Beiträge darüber) spielte Eis im Tank die Hauptrolle. Ich bin in meiner Fotosammlung zufällig auf ein dazu passendes Foto gestossen. Darum möchte ich, obwohl der Vorfall und dessen Aufklärung inzwischen einige Zeit zurückliegt, einige Infos zum Thema Treibstofftemperatur für die technisch interessierten Leser erwähnen.

Systempage “FUEL” Airbus 330-300

Auf dem Bild, das die Treibstoffsystemseite in einem Airbus 330-300 zeigt, kann man unten links die verschiedenen Lufttemperaturwerte erkennen:

TAT = Total Air Temperature: Die Temperatur auf der “Flugzeugoberfläche” [*] (diese ist, bedingt durch die Kompression der Luft, entsprechend höher als die Aussentemperatur; [*] eine genauere Definition findet man im Kommentar Nr. 8 unten).
SAT = Static Air Temperature: Die Temperatur der Umgebungsluft (und damit die “Aussentemperatur”).
ISA = Internationale Standard Atmosphäre: Die Abweichung der SAT von der ISA-Temperatur auf dieser Höhe (in der “Normatmosphäre” beträgt die Temperatur auf Meereshöhe 15 Grad Celsius und sie nimmt 2 Grad pro 1000ft Höhe ab).

Die Treibstofftemperatur lässt sich unter/neben dem jeweiligen Tank erkennen und und beträgt zwischen -25 Grad Celsius (linker Innentank) bis -40 Grad in den Aussentänken.

Der Gefrierpunkt des Treibstoffs ist von der getankten Kerosinart abhängig. Bei der weltweit üblichen Kerosinart “JET A-1” beträgt er -47 Grad. Keine Regel ohne Ausnahme, denn (nur noch) in den USA wird nicht JET A-1, sondern “JET A” getankt. Was ähnlich tönt, hat aber einen wesentlichen Unterschied: der Gefrierpunkt von JET A beträgt nämlich nur -40 Grad. Das ist auch der Grund, warum auf dem Bild die Temperaturanzeige im linken Aussentank orange ist. Da das Flugzeug nicht weiss (auch ein Airbus weiss nicht alles…;-)), was für ein Treibstofftyp in den Tanks ist, kommt die Warnung vorsorglich beim höheren Wert.

Was wird in einem solchen Fall gemacht? Zuerst überprüft man, was für eine Treibstoffart man getankt hat. Wenn der Flieger nicht aus den USA kommt/gekommen ist, ist es JET A-1. Da der Gefrierpunkt noch nicht erreicht ist, ist die einzige Handlung, dass man die Temperatur sporadisch überprüft (wobei die Warnung später wieder erscheint). Wenn sie gegen  -47 Grad fällt, oder man JET A getankt hat, stehen – in einem Airbus 330 – die folgenden Möglichkeiten offen.

Man kann den kalten Treibstoff mit dem warmen mischen. Der Treibstoff von den äusseren Flügeltanks und denjenigen vom Trimtank im Höhenruder kann man in die inneren Flügel(haupt)tanks umpumpen. Wenn auch der Flügelinnentank zu kalt ist, dann bleibt nur noch die Möglichkeit, die Temperatur, nämlich die oben angegebene TAT zu erhöhen. Dies kann wiederum durch schneller fliegen (erhöhte Reibung und Kompression = höhere Erwärmung der Flugzeugstruktur) oder durch absinken (geringere Höhe = höhere Aussentemperatur ) erreicht werden.

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Last Call London Heathrow: Boeing 777 (IV)

February 15th, 2010 by G!

Vor mehr als zwei Jahren, am 17. Januar 2008, verunglückte in London Heathrow (EGLL/LHR) eine Boeing 777-236ER (G-YMMM) der British Airways (Flug BA038). Ich habe dazu bereits drei Beiträge mit Bildern veröffentlicht (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Vor wenigen Tagen hat die Untersuchungsbehörde AAIB (Air Accidents Investigation Branch) den Schlussbericht ihrer Untersuchung veröffentlicht. Der Bericht umfasst 243 Seiten und kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Zusammenfassend wurden folgende Punkte als wahrscheinliche Ursachen identifiziert, die ich im Originaltext von der AAIB-Untersuchungswebseite übernommen habe:

1)      Accreted ice from within the fuel system released, causing a restriction to the engine fuel flow at the face of the FOHE [Fuel/Oil Heat Exchanger], on both of the engines.
2)      Ice had formed within the fuel system, from water that occurred naturally in the fuel, whilst the aircraft operated with low fuel flows over a long period and the localised fuel temperatures were in an area described as the ‘sticky range’.
3)      The FOHE, although compliant with the applicable certification requirements, was shown to be susceptible to restriction when presented with soft ice in a high concentration, with a fuel temperature that is below -10°C and a fuel flow above flight idle.
4)      Certification requirements, with which the aircraft and engine fuel systems had to comply, did not take account of this phenomenon as the risk was unrecognised at that time.

In meinem dritten Beitrag erwähnte ich zwei weitere, für aussenstehende ähnliche Vorfälle. Einer davon, Flug AA299 wird im Report (auf Seite 2) erwähnt, ohne aber darauf einzugehen, während – soweit ich sehen konnte – zu Flug BA146 nichts geschrieben ist.

Infolge der Untersuchung wurden vom AAIB 18 Sicherheitsempfehlungen herausgegeben.

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Die Suche geht weiter – London Heathrow: Boeing 777 (III)

July 6th, 2008 by G!

Über die am 17. Januar 2008 in London Heathrow verunglückte Boeing 777-236ER der British Airways (Flug BA038) habe ich bereits am 19. Januar und am 7. März je einen Beitrag geschrieben. In der Zwischenzeit wurde es ruhig um den Vorfall. Dennoch – oder gerade deswegen – und weil ich die G-YMMM gerade wieder gesehen habe, Zeit für ein kleines Update.

Vor Ort

Die G-YMMM liegt immer noch in unmittelbarer Nähe der Unglücksstelle. Inzwischen wurde das Flugzeug jedoch durch einen Zaun – einigermassen – vor neugierigen Blicken geschützt. Ausserdem wurde das Seitenleitwerk demontiert [Grossansicht: Bild anklicken]:

Update der Untersuchungsbehörde

Am 12. Mai 2008 hat die britische Air Accident Investigation Branch (AAIB), die den Vorfall untersuchende Behörde, ein zweites Special-Bulletin (AAIB Bulletin S3/2008 SPECIAL, PDF-Datei) veröffentlicht. Das dreiseitige Bulletin enthält zusammengefasst folgende Informationen:

Diverse Systeme und mögliche Unfallursachen wurden weiter detailliert untersucht und es wurden bisher für mehrere denkbare Ursachen keine Beweise gefunden, so zB für eine Fehlfunktion der Flugzeug- und Triebwerkskontrollsysteme, auch nicht durch elektromagnetische Interferenzen; für einen Vogelschlag (Birdstrike) oder eine Triebwerksvereisung; für Wake Turbulence (Turbulenz durch die Randwirbel/Wirbelschleppen der vorausfliegenden Flugzeuge – diese sind der Grund für die Mindestabstände zwischen den Flugzeugen beim Anflug).

Der Treibstoff war von guter Qualität, frei von Verunreinigungen und es wurde keine übermässige Menge an Wasser darin gefunden (übrigens: bei der “heldenhaften” Notlandung von Sepp Moser war Wasser im Tank der Grund…). Im Treibstoffsystem wurden keine physischen Blockaden gefunden.

Aufgrund der bisherigen Beweislage vermutet die AAIB, dass es im Treibstoffsystem zwischen den Tanks und den Pumpen der Triebwerke zu Problemen gekommen ist, was wiederum zu einem zu geringen Treibstoffdruck in den Triebwerken geführt haben könnte.

Die weitere Untersuchung wird sich deshalb auf das Treibstoffsystem des Flugzeuges und der Triebwerke konzentrieren. Bisher hat aber weder die AAIB, noch Boeing oder Rolls-Royce (der Triebwerkshersteller) operationelle Veränderungen empfohlen.

Zwischenfall in Los Angeles (Flug AA299)

Bereits am 28. Februar 2008 ereignete sich laut Flightglobal scheinbar folgender Zwischenfall: Beim Anflug einer Boeing 777-200ER von American Airlines (AA299, Miami – Los Angeles) auf den Flughafen Los Angeles reagierte ein Triebwerk nicht mehr auf die Steuerbefehle des automatischen Schubsystems (Autothrottle). Der Ausfall dauerte 10-15 Sekunden und fand auf einer Höhe von 2000 Fuss (ca. 650 Meter) über Grund statt. Danach reagierte das Triebwerk wieder auf die Steuerbefehle. Die Landung verlief offensichtlich problemlos.

Nachtrag: Zwischenfall zwischen Kalkutta und London (Flug BA146)

(Danke HBIJL für den Hinweis, vgl. den zweiten Kommentar auf diesen Beitrag): Einer Meldung des AVHerald zufolge reagierte auf dem Flug BA146 von Kalkutta (Indien) nach London wiederum bei einer Boeing 777-200 von British Airways (G-YMMC) das rechte Triebwerk für (ebenfalls!) rund 90 Sekunden nicht mehr auf die Ansteuerungsbefehle. Danach reagierte das Triebwerk wieder und der Flug wurde ohne Zwischenfall fortgesetzt.

Unklarer Zusammenhang

Es liegt mir fern, aufgrund der – gerade im zweiten Fall in LA – sehr spärlichen und medial gefilterten Informationen, Theorien oder Mutmassungen aufzustellen, zumal ich das betroffene Flugzeug, dessen Systeme und Triebwerke nicht kenne. Dennoch ist interessant, dass es sich drei Mal um denselben Flugzeugtyp, mit denselben Triebwerken (Rolls Royce Trent 800) handelt. In allen drei Fällen reagierte (mindestens) ein Triebwerk nicht mehr auf die Steuerbefehle der Schubhebel und in zwei der drei Fälle fand der Zwischenfall unmittelbar vor der Landung statt.

Es kann natürlich durchaus sein, dass diese Gemeinsamkeiten absolut zufällig sind. Dennoch bin ich etwas überrascht, dass diese drei Vorfälle aufgrund dieser Gemeinsamkeiten – zumindest “offiziell” – nicht miteinander in Verbindung gebracht wurden. Des Weitern scheint es zu keinen Empfehlungen betreffend Boeing 777-200ER und/oder Trent 800 gekommen zu sein, was im AAIB Bulletin (das knapp 3 Monate nach dem Vorfall in LA herausgegeben wurde) ausdrücklich erwähnt ist. Ob dies – nach dem dritten ähnlich gelagerten Vorfall – immer noch der Fall ist, kann ich nicht sagen, da ich keinen Zugang zu solchen Informationen habe. Dennoch: gerade bei Vorfällen, deren Ursachen unklar sind und bei denen ganze Serien betroffen sein könnten, kam es in der Vergangenheit sehr oft und sehr schnell zu Empfehlungen und/oder sogar Groundings von ganzen Flotten.

Die Suche geht weiter…

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