Blogsearch

Egosurf

qrcode

What a month!

December 4th, 2010 by G!

Rückblick Teil I: Naher Osten

Einer Planänderung hatte ich den Nachtflug nach Tel Aviv zu verdanken. LX256 fliegt um 2245 in ZRH ab und landet um 0330 Lokalzeit in Tel Aviv. Eine Stunde vor dem Flug beginnt das Cockpit Briefing mit den Unterlagen, die ich zuvor gesammelt habe. Die Flugverteilung ist schnell gemacht, ich darf das Leg nach TLV fliegen. Die Planung ist bis auf ein kleines (aber wichtiges) Detail problemlos: In TLV wird während unserer geplanten Landezeit Dunst und sogar leichter Nebel erwartet. Allerdings ist auch der tiefste vorhergesagte Sichtwert mit 800 Metern klar über unserem nötigen Minimum, das 550 Meter (CAT 1 ILS, eine automatische Landung ist damit nicht möglich!) beträgt. Hinzu kommt, dass die Sichtreduktion nur temporär und nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% eintritt (in Fachausdrücken: “PROB 30 TEMPO”). Die Sesselhocker Juristen erlauben uns, dass wir das so vorhergesagte Wetter für unsere Planung gänzlich ausser acht lassen dürfen! Theorie vs. Praxis Teil I, denn das tun wir nicht, schliesslich sind wir keine nicht nur Juristen sondern auch und vor allem Piloten. Darum nehmen wir Treibstoff mit für einen Alternate (Ausweichflughafen) und genug um Warten und nötigenfalls durchstarten zu können.

Der Flug verläuft problemlos, bis wir ein weiteres Wetterupdate bestellen: Die Sicht beträgt aktuell unter 300 Meter und damit klar unter unserem benötigten Minimum und weit unter dem Vorhergesagten! Zeit an der Eventualplanung zu arbeiten. Während mein Kollege die Einsatzleitstelle von den Neuigkeiten in Kenntnis setzt, damit auch dieses Räderwerk in Bewegung gerät, bestelle ich die aktuellesten Wetterwerte und neuesten Vorhersagen möglicher Ausweichflughäfen. So vergeht die Zeit wie im Fluge und wir erfahren über den Funk, dass einer unserer möglichen Ausweichflughäfen soeben geschlossen wurde, weil er überfüllt ist. Ein weiterer Mosaikstein in unserer Lagebeurteilung. Wir einigen uns aufgrund des Wetters mit der Einsatzleitstelle, dass wir bis nach TLV fliegen, dort warten, wie sich das Wetter entwickelt und nötigenfalls nach Amman (OJAI/AMM) ausweichen. Die Kollegen vom Kranich, die mit demselben Ziel einige Minuten vor uns fliegen, haben sich (wie viele) entschlossen, direkt nach AMM auszuweichen. Inzwischen sind wir im israelischen Luftraum, wo wir den Controller über unsere Absicht in Kenntnis setzen. Er meldet uns, dass derzeit die Sichtwerte langsam wieder besser werden, wenn auch in kleinen Schritten. Grund genug für Lufthansa, die dies und unsere Absicht gehört hat, die Meinung zu ändern und statt nach AMM auszuweichen ebenfalls zuerst nach TLV zu fliegen bzw. es zu versuchen. Als wir rund 50km vom Flughafen entfernt sind, meldet der Controller, dass soeben eine Maschine gelandet sei. Die Wetterwerte sind über unserem Minimum, wenn auch nicht viel. Wir fliegen mit maximaler Geschwindigkeit. Vor uns wird allerdings der Kranich mit dem Airbus 340-600 in den Anflug gehen. Wir sind knapp 10km hinter der Mutti auf dem Leitstrahl der ILS, als wir sehen und hören, dass der Kranich wieder durchstartet, obwohl die vom Turm gemeldeten Wetterwerte deutlich über unserem Minimum sind. Wir sind nur noch wenige Minuten vor der beabsichtigten Landung entfernt. Ich fliege, mein Kollege auf dem linken Sitz beginnt nach aussen zu schauen, während wir in eine dicke Nebelschicht eintauchen. Wir machen einen so genannten “Monitored Approach”: ein Anflug, bei dem ich ausschliesslich nach Instrumenten fliege, während der Captain nach aussen schaut um die nötigen Pistenlichter zu sehen. Sieht er die Pistenbeleuchtung, gibt er mir dies bekannt und übernimmt den Flieger für die Landung. Kein einfaches Unterfangen so kurz vor der Landung. Sieht er nichts, befiehlt er den Durchstart, den ich fliege. Der Turm gibt uns die Landefreigabe mit Wetterwerten die eine Landung zulassen müssten. Theorie vs. Praxis Teil II, denn mein Kollege sieht nur weiss und damit schwarz für die Landung: “Go Around!”. Ich schiebe die beiden Schubhebel nach vorne und die Triebwerke unseres Airbus 330-200 heulen auf. Die unbändige Kraft – der Flieger ist auf so einem kurzen Flug sehr leicht – drückt uns in die Sitze und die 150 Tonnen schwere Maschine weg vom nicht erkennbaren Boden in den Himmel.

Da sich das Wetter inzwischen wieder klar unter das nötige Minimum verschlechtert hat, drehen wir einige Runden im Holding später unsere Nase Richtung Jordanien, wo wir eine weiter halbe Stunde bei bestem Wetter landen. Vor uns ist schon die Austrian – ebenfalls statt in TLV – gelandet. Am Boden müssen wir den Flieger überprüfen, Tanken, das Loadsheet (Berechnung der Ladeverteilung) erstellen, die Bezahlung des Treibstoffs und der Landung organisieren und vieles mehr. Dazu müssen die Passagiere informiert werden, wie es weitergeht und mit der Einsatzleitstelle telefoniert werden. Inzwischen sind auch die Luftis und zwei El Al Flugzeuge hinter uns geparkt worden. TLV wird geschlossen, nimmt keine Flugzeuge mehr an. In AMM ist es bereits taghell und wir warten stundenlang ohne Informationen, wann und ob es wieder weitergeht. Für uns und die Cabincrew stellt sich die Frage, wie lange wir noch auf einen Start warten können, bevor wir aus Sicherheitsgründen (Müdigkeit!) den Flug abbrechen müssen. Dazu kommt es aber nicht, denn nach ewig langem Hin und Her bekommen wir die Startfreigabe und es geht nach fünfeinhalb Stunden (!) in AMM wieder Richtung TLV, wo wir mit demselben Verfahren anfliegen, diesmal aber problemlos landen können.

Um 0330 Lokalzeit hätten wir in TLV landen müssen. Tatsächlich war es 1048 Uhr. Um 1230 Uhr falle ich ins Bett und schlafe, bis mich der Wecker aus dem komatösen Schlaf reisst. Morgen? Nein, Essen. Das muss auch sein. Nach dem Essen heisst es vorschlafen, denn um 0230 Lokalzeit klingelt bereits wieder das Telefon. Für den nächsten Nachtflug und wer weiss schon, wie dieser verläuft…

Rückblick Teil II: Ferner Westen

Diese Woche stand zum zweiten Mal in diesem Monat JFK auf dem Plan. Letzte Woche steuerte der Kapitän unseren Airbus 330-300 bei 5 Knoten Wind auf der ILS zur Piste 31R hinunter. Ich konnte ein wenig den wunderbaren Ausblick auf die Skyline direkt vor uns geniessen. Fünf Tage später bin ich wieder dran mit der Auswärtslandung. Vorhergesagt sind 5-10 Knoten Wind vom See her. Angenehm wenig Wind für JFK-Verhältnisse. Als wir über Neufundland sind, bestellen wir ein Wetterupdate und siehe da: der Wind kommt vom See, aber mit 10 Knoten und Böenspitzen bis 20 Knoten. Die Geschichte zeigt, dass unter diesen Umständen ein VOR Anflug auf die Piste 22L mit Seitenwind die Wahl der Controller sein dürfte. Theorie vs. Praxis Teil III, denn “Approach in use VOR DME Rwy 13L”. Das bedeutet – genau, wie damals bei meinem Finalcheck auf dem Airbus 330 (oder hier von unten betrachtet) – Canarsie Approach! In der Folge nimmt der Wind noch zu und als wir uns für den Anflug bereit machen, wird – trotz stärkerem Wind  (130/15G25) zur Landung der Canarsie Approach und zusätzlich die Piste 22L benutzt. Da wir von Norden her kommen, dürfte es damit zu einer Seitenwindlandung auf Piste 22L kommen. Da ich in JFK schon vieles erlebt habe und das einzige Berechenbare die Unberechenbarkeit ist, umfasst mein Approachbriefing (bei dem ich meinem Kollegen erkläre, wie ich den Anflug fliegen will und was beachtet werden muss), drei Anflüge, sicher ist sicher. “Swiss TwentyTwo Bravo, Radar identified … prepare for a VOR DME Approach Runway 13L”. Also doch! Die Spannung steigt, schliesslich ist der Anflug auf die Piste 13L etwas nicht alltägliches und will gut durchdacht sein, denn er lässt nur sehr wenig Raum für Fehler. Als wir 90 Grad zur Piste auf 2000 Fuss über Grund fliegen, beträgt der Wind noch über 40 Knoten, die Flugzeugnase zeigt15 Grad in eine andere Richtung als wir tatsächlich fliege. Ich befehle die Konfiguration des Flugzeuges, schalte den Autopiloten aus und suche die Lichterkette, der ich entlang fliegen, sie aber keinesfalls überschiessen darf. Dann gehts zur nächsten Kette und zur Dritten, die in der Pistenverlängerung liegt. “Swiss TwentyTwo Bravo, Wind 130/15G25, cleared to land runway 13L”. Gesagt, getan und nach etwas mehr als 18 Monaten darf ich den zweiten Canarsie Approach in mein Flugbuch eintragen. Ein Anflug auf den andere ihr Leben lang warten.

Teil III, Ausblick Dezember:

Wer regelmässig mitliest weiss, wie oft ich schon nach JFK fliegen wollte, dies aber trotz Wünschen von unserem russischen Planungsroulette nicht zugeteilt bekommen habe. Nach zwei Besuchen in New York City im November wollte ich im Dezember an die Sonne und meine Eltern aus den Ferien nach Zürich fliegen. Darum wünschte ich nur den einen Flug. Einen einzigen und nur den allein. Selbstredend, dass mir der Computer dieses Geschenk nicht machte. Diesmal schickte er mich aber nicht wie üblich, wenn er meine Wünsche missachtet, nach Afrika oder Indien. Man glaubt es kaum, aber ich kann drei Mal hintereinander nach JFK! Ein kleiner Trost, dafür, dass ich meine Eltern nicht fliegen kann. Aber ich habe ja noch nie gesagt, dass ich unser Planungssystem verstehe… Dann habe ich noch Ferien zugeteilt bekommen und solche, die ich geplant und inhaltlich schon verplant sind. Macht 59 Blockstunden bei 12 Tagen Ferien… Der Plan ist am gewohnten Ort downloadbar.

13 people like this post.

Posted in in the air, master warning | 5 Comments »

Südafrika – Ostafrika – Transafrica!

June 28th, 2010 by G!

Südafrika ist ja derzeit in aller Munde und TV. Die FIFA Fussball Weltmeisterschaft 2010 beginnt erst jetzt richtig, wo die Spreu vom Weizen getrennt wurde.
Fazit 1: Leider wissen wir Schweizer, dass wir 2010 nicht zum Weizen gehören.
Fazit 2: Meistens sind die Pfeifen an der Pfeife zu erkennen.
Fazit 3: Nicht nur Frauen haben keine Ahnung, was Abseits ist.

Ostafrika

New York liegt in Ostafrika! Dies hat nicht etwa mit der Hautfarbe des derzeitigen Präsidenten zu tun, sondern mit unserem Planungssystem, zu dem ich mich letzten Monat (einmal mehr) ausführlich geäussert habe. Weil mir wieder einmal danach war, und im Wissen, dass ich es sowieso nicht bekommen würde, wünschte ich im Juli nur Flüge nach New York. Resultat: Ich fliege ein (one, un, uno) einziges Mal – über GVA – nach New York. Ausserdem gehts nach Mumbai (BOM) ins “crewfressende Hotel“. 48 Stunden Regen sind angesagt, weil dort derzeit Monsun ist (durchschnittliche Niederschlagsmenge im Juli ca. 80cm…!). Zum Ausgleich und trocknen darf ich ins rund 40 Grad warme Muscat (MCT) und dann, meinen Wünschen (nicht wirklich) entsprechend, drei (!!!) Mal nach Ostafrika, nach Nairobi! Wer es schwarz auf weiss sehen will, der kann meinen neuen Einsatzplan für den Juli am gewohnten Ort (> HIER <) downloaden.

Transafrica.ch

Da in Afrika nur wenig so ist, wie es scheint oder sein müsste, ist fliegen in Afrika immer “spannender” als anderswo. Man muss immer mit allem rechnen und für mehrere Varianten bereit sein. Das gilt schon bei einem gewöhnlichen Linienflug an (verhältnismässig) gut funktionierende Flughäfen. Was wohl rauskommt, wenn man in einem Kleinflugzeug auf eigene Faust in Afrika fliegt?

Drei Freunde. Eine Idee. Ein Jahr Vorbereitung. Ein Flugzeug. Ein Kontinent. Sechs Wochen unterwegs.

transafrica.ch

Afrika in einem einmotorigen Kleinflugzeug durchqueren! Wie so vieles wurde auch diese Idee bei einem Bier geboren. Wenn sich nun drei Kollegen zusammentun, um mit einem Kleinflugzeug Afrika zu durchqueren bzw. zu umrunden, ist das ein nicht alltägliches Abenteuer, das geplant werden muss. In diesem Fall dauerte die Planung ein Jahr! Selbst wer schon einmal in Afrika war, kann nur erahnen, auf welche möglichen (und unmöglichen) Probleme man bei der Planung eines solchen Vorhabens stösst. Tom Hartmann, mein Fluglehrer der ersten Stunde in der Swissair Aviation School, hat das Abenteuer mit zwei Freunden gewagt. Auf ihrem Blog Transafrica.ch haben sie Tagebuch über ihre Reise und Erlebnisse geführt. Neben vielen spannenden Beiträgen sind auch zahlreiche Fotos zu sehen.  Dass die Abenteurer inzwischen bereits wieder (sicher und gesund) in der Schweiz zurück sind, ändert nichts daran, wie spannend ihre Erlebnisberichte sind. Daher empfehle ich jedem Reise- und Flugbegeisterten einen Besuch auf Transafrica.ch, es lohnt sich!

Be the first to like.

Posted in impressions, in the air | 4 Comments »

Nachtrag oder Canarsie von unten

April 28th, 2009 by G!

Am Sonntag durfte ich wieder in die City of Blinding Lights (New York) fliegen. Beim Briefing fragt mich der Captain – wie (ausser beim Finalcheck)üblich – ob ich hin oder zurückfliegen wolle. Ich erzähle ihm, dass ich eben erst in JFK war und einen Canarsie-Approach bekommen hätte. “WAS? Das hatte ich in mehr als 20 Jahren noch NIE!”… Wie dem auch sei, ich wählte den Hinflug aus und bekam diesmal zwar keinen Canarsie, sondern – äusserst kurzfristig und entgegen aller Erwartungen – meinen ersten Visual Approach auf dem Airbus 330.

Weil es viel Abflugverkehr hatte (wir waren Nummer 23 für den Start…) wurden beide der parallel zur Startpiste (13R) verlaufenden Taxiways (Rollwege) mit Flugzeugen “aufgefüllt”. Als eines der letzten Flugzeuge auf dem ersten Taxiway die Startfreigabe bekam meinte der Tower in der typisch coolen amerikanischen Art zu den anderen Wartenden: “Gentlemen, start your engines …!”

Interessant war aber, dass wir während der Roll- bzw. Wartezeit von knapp 40 Minuten die Chance hatten, andere Flugzeuge beim Anfliegen und Landen auf die Landepiste 13L zu beobachten. Darum kann ich nun einige Bilder zum Beitrag von letzter Woche liefern und zeigen, wie der von mir beschriebene Canarsie-Approach von aussen ausschaut (geflogen von einem Air France B-747-400 “Jumbo”): beeindruckend! Sehr schön zu sehen ist, wie man schon nahe an der Piste und dementsprechend tief noch senkrecht (!) zur Landepiste fliegt, um dann einzudrehen. Der Final (der Teil des Anfluges kurz vor der Landung, wo man gerade auf die Piste zufliegt) ist dadurch sehr kurz. Das alles macht den Anflug wie beschrieben sehr speziell und nicht gerade einfach. Leider habe ich unsere Kollegen, die mit dem Swiss Flagschiff, dem Airbus 330-300 den Anflug geflogen sind, verpasst und erst kurz vor der Landung noch vor die Linse bekommen:

PS: Dide, wie versprochen das noch fehlende NESPRESSO-WHAT ELSE?-Genuss-Bild 😉

[Hinweis zu den Gallerien: wird ein Bild aus der Reihe angeklickt, wird es darüber grösser angezeigt. Ein Klick auf das grössere Bild öffnet es in einer Lightbox in der Originalgrösse]

[myginpage=canarsie]

Be the first to like.

Posted in impressions, in the air | 2 Comments »

« Previous Entries Next Entries »