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Klarstellung (Journalistische Inkompetenz IV)

April 11th, 2010 by G!

Einmal mehr zeigt sich, wie oberflächlich, ungenau und damit unprofessionell gewisse Medien und deren Journalisten arbeiten. Ich möchte auf einen aktuellen Fall hinweisen, auf den ich in den letzten Tagen mehrmals wegen “falschen Fakten” angesprochen worden bin:

Fakt ist:

Vor einigen Tagen platzen einem Swiss Airbus 340-300 in Hong Kong mehrere Reifen beim sog. “Taxi out”, dem Rollen zur Startpiste, also vor dem Start. Dabei wurde eines der vier Triebwerke beschädigt. Menschen wurden keine verletzt, der Flug musste natürlich abgesagt werden.

… und das wird daraus gemacht:

Tages Anzeiger:

“Ein Airbus 340 der Schweizer Fluggesellschaft musste den Start abbrechen, nachdem drei Reifen des Flugzeugs platzten und das Fahrwerk und ein Triebwerk beschädigt wurden. Der Zwischenfall passierte auf dem Rollweg vor dem Start.

Tagesanzeiger-Online, Reifen von Swiss-Maschine platzen vor Start, 08.04.2010, 09:51 Uhr

Spiegel

“Airbus-Reifen platzten kurz vor dem Start

Seltsamer Zwischenfall auf dem Flughafen Hongkong: Noch vor dem Start sind bei einem Airbus A340 der Fluglinie Swiss mehrere Reifen geplatzt. Ein Triebwerk wurde schwer beschädigt. Die Ursache ist noch unklar.

Auf dem Flughafen Hongkong haben platzende Reifen einen Airbus der Fluggesellschaft Swiss zum Startabbruch gezwungen.

Spiegel-Online, Airbus-Reifen platzten kurz vor dem Start,  08.04.10

Den Berichten zufolge sind die Reifen “von dem Start” (Spiegel) bzw. “auf dem Rollweg vor dem Start” (Tages Anzeiger) geplatzt. Das entspricht zwar den Tatsachen, hindert die Journalisten aber nicht, von einem “Startabbruch” zu schreiben. Ein Widerspruch innerhalb weniger Worte! Startabbruch ist aber der Begriff, der in den Köpfen der Leser hängen bleibt, und worauf ich angesprochen wurde. Fakt ist, dass es in Hong Kong keinen Startabbruch gab. Dies aus dem einfachen Grund, weil sich der Vorfall beim Rollen auf dem Rollweg zur Startpiste und damit vor und nicht beim Start auf der Startpiste ereignete.

Von einem (in der Praxis sehr selten vorkommenden) Startabbruch kann nur die Rede sein, wenn – wie es das Wort schon verrät – der Start abgebrochen wird. Jedem noch so branchenfremden Menschen (und Journalisten…) dürfte bekannt sein, dass Flugzeuge gewöhnlich auf der Startbahn (Startpiste, Runway) starten, weshalb das Rollen auf den Rollwegen zur Startbahn eben nicht zum Start gehört.

Selbstverständlich ist ein Zwischenfall beim Rollen nicht annähernd so spektakulär (und gefährlich) wie ein Startabbruch, weshalb wohl der Begriff Startabbruch von den Verfassern gewählt wurde. Schade, denn obwohl die Fliegerei inzwischen so sicher wie noch nie ist, geschehen immer noch genug Zwischenfälle mit Toten und Verletzten (erst gerade wieder in Russland). Daher müsste man “unspektakuläre” Zwischenfälle und solche, bei denen glücklicher Weise niemand zu Schaden kam, nicht zugunsten einer grösseren Effekthascherei künstlich aufblasen!

Dies von Medien, die den Anspruch von sich haben, qualitativ hochstehenden Journalismus zu bieten…

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Gefahren und Bewusstsein

August 5th, 2009 by G!

Meine letzte Rotation brachte mich zum zweiten Mal nach Afrika: über Douala gings in die Hauptstadt von Kamerun, nach Yaoundé. Neben der fliegerischen Vorbereitung galt es – wie zB in Jeddah – die beachtliche Liste mit Sicherheitshinweisen zu studieren. Wie das EDA in seinen Reisehinweisen festhält, ist “[d]as Ausmass der Gewaltkriminalität ist vor allem in den zwei grössten Städten Douala und Yaoundé […] Besorgnis erregend”. Darum empfiehlt es sich, zwar keine Wertgegenstände, jedoch soviel Geld mit sich zu führen, “um keine Gewaltanwendung zu provozieren” (so das Deutsche Auswärtige Amt in seinen Reisehinweisen). Hinzu kommt, dass wir als Swiss-Crew ein “laisser-passer”-Dokument bekommen, das vom kamerunesischen Polizeichef ausgestellt ist und uns “freies Geleit” bei Polizeikontrollen ermöglichen soll. Da Korruption weit verbreitet ist und das Dokument alleine  deshalb nicht ausreichen könnte, sind darauf noch drei Telefonnummern irgendeines Ministeriums angegeben, welches wir im Notfall anrufen können und sollen. Das Handy muss deswegen immer “auf Mann” sein…

[Hinweis zu den Gallerien: wird ein Bild aus der Reihe angeklickt, wird es darüber grösser angezeigt. Ein Klick auf das grössere Bild öffnet es in einer Lightbox in der Originalgrösse]

[myginpage=dlansi]

Nichts desto trotz, wurden wir am Nationalfeiertag (den wir ausnahmsweise tatsächlich “arbeitsfrei” in Yaoundé verbringen durften) vom “Ambassadeur de Suisse” in Kamerun zu einer Feier eingeladen. Wie es sich für Schweizer und in Afrika gehört, wurde diese nicht luxeriös und pompös in der Schweizer Botschaft, sondern unter einfachen Verhältnissen in einer mit Schweizer Hilfe betriebenen Schule gefeiert. Einer kurzen Ansprache des Botschafters folgte ein gemeinsames Essen der nahezu vollständig anwesenden Crew mit anderen Schweizern aus der Region im Speisezimmer der Schule. Schweizer Würste, Raclette (bei 28 Grad Celsius!) und lokale Früchte zum Dessert standen auf der Speisekarte.

Kamerun gehört zu den Gebieten, in denen Malaria sehr verbreitet ist. Deshalb habe ich schon bei der Ankunft meine nicht bedeckten Körperstellen ausgiebig mit Antiinsektenmittel eingesprayt. Abends  helfen zusätzlich noch lange Kleidungsstücke, das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Malaria ist in Kamerun mit 8% die dritthäufigste Todesursache. An erster Stelle liegt – nicht überraschend – AIDS/HIV mit 21%! (vgl. die Übersicht der WHO).

Apropos Todesursache: Gemäss aktuellsten Angaben der WHO vom 31. Juli sind bisher 1154 Menschen an der Schweinegrippe H1N1 gestorben. Weltweit. Da es sich um Menschenleben handelt, eine zu hohe Zahl. Angesichts dessen, dass täglich über 11000 (!!!) Menschen an HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria sterben (davon ca 2/3 aus Afrika), erscheint die Schweinegrippe (derzeit?) mehr als harmlos. Der grosse Unterschied liegt darin, dass uns die eine Problematik täglich über die Massenmedien bewusst gemacht wird, während die andere totgeschwiegen wird – soviel zum Einfluss der Massenmedien auf unsere Wahrnehmung(*)…

www.one.org

(*) Aktueller den je deshalb: Michael Crichton’s Roman “State of Fear” (dt: “Welt in Angst“)

PS: der neue Einsatzplan ist downloadbar

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Geduld und Schweigen

June 8th, 2009 by G!

af447

Die letzte Woche wurde vom tragischen Unglück des Air France Fluges AF447 überschattet. Seit dem Zeitpunkt der ersten Medienmeldung über den “vermissten” Airbus 330-200 überschlagen sich Meldungen, die sich der Reihe nach als ungenau oder sogar falsch erweisen:

– In den ersten Meldungen gab es eine Diskrepanz zwischen dem Ort des vermuteten “Verschwindens vom Radar” (Atlantik, in der Nähe der Brasilianischen Küste) und dem angeblichen Zeitpunkt (acht Uhr MESZ). Dieser Zeitpunkt wäre rund 3h vor der geplanten Landung in Paris gewesen. Dann wäre das Flugzeug zwar über dem Atlantik, aber in der Region Kanarische Inseln-Iberische Halbinsel vermisst worden  …

– Es folgten zahlreiche sich korrigierende Meldungen, aus welchen Staaten wieviele Passagiere an Bord des Airbus 330-200 gewesen seien. Einmal waren keine Schweizer an Bord, dann 6 oder 3…

– Dann wurden die ersten Wrackteile gefunden und es tauchten Bilder einer Kerosinspur im Meer auf. Wie sich nur ein oder zwei Tage später herausstellte, waren die “Wrackteile” Paletten und die Kerosinspur war Öl eines Schiffes…

– Hinzu kommt, dass sich die Theorien, warum denn nun der Air France Flug AF447 abgestürtzt sei, seit der ersten Sekunde der Meldung überschlagen.  Das einzige, das bei einem solchen Vorfall jedoch zu Beginn mit Sicherheit gesagt werden kann ist, dass die Meldungen am Anfang mit hoher Wahrscheinlichkeit ungenau oder sogar falsch (siehe oben) sind. Dementsprechend ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die auf wenigen bis gar keinen gesicherten Informationen beruhenden “Begründungen” in die falsche Richtung gehen, gross. Ich verstehe den Druck, dem die Journalisten unterliegen. Im heutigen Zeitalter der zeitverzugslosen Kommunikations- und Informationsgesellschaft will man sofort wissen, wo der vermisste Airbus ist, was geschehen ist usw. Das sehe ich auch bei mir: als Pilot (der in diesem Fall sogar mit demselben Flugzeugtyp fliegt) verspüre ich ebenfalls sofort ein Bedürfnis nach mehr Informationen. Aber das alles entschuldigt meines Erachtens nicht, dass zunächst einfach etwas geschrieben wird, dass verbessert werden muss um es noch einmal zu korrigieren, bis es vielleicht ein bisschen stimmt – oder auch nicht. Auch wenn man als (Online-) Zeitung eine Schlagzeile haben muss, wäre es doch unter den Gesichtspunkten Professionalität, Berufsehre und -moral, Qualität usw. angebracht, erst etwas zu schreiben, wenn es mit hoher Wahrscheinlichkeit als gesichert betrachtet werden kann.Schnell etwas schreiben muss doch nicht einhergehen mit schlecht oder gar falsch schreiben. Und wenn es doch so ist, empfehle ich folgende Sprichwörter zum Nachdenken:

Geduld ist eine Tugend

Reden ist Silber – Schweigen ist Gold

… dann bleibt nämlich nicht nur Zeit, die tatsächlichen Fakten zu ergründen, sondern auch (und dafür reicht ein schwarzer Titel über dem reisserischen Titelfoto nicht aus)

um das Gedenken der verstorbenen Menschen  zu ehren.

May they REST IN PEACE!


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