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Reserve Teil 1

July 11th, 2011 by G!

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Am Tag bevor meine 34 Tage dauernde Reserve Flexibiltätsübung beginnt, wird auch meine Frequenz, mit der ich in unser System einlogge, zwanghaft höher. Und da, beim Einloggen poppt das Einsatzplanänderungsfenster auf. Aber Quasifehlalarm. Statt dem ersten Einsatz nur Kosmetik. Ein Tag mehr Reserve – falls es nicht zu einem Einsatz kommen sollte – und dafür wird ein “Freitag” verschoben. Aber das alles ist wie gesagt reine Augenwischerei Kosmetik, denn sobald ein Einsatz zugeteilt wird, richten sich die Einsatz- und Freitag natürlich nach diesem. Flexibel halt.

Am Vorabend muss der Resevetag mit etwas gefüllt werden. Sei es einem Einsatz, einem derzeit unrealistischen Release (Freitag) oder Standby ab einer gewissen Zeit. Als ich mich am Abend nochmal im spannender Erwartung einlogge, gibts den ersten Einsatz. Standby05, what else. Ab morgens 0500 Uhr kann das Telefon klingeln, 12 Stunden lang. Also weiter warten und hoffen, dass ich als bekennender Spätaufsteher ausschlafen kann. Das Risiko, auf der Langstrecke um 5 Uhr geweckt zu werden ist vorhanden, aber sehr klein. Gegen 7 Uhr schon realistischer, denn das wäre für die erste Langstreckenwelle mit JFK, NBO usw. Schliesslich sind Langstreckenpiloten und -passagiere Spätaufsteher. Darum mache ich mir auch keinen Druck, wie damals auf der Kurzstrecke, dass ich zu einer gewissen Zeit schlafen muss. Das ist auch gut so, denn die Erfahrung zeigt, dass man nicht schlafen kann, wenn man sich dazu zwingen will.

Als ich ins Bett gehe, liegt mein Google Nexus S eingeschaltet neben mir, der Koffer ist zu 98% gepackt (destinationsspezifische Dinge fehlen noch), die Uniform liegt bereit. Wenn ich geweckt werde, sind die minimum 60 Minuten bis zum Briefing schnell vorbei.

Das Klingeln meines Telefons holt mich in Sekundenbruchteilen in die Realität. Kopf Schütteln, Handy suchen und versuchen die Augen zu öffnen um die Zeit abzulesen. Den Anrufer muss ich nicht anschauen, denn wer ausser der Crewdisposition soll mich um diese langstreckenpilotenverachtende Zeit anrufen? Es ist kurz vor Sieben. Die Kollegin von der Dispo, die ich gut kenne, begrüsst mich mit der rhetotorischen Frage: “Guten Morgen Guy, habe ich dich geweckt?” Na klar, ich bins… Mir schiessen Wunsch- und Horrordestinationen durch den Kopf, aber sie kommt zur Sache: “Gute Nachrichten, du fliegst LX16”. Super, danke, dafür stehe ich gerne auf und bin für einmal nicht böse, dass ich geweckt wurde.

Jetzt sitze ich, auf den Spuren von Copi-nff, der inzwischen als Neo-Captain während seiner Reserve auf der Kurzstrecke ganz andere Probleme hat, in einem Starbucks an der 5th Avenue und tippe auf meinem Samsung Galaxy Tab 10.1 diesen Beitrag. Der heutige Tag ist kurz, in wenigen Stunden werden wir abgeholt um eine weitere Nacht zu durchfliegen. Heute wurde für New York City eine Hitzewarnung herausgegeben, es wird über 30 Grad heiss. In den Betonschluchten wird das übel. Da halte ich mich lieber an die klimatisierten Gebäude. Ein grosser Vorteil meines Berufs ist, dass ich an den Destinationen nichts machen muss, weil ich etwas verpassen könnte, denn ich komme mit grosser Wahrscheinlichkeit wieder. So geniesse ich es einfach, zum mittlerweile 28. Mal in New York dem emsigen Treiben der Einheimischen und den zahreichen Touristen zuzuschauen (mehr zu diesen demnächst). Sollen sie schwitzen, ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Frappuccino powered by Starbucks und überlege mir schon wieder, wo der nächste Einsatz wohl hingeht. Im System, das habe ich vorhin überprüft, ist noch nichts…

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Reserveelement

July 3rd, 2011 by G!

Rückblick

Ein anstrengender Monat mit fünf Langstreckenflügen liegt hinter mir. Was abwechslungsreich tönt und ist, ist in Tat und Wahrheit auch ausserordentlich streng. Die Flüge nach Osten und zurück (PVG, BKK) sind zwar nur teilweise Nachtflüge, wenn man aber – wie ich – aufgrund der Zeitverschiebung vor Ort nicht viel (und wenn, dann nicht gut) schlafen kann, werden auch Tagflüge zur Durchhalteübung. Insgesamt habe ich fünf Nächte im Cockpit (mehr oder weniger) durchgemacht. Eine Statistik, die sich mit einem 20-jährigen Partygänger messen kann. Wenn dazu ein Wechsel von Ost nach West (MIA) dazu kommt, macht es das nicht wirklich einfacher, auch wenn dazwischen zur Abschwächung zwei Flüge (MCT) mit fast keiner Zeitverschiebung liegen. Die auf den ersten Blick “grosszügig” anmutenden Freitage vergehen plötzlich rasend schnell, wenn man den ersten davon immer dafür braucht, um einigermassen auszuschlafen und wieder in die richtige Zeitzone zu kommen (was regelmässig misslingt). Dann häuft sich vieles an, das unterwegs nicht und erst zuhause erledigt werden kann und schliesslich will man in den Freitagen noch leben. Freitage über das Wochenende sind zwar – aus sozialen Gesichtspunkten – willkommen, haben aber den Nachteil, dass man nicht alles erledigen kann, da Geschäfte und Büros geschlossen sind. Findet der nächste Flug am Montag statt, muss wieder etwas hinausgeschoben werden und die Pendenzenliste für die nächsten Freitage wächst wieder an. Zwölf Freitage sehen auf dem Papier sehr grosszügig aus, wenn man aber Müdigkeit, Jetlag, durchgemachte Nächte, offene Pendenzen, soziale Kontakte usw. abzieht, wird daraus sehr schnell sehr viel weniger. Sensationsgeile Medien sehen das natürlich im Hinblick auf unsere GAV-Verhandlungen anders. Daher wurde auch das bloggen vernachlässigt und stets auf der Liste der offenen Pendenzen weitergeschoben. Bis heute.

Ausblick

Lassen wir die Vergangenheit ruhen und blicken in die Zukunft, denn der neue Einsatzplan wurde natürlich schon veröffentlicht und ist > hier < downloadbar. Er enthält einen einzigen geplanten Flug nach JFK, mit dem ich seit zwei Monaten wieder einen Wunsch erfüllt bekomme. Wie, nur ein Flug?! Ferien? Fehlanzeige. Krank? Hoffentlich nicht! Zuviel Piloten? In ein paar Jahren frühestens. Planungsfehler? Nicht bei uns. Was dann? Ein Erfolgsrezept unserer Firma: R E S E R V E.

Nicht ein paar Tage, sondern fast den ganzen Juli und bis in den August hinein. Das ich nicht bekomme, was ich wünsche, ist nichts neues, aber (für mich) neu ist, dass ich nicht mit dem Monatsplan erfahre, was ich nicht bekommen habe und wohin es stattdessen geht. Bei Swiss gibt es auf der Langstrecke einen sogenannten Reservemonat. Dieser dauert insgesamt 34 Tage, wovon die letzten drei fix frei sind, damit man irgendwann wieder in den “normalen” Planungsrhythmus gelangt. Die restlichen 31 Tage davor sind auf dem Papier zwar in Reserve- und Freitage aufgeteilt, gelten aber nicht, denn sie können (innerhalb der anwendbaren Ruhe- und Flugzeitbestimmungen) fast beliebig ändern und verschoben werden. Ein solcher Reservemonat gibt der Firma natürlich eine unglaubliche Planungsflexibilität, die sie nicht hätte, wenn sie die Reserve (wie auf der Kurzstrecke oder bei Lufthansa auch auf der Langstrecke!) nur in einzelnen Tagesblöcken statt eines gewöhnlichen Fluges zuteilen könnte. Ein grosser Vorteil für die Firma, ein sehr grosser Nachteil für den betroffenen Piloten. Das sind 31 Tage, bei denen ich nichts, niente, nada vorausplanen kann, da ich mit grosser Wahrscheinlichkeit nie mehr als ein paar Tage im Voraus weiss, wann ich frei haben werde. Wenn ich Glück habe, erhalte ich möglichst früh einen “ganzen” Monatsplan eines Kollegen der länger ausfällt oder immerhin einen Flug einige Tage im Voraus. Wenn ich Pech habe, kriege ich Telefonanrufe und muss 1-1.5 Stunden (je nach Destination und Dauer des Flugeinsatzes) später im Operations Center sein, um einzuspringen. Die Chance, bei unserer akuten Pilotenknappheit einen Einsatz zu bekommen ist etwa gleich gross, wie nichts im Lotto zu gewinnen.  Folge der Pilotenknappheit ist auch, dass wir alle sechs bis neun Monate (!) mit einem solchen Reservemonat rechnen müssen. Man rechne: im schlimmsten Fall kann dies bedeuten, dass man innerhalb von sieben Monaten zwei davon ohne jegliche Vorhersehbarkeit hat! Was das von Pilotenseite für eine Flexibilität abverlangt, kann sich jeder vorstellen.

Seitenblick

Die oben genannten Nachteile unseres Berufes (Nachtflüge, fehlende Voraussehbarkeit und Planung des sozialen Lebens, nahezu keine Mitbestimmung auf den Einsatzplan usw.) sind es, die hoffentlich mit dem neuen GAV, dem wir gestern einen wichtigen Schritt näher gekommen sind, besser werden. Darum geht es in erster Linie, auch wenn die Medien das (einmal mehr) anders darstellen. Ein Problem ist, dass diese Faktoren oftmals nicht oder nur sehr schwer quantifizierbar sind. Wer sich in Sachen Airbuspiloten-GAV aus erster Hand, und ohne jede Falschinformationen oder neidgetriebene und sensationsgeile Halbwahrheiten informieren will, dem sei einmal mehr die regelmässige Lektüre des Pilots Of Swiss Blogs empfohlen.

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