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Umschulung Airbus 340: Tage 2+3

January 5th, 2011 by G!

Die letzten beiden Tage standen im Zeichen der Technik. Eineinhalb Tage wurden uns gegeben, um uns mittels Computer Based Training (CBT) mit den inneren Werten des Airbus 340 bekannt zu machen. Alle modernen Airbustypen sehen sich äusserlich und vor allem im Cockpit sehr ähnlich. Darum könnte man meinen, dass sie auch innerlich identisch sind. Weit gefehlt. Zwischen Airbus 320 und A330 sind die Unterschiede sehr gross, weil der A330 ein Langstreckenflugzeug ist, der über sehr weite Strecken abseits von Flughäfen fliegen darf (sog. “Extended Twin Operation” = ETOPS). Vereinfacht gesagt müssen die Systeme beim A330 deshalb “(viel) besser” als beim kleinen Airbus sein. Anders und wiederum vereinfacht formuliert: wenn ich beim A330 Systeme verliere, ist das nicht so schlimm wie beim A320. Nur damit keine Missverständnisse auftauchen: Bei allen Verkehrsflugzeugen (nicht nur sämtliche Airbustypen) sind die zentralen Systeme mindestens doppelt, zum Teil sogar drei- oder noch mehrfach vorhanden!

A330 und A340 sind zwar beides Langstreckenflugzeuge, aber die technischen Unterschiede ergeben sich, weil der A340 mit vier Triebwerken in diversen Fällen “mehr Systeme” hat, zB. vier anstatt “nur” zwei Stromgeneratoren. Das ist zwar positiv, aber dafür sind die Hilfsmittel, wenn man in der jeweils schlechtesten möglichen Konfiguration ist, beim A340 schlechter als beim A330. Dies aus dem logischen Grund, dass es viel mehr Verluste braucht, und die Wahrscheinlichkeit, dass man dorthin gelangt, beim A340 kleiner ist (da man ja mehr Systeme hat). Ausserdem bedeuten mehr Systeme mehr Komplexität, was das Lernen auch nicht vereinfacht.

Die technischen Systeme sind in 23 Kapitel unterteilt und gehen von den Standardkapiteln Hydraulic, Fuel, Electrical System, Landing Gear und Fire Protection über unscheinbare wie Aircraft General, Lights, Oxygen oder auch Water Waste System. Dazu kommt natürlich noch das “Killerthema” Auto Flight System, das bei den modernen Flieger zentral ist und viele weitere, nicht weniger wichtige. Selbstverständlich sind alle Bücher in Englisch.

Auf diese eineinhalb Tage CBT folgen zwei Stunden mit dem technischen Spezialisten, der uns noch einige Tipps mitgibt und uns für unsere Fragen zur Verfügung steht. Zum Abschluss der zwei Tage gibt es einen technischen Test zur offiziellen, vom Bundesamt abgesegneten Kontrolle.

Der eine oder andere kritische Leser mag sich fragen, ob man die technischen Systeme eines Airbus 340 innerhalb von 1.5 Tagen lernen oder nur schon lesen kann. Die Antwort ist einfach: NEIN, auf keinen Fall. Die Zeit reicht nicht mal, um einen Teil zu lesen, geschweige denn zu verstehen oder gar zu lernen. Wer einen CCQ/Umschulungskurs antritt, ohne bereits die Bücher gewälzt zu haben, wird wortwörtlich abstürzen. Wir müssen vor dem CCQ mit lernen anfangen um den Kurs überhaupt zu bestehen. Das geht natürlich alles von unserer offiziellen “Ruhezeit” ab. Dennoch müssen wir ausgeruht zu unserem Flugdienst erscheinen, so will es das Gesetz. SWISS CEO Harry Hohmeister hat daher recht, wenn er in der Aargauer Zeitung sagt, dass unsere Müdigkeit “nicht nur vom Fliegen, sondern auch von anderen Beschäftigungen” komme. Sie kommt auch vom Lernen in den Freitagen! Sei es für den CCQ, den halbjährlichen Simulator-Check oder wenn die Bücher revidiert werden, was wöchentlich der Fall ist! Nicht zu vergessen, dass wir unseren jährlichen Medicalcheck auch in den (knappen) Freitagen absolvieren und gesetzliche Freitage für uns nur zufällig Freitage sind. Aber ich wage es zu bezweifeln, ob er das gemeint hat. Nun, ich würde Hr. Hohmeister noch so gerne 5x in Serie nach JFK mitnehmen. Mit den jeweils 2 (ab ZRH) oder 3 (über GVA) Freitagen dazwischen. Er könnte alternativ auch zwischen Tokio, Zürich und Los Angeles pendeln, was bei einem 340 Piloten auch möglich ist. Selbstverständlich müsste er die Nächte mit uns gemeinsam durchmachen. Ich glaube, dann wüsste er, was wir Piloten meinen und Aeropers treffend formuliert hat! Wie dem auch sei, ich denke, dass ein intelligenter und weitsichtiger Mensch wie Harry Hohmeister sieht, was wir leisten, dies aber in seiner Funktion gar nicht zugeben kann. Denn es ist GAV-Verhandlungszeit und damit (leider) Konfrontationszeit.

Ich bin auch auf Konfrontation: mit den zahlreichen neuen Büchern, denen ich mich jetzt wieder widme…

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Raubtierfütterung

November 18th, 2010 by G!

… ist einer der vielen Begriffe, die unsere Kolleginnen von der Kabine für den “Cockpitservice” brauchen. Oder sie nennen uns “Tamagochi”, weil sie uns hegen, pflegen und füttern müssen. Daher auch der viel gehörte Witzklassiker:

“Warum sterben Piloten immer kurz nach der Pensionierung? … Weil sie nicht mehr alle vierzig Minuten gefüttert werden.”

Mein technischer Beitrag “Fuel Low Temperature” stiess auf gutes Echo, weshalb an dieser Stelle ein weiterer Beitrag mit ebensolchem Hintergrund folgt. Es geht um die Frage der technischen Zusammenhänge bei der erwähnten Raubtierfütterung und es wird erklärt, warum wir Airbuspiloten gar nicht anders können, als den Tisch auszufahren, wenn eine Flight Attendant das Cockpit betritt! 🙂

Der hervorragende Bericht wurde von Peter Gugerell von unserer Schwester Austrian Airlines geschrieben und kann >>>HIER<<< heruntergeladen werden (Danke an AJG, der mir das File geschickt hat!).

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Fuel Low Temperature

August 15th, 2010 by G!

Beim Zwischenfall mit dem Flug BA038 in London Heathrow (alle Beiträge darüber) spielte Eis im Tank die Hauptrolle. Ich bin in meiner Fotosammlung zufällig auf ein dazu passendes Foto gestossen. Darum möchte ich, obwohl der Vorfall und dessen Aufklärung inzwischen einige Zeit zurückliegt, einige Infos zum Thema Treibstofftemperatur für die technisch interessierten Leser erwähnen.

Systempage “FUEL” Airbus 330-300

Auf dem Bild, das die Treibstoffsystemseite in einem Airbus 330-300 zeigt, kann man unten links die verschiedenen Lufttemperaturwerte erkennen:

TAT = Total Air Temperature: Die Temperatur auf der “Flugzeugoberfläche” [*] (diese ist, bedingt durch die Kompression der Luft, entsprechend höher als die Aussentemperatur; [*] eine genauere Definition findet man im Kommentar Nr. 8 unten).
SAT = Static Air Temperature: Die Temperatur der Umgebungsluft (und damit die “Aussentemperatur”).
ISA = Internationale Standard Atmosphäre: Die Abweichung der SAT von der ISA-Temperatur auf dieser Höhe (in der “Normatmosphäre” beträgt die Temperatur auf Meereshöhe 15 Grad Celsius und sie nimmt 2 Grad pro 1000ft Höhe ab).

Die Treibstofftemperatur lässt sich unter/neben dem jeweiligen Tank erkennen und und beträgt zwischen -25 Grad Celsius (linker Innentank) bis -40 Grad in den Aussentänken.

Der Gefrierpunkt des Treibstoffs ist von der getankten Kerosinart abhängig. Bei der weltweit üblichen Kerosinart “JET A-1” beträgt er -47 Grad. Keine Regel ohne Ausnahme, denn (nur noch) in den USA wird nicht JET A-1, sondern “JET A” getankt. Was ähnlich tönt, hat aber einen wesentlichen Unterschied: der Gefrierpunkt von JET A beträgt nämlich nur -40 Grad. Das ist auch der Grund, warum auf dem Bild die Temperaturanzeige im linken Aussentank orange ist. Da das Flugzeug nicht weiss (auch ein Airbus weiss nicht alles…;-)), was für ein Treibstofftyp in den Tanks ist, kommt die Warnung vorsorglich beim höheren Wert.

Was wird in einem solchen Fall gemacht? Zuerst überprüft man, was für eine Treibstoffart man getankt hat. Wenn der Flieger nicht aus den USA kommt/gekommen ist, ist es JET A-1. Da der Gefrierpunkt noch nicht erreicht ist, ist die einzige Handlung, dass man die Temperatur sporadisch überprüft (wobei die Warnung später wieder erscheint). Wenn sie gegen  -47 Grad fällt, oder man JET A getankt hat, stehen – in einem Airbus 330 – die folgenden Möglichkeiten offen.

Man kann den kalten Treibstoff mit dem warmen mischen. Der Treibstoff von den äusseren Flügeltanks und denjenigen vom Trimtank im Höhenruder kann man in die inneren Flügel(haupt)tanks umpumpen. Wenn auch der Flügelinnentank zu kalt ist, dann bleibt nur noch die Möglichkeit, die Temperatur, nämlich die oben angegebene TAT zu erhöhen. Dies kann wiederum durch schneller fliegen (erhöhte Reibung und Kompression = höhere Erwärmung der Flugzeugstruktur) oder durch absinken (geringere Höhe = höhere Aussentemperatur ) erreicht werden.

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