Blogsearch

Egosurf

qrcode

Wer landet?

May 14th, 2007 by G!

Eine der Fragen, welche mir von "nicht Fliegenden" am meisten gestellt wird, ist "Landen die Piloten eigentlich selber? Und wenn ja, wann?"

Da sich der selbsternannte und mediengeile sich gerne in den Medien äussernde Schweizer "Aviatikexperte" bei jeder Gelegenheit wegen seines Komplexes privaten Rachefeldzuges gegen die Airbus-Piloten der nationalen Airline in Szene zu setzen versucht, bleibt mir nichts anderes übrig, als diese berechtigte und interessante Frage an dieser Stelle selber zu beantworten.

Ausgangslage

Grundsätzlich gilt, dass heutige Verkehrsflugzeuge zwar (noch) nicht "automatisch" starten, wohl aber landen können. Der Start wird daher immer von einem der beiden Piloten (dem Pilot Flying = Copi oder Captain) ausgeführt, während die Landung entweder von einem der Piloten oder von der Maschine (dem oder den Autopiloten) durchgeführt wird.

Voraussetzungen einer automatischen Landung

Damit eine Landung vollkommen selbstständig durch den (bzw. die) Autopiloten durchgeführt werden kann, bedarf es einer ganzen Reihe Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Die Wichtigsten seien hier kurz und knapp erklärt.

1. Die Piloten müssen über eine entsprechende Ausbildung verfügen ("IR CAT III").

2. Das Flugzeug muss für automatische Anflüge/Landungen zertifiziert sein und die dafür benötigten Systeme müssen funktionsfähig sein. Es ist klar vorgegeben, welche Systeme für welche Art von (automatischem) Anflug/Landung funktionstüchtig sein müssen. So müssen z.B. gewisse Computer oder Systeme redundant sein. Ist dies nicht der Fall, kann u.U. gar nicht oder nur noch unter besseren (Wetter-) Bedingungen automatisch gelandet werden.

3. Der Flughafen bzw. die Landepiste muss über ein Instrumentenlandesystem ("ILS") verfügen, welches eine automatische Landung zulässt. Nicht jede "ILS" ist für automatische Landungen geeignet. In Zürich sind automatische Landungen auf die Pisten 14 und 16 möglich, nicht aber auf die Pisten 28 und 34. Wie man sich problemlos vorstellen kann, muss eine ILS, welche das Flugzeug bis auf den Boden und auch auf der Landepiste leitet um einiges genauer sein, als eine, welche die Flugzeuge "nur" bis auf ca. 70m über Grund führt. Zur Veranschaulichung sei erwähnt, dass Verkehrsflugzeuge – je Typ, Wetter und Beladung – mit ca. 215-260 km/h anfliegen und die Pisten ca. 45-60m breit sind. Bei diesen Geschwindigkeiten könnten schon kleine Abweichungen fatale Folgen haben.  Wie beim Flugzeug gilt auch hier, dass klare Vorgaben in Bezug auf Funktionstüchtigkeit und Redundanzen bestehen.

4. Der Flughafen muss die Verfahren für geringe Sichtverhältnisse ("Low Visibility Procedures") anwenden. Die hohen technischen Anforderungen an die Instrumentenlandesysteme führen dazu, dass diese Systeme nämlich nur dann für automatische Landungen "eingestellt" sind, wenn dies wegen des schlechten Wetters zwingend nötig ist. Da die Anlagen sehr störungsempfindlich sind, müssen bspw. grössere Abstände von den Flugzeugen am Boden zu den Pisten eingehalten werden und Pistenüberquerungen von Flugzeugen sind eingeschränkt. Diese und weitere technischen Gegebenheiten und die Tatsache, dass bei einem automatischen Anflug der Final ("Endanflug") länger und die Separation zwischen den Fliegern auf der ILS grösser sein muss, führen dazu, dass die Anflugsrate auf dem Flughafen z.T. drastisch sinkt, was wiederum wirtschaftlich und für die Passagiere unerwünscht ist. Allseits bekannt sind die Meldungen über massive Verspätungen in London, wenn starker Nebel liegt.

Die Realität

Ausser bei sehr schlechter Sicht, wie es bei starkem Nebel der Fall ist, wird "manuell" angeflogen bzw. gelandet. Das bedeutet, dass der Autopilot je nach Arbeitsbelastung der Piloten, Lust und Laune des "Pilot Flying" und Wetterbedingungen irgendwo im oder vor dem Final ausgeschaltet wird und der fliegende Pilot (dies kann der Copilot oder der Captain sein) die Landung manuell durchführt.

Bei einem turbulenten Anflug mit starken Winden und Böen wird der Autopilot in der Regel früh genug ausgeschaltet, damit der Pilot Flying ein Gefühl für die Wetterbedingungen und das Flugzeug erhält. Man muss kein Isaac Newton sein um sich vorstellen zu können, dass sich ein (sehr leichter) Airbus 319 mit 45 Tonnen Landegewicht wesentlich anders als ein (schwerer) Airbus 321 mit 75 Tonnen verhält.

Dass der Autopilot – über den ganzen Flug betrachtet – relativ spät ausgeschaltet wird bzw. lange eingeschaltet ist, hat nichts mit Faulheit oder mangelnden Fähigkeiten der Piloten zu tun. Im Gegenteil, in der Verkehrsfliegerei geht es darum, die vorhandenen technischen Mittel und Möglichkeiten bestmöglichst für einen sicheren und wirtschaftlichen Flug einzusetzen, Stichwort "best use of equipement". Es ist im Interesse aller Beteiligten, wenn sich die Piloten daran und an die übrigen operationellen Vorgaben halten und sich durch den gezielten Einsatz der Technik Kapazität schaffen. Der Mensch ist schliesslich (bei weitem) Unfallursache Nummer 1 und nicht gefährliche "Pisten" oder "Anflüge", wie von "Experten" manchmal behauptet…

Randbemerkung

In den letzten Tagen war es mehrfach etwas windig und mehrere unserer Anflüge wurden von (durchaus noch harmlosen) Turbulenzen "durchgeschüttelt". Das führte dazu, dass die Passagiere beim Verlassen des Flugzeuges wesentlich erleichterter und dankbarer waren als dies sonst der Fall ist, wohl nach dem Motto: "Gott sei Dank, der Boden hat mich wieder". Einer war sogar so beeindruckt, dass er dem Captain und mir die Hand gab und für die Landung dankte.

6 people like this post.

Posted in technique matters | 10 Comments »

10 Responses

  1. Paul Says:

    Hallo!

    Erst einmal ‘Danke’ für die tollen Einblicke in Deinen Arbeitsalltag. Ich bewege gelegentlich zwar nur einen Segelflieger, aber die professionelle Fliegerei fasziniert mich mindestens ebenso lange. Mit großem Interesse habe ich gerade den letzten Blogeintrag gelesen, denn es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich – selbst unter Privatpiloten – die Mär hält, dass in modernen Airliner-Cockpits keiner mehr selbst “Hand anlegt”. Mir persönlich stellt sich die Frage, in wie weit die Technik heutzutage im Linienalltag dazu in der Lage ist, auch unter schwierigen Bedingungen (Böen, Schwer-,Seitenwinde) sicher ein Verkehrsflugzeug automatisch zu steuern? Ist Nebel – normalerweise ja ein ruhige Angelegenheit, “nur” eben mit miserabeler Sicht – die einzige Wetterlage unter der “Autoland” genutzt wird oder ist die automatische Landung auch unter anderen Bedingungen (z.B. sehr schlechte Sicht in Kombination mit heftigem Wind) vorstellbar?

    Besten Gruß aus Elbflorenz!

  2. G! Says:

    Hallo Paul!

    Vielen Dank. Angesichts der vielen selbsternannten Experten auf diesem Gebiet erstaunen die falschen Vorstellungen kein bisschen. Solche Fehlvorstellungen zu korrigieren, gehört auch zum Zweck dieses Blogs.

    Zu Deiner Frage:
    Ein Autoland ist in der Tat in diversen Fällen NICHT machbar, wo noch manuell gelandet werden kann (gilt alles für Airbus 32x). So z.B.:
    – ILS Glideslopeangle > 3.15 (käme also auf den ILS 28 und 34 in ZRH nicht in Frage)
    – Flaps < 3 (also kein AL möglich im Falle eines Flaps Lock mit F2 oder gar eines clean Approaches) - Die "gewöhnliche" Crosswindlimite beträgt 33kt (reine Crosswindkomponente inkl. Gusts) für manuelle Anflüge, beim Autoland sind es nur 20kt. Zudem ist der Autoland auch im Headwind limitiert. Langer Rede, kurzer Sinn, bei sehr schlechter Sicht und starkem Wind ist ein AL nicht mehr möglich. Diese Kombination kommt jedoch nur sehr selten vor, z.B. bei einem starken Gewitter, das jedoch nur temporär ist. Zudem sind ja auch die CatI Minimums (für manuelle Anflüge) schon beachtlich tief.

  3. Smick Says:

    Hallo!

    Zunächst einmal vielen Dank für diesen Blog. Ich habe recht ordentliche Flugangst (aber nur in großen Maschinen, in so kleinen Hämoridenschaukeln wo ich einen guten Rundumblick habe nicht) und ich muss sagen die Aufklärung die du hier betreibst hilft mir sehr. Man sieht mal wie der Pilot das ganze sieht und dass auch starke Turbulenzen tatsächlich kein Grund zur Sorge sind.
    Hier ist aber noch was, was ich nicht verstehe, vielleicht kannst du mir das ja beantworten.
    >bei sehr schlechter Sicht und starkem Wind ist ein AL nicht mehr möglich
    Das versteh ich allerdings nicht, ich dachte immer, dass erst recht automatisch gelandet wird, wenn man so gar nix mehr sieht. Da muss die Technik doch dann den besseren DURCHblick haben, oder? Insbesondere dachte ich, dass dies bei starkem Wind der Fall ist, da der Rechner schneller und genauer gegensteuern kann als der Mensch, ist das nicht so?
    Wie schafft man es eigentlich noch anständig den Steuerknüppel zu bedienen, wenn man ordentlich durchgerüttelt wird? Ich bin letzten Dezember Minuten nachdem vor uns die BA-Maschine über dem Tornado in London durchgerüttelt worden ist dort auch gelandet. Wir sind so durchgeschüttelt worden, ich kann mir kaum vorstellen, dass da noch jemand ruhig den Steuerknüppel halten kann. Habt ihr da nen Trick?

    vielen Dank schon mal für die Mühe meine Fragen zu beantworten und weiter so, der Blog ist echt klasse!

    Stefan

  4. G! Says:

    Hallo Stefan

    Vielen Dank für das Lob und den Kommentar.

    Wie gesagt, ein Autoland ist bei sehr starkem Wind nicht mehr möglich. Faktisch ist es aber so, dass bei starkem Wind die Sichtverhältnisse nur äusserst selten (bis nie) so schlecht sind, dass man nicht mehr manuell landen könnte. Bis zu Sichtweiten von 550m (das ist schon sehr wenig!) können wir manuell landen. Umgekehrt tritt eine sehr geringe Sicht (dass manuelles Landen unmöglich wird) gewöhnlich bei Nebel auf und Nebel tritt wiederum mit wenig oder gar keinem Wind auf, was einen Autoland möglich macht.

    Bei sehr starkem Wind (in Zürich bekannt sind die turbulenten Anflüge bei Westwind auf die Piste 28) wird immer manuell angeflogen. Unglaublich aber wahr, der Mensch macht es (bis heute noch) besser als die Maschine, welche die bereits genannten Limiten hat. Der Mensch “schlägt” also in solchen Situationen die Maschine. Infolgedessen sind also Landungen bei “schönem” Wetter, sehr starkem Wind manuell und bei Nebel und sehr geringen Sichtweiten automatisch. Ich werde mich in einem späteren Beitrag noch zum manuellen Landeablauf äussern.

    Nein, da gibts keine “Tricks” bei starken Turbulenzen. Die Arbeit im Cockpit wird dann allerdings schon um einiges schwieriger (nicht nur vom fliegerischen her). Bei uns vorne ist das ganze erträglicher, weil wir “Rundumsicht” haben und das dem Körper hilft und ausserdem ists vom Drehpunkt her z.B. vorne angenehmer als im langen 321er ganz hinten…da kommt alles “stärker” rüber.

    So, hoffe geholfen zu haben und Dir die Fliegerei etwas verständlicher (und damit angenehmer) gemacht zu haben.

    G!

  5. Smick Says:

    Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
    Du schreibst noch, dass es wegen des Drehpunktes im Flugzeug hinten schlimmer wäre, ist das wirklich so? Ich versuche mich immer knapp hinter den Flügel zu setzen, da ich da den Flügel und somit eine Art Horizont(auch wenn er mal schief liegt) sehe und weil ich dachte es dreht sich wie bei einer Wippe um den Flügel. Das würde doch bedeuten, dass am Drehpunkt am ruhigsten ist und vorne und hinten unruhiger, oder lieg ich da etwa total falsch.

  6. G! Says:

    @Smick

    Gern geschehen. Du hast natürlich recht, im Gebiet des Flügels sollte es am ruhigsten sein, habe mich missverständlich ausgedrückt. Ausserdem hilft dir der “Horizont” fürs Wohlbefinden (drum ist’s im Cockpit wie gesagt weniger schlimm, da das Auge “mitfliegt”). Ausserdem kommt es natürlich auf die “Art” der Turbulenz an: wenn der ganze Flieger “verschoben” wird, spielt es keine Rolle, wo man sitzt, wenn hingegen der Flieger “gedreht” (vertikal oder lateral) wird, ists beim Flügel besser als ganz hinten.

    G!

  7. Aleander Says:

    Danke für die Infos ich fliege selber im Simulator solche Anflüge und da hatte ich mich mit einem Kollegen gestritten ob man dafür Autoland braucht oder nicht! Weil die Sicht war klar, 36kts wind von 250°. Ich bin auf der 25L in Frankfurt gelandet und mein Kollege hat gesagt du hast Autoland vergessen. Woraufhin ich erwiderte das Autoland nur bei zu Schlechter sicht verwendet wird! Aber ehrlich gesagt flieg ich immer manuell und das macht mir mehr Spaß! Ich komme mit dem ILS in der Boeing und im Airbus eh nicht klar. Also meine Frage, was ist richtig bei meiner Situation mit Frankfurt? Mit oder ohne Autoland! Achja das mit dem Flügel stimmt wirklich! Nach Mallorca flog ich einmal direkt über der Tragfläche und einmal genau dort wo man die Flaps sehen konnte (Boeing 737-800 von ex Hapagfly jetzt sind die ja Tuifly, die können sich auch nicht entscheiden *rolleyes*)

  8. G! Says:

    Hi Alexander

    Die Antwort ist klar: bei guter Sicht, ohne tiefe Wolkendecke und mit 36kt Headwind wird manuell gelandet, du liegst richtig! Bei diesen Wetterbedingungen wird ein Flughafen definitiv KEINE LVP (Low Visibility Procedure) verwenden (eben, weil KEINE schlecht Sicht!) und daher ist ein AL schon deswegen nicht möglich.

    Gruss, G!

  9. Window In The Skies » Blog Archive » Die Landung I Says:

    […] habe mich ja schon vor einiger Zeit mit der Frage "Wer landet?" beschäftigt. Dieser Beitrag soll nun eine (erste) Fortsetzung darstellen. Ich erkläre, […]

  10. Window In The Skies » Blog Archive » Frohe Weihnachten! (im Nebel) Says:

    […] Ort” zB. in der Landezone liegt, kann trotz “schönem Wetter” eine automatische Landung nötig sein. Das wiederum führt zu erhöhten Landeabständen und anderen Verfahren (luft- und […]

Leave a Comment

Please note: Comment moderation is enabled and may delay your comment. There is no need to resubmit your comment.

*