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Bürokratenrundlauf

December 18th, 2010 by G!

Wer in naher Vergangenheit schon einmal in den USA war weiss, wie genau es die Officer der Transportation Security Administration (TSA), Teil des Departments of Homeland Security, bei der Kontrolle der Flugreisenden nehmen. Gurt und Schuhe müssen immer ausgezogen werden und bei Flüssigkeiten kennt man keine Toleranzen. Hinzu kommt, dass die Ganzkörperscanner (“Nacktscanner”), die es in Russland schon lange gibt, inzwischen auf sämtlichen wichtigen US-Flughäfen in Gebrauch sind. Wer sich weigert, durch den Ganzkörperscanner zu gehen, muss ein neues, noch genaueres Abtastverfahren über sich ergehen lassen, bei dem auch die Genitalien abgetastet werden. Ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass die Sicherheitsmassnahmen in den USA zu den umfassendsten und besten weltweit gehören. Über den Sinn solcher Massnahmen, speziell für Piloten, gäbe es noch viel zu schreiben und zu diskutieren, aber darum geht es mir hier nicht.

Swiss bedient mit LX22 von Genf aus New York JFK. Vor dem Flug von Zürich nach Genf und danach von Genf zurück nach Zürich fliegen wir als “Passagiere in Uniform” auf einem Swiss Flug. Vor dem Flug Zürich-Genf durchlaufen wir wie üblich die Crew Sicherheitskontrolle im Swiss Operation Center. In Genf gehts direkt vom kleinen zum grossen Airbus, den wir nach JFK fliegen. So weit, so gut.

Bei der Rückkehr durchlaufen wir am Flughafen JFK dieselbe Sicherheitskontrolle wie die Passagiere. Ich würde daher behaupten, dass wir sehr genau durchsucht wurden und diesbezüglich nicht mehr wirklich ein “Sicherheitrisiko” für die Luftfahrt darstellen. Nichts desto trotz verläuft die vorschriftsgemässe Einreise in die Schweiz und der Transfer von unserem Flugzeug auf den Kurzstreckenairbus der Kollegen wie folgt:

  • Die ganze Crew wird von einem Crewbus am Flugzeug abgeholt und zum Creweingang (Non-Schengen) am Flughafen gefahren.
  • Dann durchlaufen wir den Schweizer Zoll (was natürlich Sinn macht) und weisen uns mit unseren Swiss Ausweis oder Pass aus.
  • Anschliessend verlassen wir – an der Crew-Sicherheitskontrolle vorbei, die wir durch das Glas ständig sehen – den gesicherten Bereich des Flughafens durch zwei Einwegschleusen.
  • Es folgt eine 180 Grad Wende, um 3 Meter weiter (durch eine andere Einwegschleuse) vor den Sicherheitsbeamten zu treten, der unsere Swiss Ausweise überprüft.
  • Dann legen wir unser ganzes Gepäck auf das Förderband zum Röntgen.
  • Wir selber dürfen – befreit von Handys, Schlüssel, Uhren und anderen gemeingefährlichen Gegenständen – durch den Metalldetektor-Türrahmen schreiten.
  • Wenn wir Glück haben, war es das. Wenn wir Pech haben, werden einzelne von uns Stichprobenartig abgetastet und deren Gepäck durchsucht.
  • Abschliessend gehts direkt (ohne Besuch beim Zöllner, denn schliesslich reisen wir innerhalb der Schweiz) durch eine andere Tür nach draussen wo hoffentlich (noch) der Crewbus wartet um uns auf den Airbus nach Zürich zu bringen.

Leider darf ich diesen Rundgang nicht fotografieren, filmen oder aufzeichnen, aber damit mich niemand falsch versteht: der Rundlauf um und durch die Sicherheitskontrolle findet auf einer Fläche von ca. 10×10 Meter statt! Der Sicherheitsbeamte, der unsere Ausweise kontrolliert, ist wenige Meter von uns entfernt, wenn wir den Zoll durchschritten haben. Grotesk und absurd ist das alles, weil wir in JFK (sehr genau) kontrolliert wurden und ab diesem Zeitpunkt bis zur Einreise in die Schweiz nie, nicht nur eine einzige Sekunde, einen nicht gesicherten Bereich betreten haben! Wenn die Sicherheitskontrollen beiderorts – wovon ich ausgehe – funktionieren, dann haben wir nach der Kontrolle in JFK gar keine Möglichkeit mehr, einen gefährlichen Gegenstand an uns zu nehmen. Ein direkter Wechsel von unserem Flugzeug auf das der Kollegen, das uns nach Zürich bringt, wäre daher “sicherheitstechnisch” vertretbar.

Ob ein Gewinn für die Sicherheit der Luftfahrt resultiert, wenn Crews zwei Mal kontrolliert werden, kann jeder für sich beurteilen. Ich will gar nicht wissen, wieviele Stunden viele helle Köpfe in vielen Bundesämtern damit verbracht haben, dieses ausgefeilte Konzept zur persönlichen Befriedigung Steigerung der Sicherheit in der Luftfahrt zu erarbeiten… Taxpayer’s money at work!

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Posted in master warning, on the ground | 6 Comments »

6 Responses

  1. vienna silvester :) Says:

    Du sprichst mir aus der Seele. Wie oft habe ich das schon gedacht. Wobei man ja (wie du das auch gekonnt getan hast) nicht weiter darauf eingehen muss, inwieweit das ganze für das Flugpersonal überhaupt gehen soll. Wenn ich in Amerika sogar meine Frisur öffnen soll um zu beweisen, dass sich in meinen Haaren keine gefährlichen Gegenstände befinden, hat es auch bei mir so seine Grenzen….

    Übrigens Danke für den Blog, ich lese ihn sehr gerne. Schöne Weihnachten

  2. Young Pilot Says:

    Ich fliege sehr oft als Passagier mit Kleinflugzeugen ab LSZH. Paradox ist: Während mir bei der “normalen” Sicherheitskontrolle im Terminal jeder Deo und jede Wasserflasche abgeknöpft wird, kann man im GAC hinten literweise Wasserflaschen mitnehmen. Einmal hatte ich eine 1.5l Wasserflasche und der Beamte fragte: “Was ist da drinnen?” Ich: “Eine Wasserflasche”. Er: “Okay…”

    Die Logik von diesen Kontrollen werde ich wohl nie begreiffen, vor allem bei den Crews. Völlig sinnfrei das ganze, aber was sein muss muss sein 😉

  3. just wondering Says:

    Wieso Piloten überhaupt kontrollieren? Wer vorne sitzt braucht ja nicht wirklich noch eine Waffen um was anzustellen..

  4. Kermit Says:

    Ihre Einwände verstehe ich gut, schließlich können Sie sich schlecht selbst mit einer Wasserflasche bedrohen.

    Andererseits geht es hier vermulich ums Prinzip: Alles, was in der Schweiz nach Schengen einreist, wird scheinbar kontolliert. Und das finde ich gut.

    Es ist aus meiner Sicht unerlässlich, nicht nur die Passagiere, sondern eben auch das Personal, sei es Sie als Crew oder mich als Kundendienstler zu überprüfen. Natürlich wird dann auch der Mechaniker kontrolliert, der in seiner Werkzeugkiste sowieso ein Messer hat (oder einen Hammer oder womit man heute Flugzeuge repariert). Aber nicht durch die super-gründliche Kontrolle einzelner Passagiere, sondern durch die breite routinemäßige Kontrolle von allen, die den Sicherheitsbereich betreten, kommt Sicherheit zustande. Im Einzelfall mag das lächerlich sein.

    Ich war in Zürich bei einem MRO und fand das Sicherheitskonzept absolut überzeugend. Die Schweizer werden scheinbar auch bei der Sicherheit ihrem Ruf gerecht :). Insofern glaube ich, dass die Schweiz, was die Sicherheit auf Flughäfen anbelangt, in der Topliga spielt.

    In Ihrem Fall bleibt noch zu hoffen, dass auch der Crew-Bus während Ihres Rundlaufs kontrolliert wurde…

    Vielen Dank für Ihr wunderbares Blog.

  5. G! Says:

    @vienna silvester 🙂
    Sag bloss, du versteckst keine Nuklearwaffen in deinen Haaren? 😀 Vielen Dank, ich wünsche dir einen schönen Silvester 😉

    @Young Pilot
    @just wondering
    See below.

    @Kermit
    Danke. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Sicherheitskonzept in ZRH sehr gut ist und hoffe das auch. Mir ging es aber in diesem Beitrag nicht um die Kontrolle der Crews als solche (ich brauche weder ein Armeetaschenmesser, ein Wasser und auch keinen Sprengstoff um das Flugzeug als Waffe zu benutzen…), sondern um die absolut bürokratische und nutzlose Kontrolle in GVA. Wo ich da etwas hernehmen sollte, konnte mir bisher noch niemand verraten… Aber um Logik gings bei Bürokratie noch nie.

  6. vienna silvester Says:

    Neiiin, in den Haaren sind natürlich die Handgranaten versteckt, was denkst du denn. Also wirklich.
    Die Nuklearwaffen sind woanders…

    Dankeschöön, ich hoffe du hattest einen guten Rutsch und ich wünsche dir ein schönes und gesundes neues Jahr (alles andere kann man ja beeinflussen) =)

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