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Spuren eines Unglücks – London Heathrow: Boeing 777 (II)

March 7th, 2008 by G!

Vor fast schon zwei Monaten habe ich einen Beitrag über den Vorfall vom 17. Januar mit der British Airways Boeing 777 (BA038) in London Heathrow (EDLL/LHR) geschrieben. Deshalb – und weil ich zum ersten Mal seit dem Zwischenfall wieder in LHR war – ist es Zeit für ein Update:

Sündenbock oder Held

Kurz nach meinem Beitrag hat mein Wüstenfalke-Kollege Capt Dide Eppler (Etihad Airways) in seinem Wüstenspuren-Blog einen äusserst lesenswerten Beitrag über die Rolle der Medien und das Bild der Piloten in diesem Fall verfasst: Sündenbock oder Held. (Der Beitrag ist (leider) gerade im Hinblick auf den Lufthansa-Hamburg-Fall von grosser Aktualität).

Special Bulletin der Untersuchungsbehörde

Die Air Accident Investigation Branch, die den Vorfall untersuchende Behörde, hat ein weiteres Bulletin veröffentlicht. Das 6-seitige Special-Bulletin ist für Fachleute zwar (zumindest teilweise) interessant zu lesen, bringt aber hinsichtlich der Unfallursache noch keine weiteren Infos: AAIB Bulletin 1/2008 Special (pdf-Datei).

Impressionen

Wie erwähnt war ich diese Woche wieder in LHR. Die Piste 27L – die Piste, an deren Pistenanfang der Vorfall stattgefunden hat – war bei der Landung am Vorabend die Lande- und am nächsten Tag die Startpiste. Deshalb gab es interessante Eindrücke, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte:

Die Boeing 777-236ER G-YMMM ist in unmittelbarer Nähe der Unglücksstelle vor einem Hangar aufgestellt:

[Vergrösserung: Bild anklicken]

Sehr gut zu erkennen sind die (z.T. immensen) Schäden am rechten Höhenleitwerk und insbesondere im Bereich der rechten Flügelwurzel (wo das rechte Hauptfahrwerk herausgerissen wurde), sowie am rechten Triebwerk. Inzwischen wurde bekannt, dass der Schaden an der 777 so hoch ist, dass BA die Maschine abschreibt, ein Totalschaden also. BA versucht derzeit, das Flugzeug zu ersetzen, was bei der derzeitigen Marktsituation ein äusserst schwieriges Unterfangen darstellt. Was wohl die beiden Kollegen in der BA-Maschine vorne links im Bild denken, die täglich am Wrack vorbeirollen…

Beim Auflinieren auf die Piste 27L sind die Spuren sehr deutlich im Gras vor der Piste zu erkennen:

[Vergrösserung: Bilder anklicken]:

Zugegeben, wenn man als Pilot von so einem Zwischenfall liest, ist das eine Sache. Wenn man aber an der Maschine und der Unglücksstelle vorbeifährt, wird einem einmal mehr bewusst, was es bedeutet, tagtäglich die Verantwortung für ein Flugzeug und die darin reisenden Menschen zu tragen. Schade, dass dies in der heutigen Zeit, insbesondere von den (nur) auf Profit bedachten Managern einer jeden (!) Airline, von Journalisten, von selbsternannten Möchtegern-Experten, aber auch von den mitreisenden Passagieren (denen der Preis das einzige Auswahlkriterium ist), nur allzuschnell vergessen wird… Geiz mag geil sein, aber nicht in der Fliegerei, denn Menschenleben sind unbezahlbar und vor allem nicht ersetzbar!!! Qualität, sei es in Form eines technisch hochstehenden Flugzeuges, eines einwandfreien technischen Unterhaltes oder in einer strengen Selektion und einer hochstehenden, nicht auf das gesetzliche Minimum reduzierte Ausbildung der Crewmember, hat IMMER ihren Preis …

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Posted in impressions, in the air, master warning, on the ground | 10 Comments »

10 Responses

  1. IJL Says:

    Tja, geschrien wird immer erst dann, wenn es zu spät ist 🙁

    Gerade im Bezug auf HAM und LH, frage ich mich gerade die letzten Tage, wo ist die Grenze? Alle Möchtegern-Experten und Vollidioten vereinigen sich und lassen überall ihre hochintelligenten Kommentare ab, einfach zum kotzen! Fragt sich eigentlich irgendjemand mal, wie sich die Copilotin fühlen mag? Ihr ganzes Privatleben wird in der Presse durchgekaut, incl. Bilder und Erlebnissen. Man versucht nun sogar schon zwischen dem Tod einer Freundin und dem Unglück einen Bezug herzustellen. Pfui Deibel.

    Da bleibt nur die Frage offen, wie konnte eine Pressestelle einer sonst so verschwiegenen Firma, in dieser Sache so reagieren??? Für mich nicht nachvollziehbar, sonst kommt da kein Mucks und hier wurden wohl ein paar Infos geliefert und nun ist das ganze wohl etwas ausser Kontrolle geraten und wird wohl auch von zig, sicherlich gut bezahlten Informanten auch noch ausgenutzt.

  2. nff Says:

    Gut gebrüllt G!

    Mann kann es nicht genug betonen, wie gut man es sich überlegen soll, wie und wann man mit der Presse anbandelt.

    Ein Fahrzeugbrand in der Nachbarschaft – es werden Zeugen befragt. Eine Raserunfall auf der Schnellstrasse – er war doch immer so ein Netter.

    Persönlichkeit ist ein wertvolles Gut und dieses muss geschützt werden. Wer sich leichtsinnig vor eine Linse setzt oder AUF ANRATEN DES PRESSESPRECHERS Statements abgibt, wird zum Spielball der Öffentlichkeit. Ich für meine Person gebe meinen Kopf nicht dafür her, dass andere dann über mich bestimmen können. AUCH NICHT, WENN EIN CHEF ODER EIN PRESSERSPRECHER FINDET, DASS ICH JETZT ETWAS SAGEN SOLLTE.

    Mein Ruf ist mir wichtiger als mein Job.

  3. IVI Says:

    Ach, du weisst ja… Die Flieger machen alles von alleine. Die Piloten schauen nur noch zu. Ich möchte hier nicht einen Vergleich mit den Lokführern machen, da ich deren Job zu wenig kenne. Doch bei den Piloten ist es doch so:
    Ein Autopilot ist fähig, ein Flugzeug besser zu lenken, als ein Mensch.

    Dies jedenfalls nach einem Experten laut S.M.

    Ich für meinen Teil, teile diese Ansicht überhaupt nicht.

  4. tbones Says:

    Tja, Ersatzflugzeug. Wells Fargo hat noch ein paar 200er ohne ER in der Wüste stehen, ob die allerdings für das Streckenprofil reichen oder gegen eine andere 772ER von BA mit kürzerem Streckenprofil getauscht werden kann? Airbusse scheinen momentan nicht frei zu sein, vielleicht kann man ja irgendwo noch eine MD-11 oder 767 chartern.

    Zum Thema Behandlung der Piloten: Ich wundere mich, dass es ein gemeinsames Bild von beiden gibt. Angeblich fliegen doch ein Cpt und ein Copi bei LH sehr selten zusammen und ich glaube kaum, dass LH von allen Permutationen Cpt/Copi ein Bild gemacht hat. Wenn es danach auf Anweisung der Firma gemacht wurde, halte ich es für fahrlässiges Verhalten der PR-Abteilung von LH. Zu den persönlichen Daten der Copilotin: Leider hat sie, wie viele, die Gefahr von Sozialen Netzwerken (StudiVz, http://www.bildblog.de/2837/bild-schlachtet-das-internet-aus) nicht richtig beurteilt und hat dem Boulevard dementsprechend viel Material geliefert. Ich bin daher zur Kontaktaufnahme nur auf Xing/LinkedIn vertreten und zwar ausschließlich mit Geschäftsdaten und einer Zweit-Emailadesse. 🙂

  5. akonstan Says:

    Ich war selber vor ein par Tagen an der Stelle, allerdings auf der anderen Seite des Zauns. Wenn man mal selbst da steht wird einem erst bewusst wie knapp das wirklich war.. die Spuren des Flugzeugs fangen wirklich nur wenige meter nach dem Zaun an. Direkt dahinter steht eine Strasse, Parkplaetze, Bus, und U-Bahn station, und Hauser..

    Zur Bild/Blick usw. muss ich nichts dazu geben.. leider ist unsere Gesellschaft immer noch nicht ueber dieses Niveau hinweg.

    Gruss
    Andreas

  6. G! Says:

    Ja, die Frage nach der Grenze ist hier m.E. durchaus berechtigt. Ich habe mir das in den letzten Tagen lange überlegt und mit Kollegen besprochen und bin zur Überzeugung gekommen, dass es definitiv nicht die Lösung sein kann, dass die Piloten an die Front geschickt werden. Auch die Namen der ganzen Crew gehören NICHT in die Medien. In LHR ging das Experiment gut, in HAM m.E. eher nicht. Der Druck auf die Besatzungen nach einem Zwischenfall – unabhängig davon, ob die Crew eine Schuld trifft oder nicht – ist immens. Da braucht es keinen Mediendruck und öffentliche Schlammschlacht. Der Persönlichkeitsschutz geht vor, aber dass gerade in Deutschland eine sehr bedenkliche Sicht zu diesem Thema existiert, zeigt sich an der “Bankenaffäre” mit dem FL.

    Tragisch.

  7. IJL Says:

    Es gibt diesen bekannten Spruch: Deutschland, dass Land der Dichter und Denker. Ein guter Freund hat das vor langer Zeit mal umformuliert: Deutschland, dass Land der Denunzianten und Stänkerer.

    In dem Zusammenhang: Gibt’s überhaupt ausser Deutschland noch ein Land in dem man eine Belohnung bekommt, wenn man seinen Nachbarn beim Finanzamt anzeigt, wenn er eine Putzfrau schwarz beschäftigt? Meines Wissens nach ist D auch das Land mit den meisten Anzeigen aus dem eigenen Umfeld bzgl. Finanzdelikte….

    (PS: eh sich jemand abnervt über dieses Urteil: Ich als Deutsche empfinde das so 😉 )

  8. Chris Says:

    @G! wirklich gut gebrüllt
    @nff wann brüllst du?

    es kann und darf nicht sein, dass wir Piloten wegen politisch und finanziell motivierten Entscheiden abstriche bei der Sicherheit machen müssen!!!
    (Beispiele gibt es genug)

    Uns vor eine Meute ausgebildeten Medienprofis zu stellen nur um das Image einer Firma ins rechte Licht zu rücken um dafür nicht einmal die Ferien rechtzeitig bestätigt zu bekommen…

    ich persönlich habe meine Lehre daraus gezogen und schaue in erster Linie für mich selbst!

  9. G! Says:

    @IJL
    Schlimme Entwicklung in D…

    @Chris
    Danke.

    @All
    In der Zwischenzeit frage ich mich jedoch, wie das mit den Piloten gelaufen ist, da ich noch keine offizielle Stellungnahme der LH dazu gehört habe…lassen wir uns überraschen, wie das “Shooting” zustande gekommen ist…oder weiss jemand mehr, habe ich was verpasst?

  10. Window In The Skies » Blog Archive » Die Suche geht weiter - London Heathrow: Boeing 777 (III) Says:

    […] Boeing 777-236ER der British Airways (Flug BA038) habe ich bereits am 19. Januar und am 7. März je einen Beitrag geschrieben. In der Zwischenzeit wurde es ruhig um den Vorfall. Dennoch – oder […]

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