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Die Suche geht weiter – London Heathrow: Boeing 777 (III)

July 6th, 2008 by G!

Über die am 17. Januar 2008 in London Heathrow verunglückte Boeing 777-236ER der British Airways (Flug BA038) habe ich bereits am 19. Januar und am 7. März je einen Beitrag geschrieben. In der Zwischenzeit wurde es ruhig um den Vorfall. Dennoch – oder gerade deswegen – und weil ich die G-YMMM gerade wieder gesehen habe, Zeit für ein kleines Update.

Vor Ort

Die G-YMMM liegt immer noch in unmittelbarer Nähe der Unglücksstelle. Inzwischen wurde das Flugzeug jedoch durch einen Zaun – einigermassen – vor neugierigen Blicken geschützt. Ausserdem wurde das Seitenleitwerk demontiert [Grossansicht: Bild anklicken]:

Update der Untersuchungsbehörde

Am 12. Mai 2008 hat die britische Air Accident Investigation Branch (AAIB), die den Vorfall untersuchende Behörde, ein zweites Special-Bulletin (AAIB Bulletin S3/2008 SPECIAL, PDF-Datei) veröffentlicht. Das dreiseitige Bulletin enthält zusammengefasst folgende Informationen:

Diverse Systeme und mögliche Unfallursachen wurden weiter detailliert untersucht und es wurden bisher für mehrere denkbare Ursachen keine Beweise gefunden, so zB für eine Fehlfunktion der Flugzeug- und Triebwerkskontrollsysteme, auch nicht durch elektromagnetische Interferenzen; für einen Vogelschlag (Birdstrike) oder eine Triebwerksvereisung; für Wake Turbulence (Turbulenz durch die Randwirbel/Wirbelschleppen der vorausfliegenden Flugzeuge – diese sind der Grund für die Mindestabstände zwischen den Flugzeugen beim Anflug).

Der Treibstoff war von guter Qualität, frei von Verunreinigungen und es wurde keine übermässige Menge an Wasser darin gefunden (übrigens: bei der “heldenhaften” Notlandung von Sepp Moser war Wasser im Tank der Grund…). Im Treibstoffsystem wurden keine physischen Blockaden gefunden.

Aufgrund der bisherigen Beweislage vermutet die AAIB, dass es im Treibstoffsystem zwischen den Tanks und den Pumpen der Triebwerke zu Problemen gekommen ist, was wiederum zu einem zu geringen Treibstoffdruck in den Triebwerken geführt haben könnte.

Die weitere Untersuchung wird sich deshalb auf das Treibstoffsystem des Flugzeuges und der Triebwerke konzentrieren. Bisher hat aber weder die AAIB, noch Boeing oder Rolls-Royce (der Triebwerkshersteller) operationelle Veränderungen empfohlen.

Zwischenfall in Los Angeles (Flug AA299)

Bereits am 28. Februar 2008 ereignete sich laut Flightglobal scheinbar folgender Zwischenfall: Beim Anflug einer Boeing 777-200ER von American Airlines (AA299, Miami – Los Angeles) auf den Flughafen Los Angeles reagierte ein Triebwerk nicht mehr auf die Steuerbefehle des automatischen Schubsystems (Autothrottle). Der Ausfall dauerte 10-15 Sekunden und fand auf einer Höhe von 2000 Fuss (ca. 650 Meter) über Grund statt. Danach reagierte das Triebwerk wieder auf die Steuerbefehle. Die Landung verlief offensichtlich problemlos.

Nachtrag: Zwischenfall zwischen Kalkutta und London (Flug BA146)

(Danke HBIJL für den Hinweis, vgl. den zweiten Kommentar auf diesen Beitrag): Einer Meldung des AVHerald zufolge reagierte auf dem Flug BA146 von Kalkutta (Indien) nach London wiederum bei einer Boeing 777-200 von British Airways (G-YMMC) das rechte Triebwerk für (ebenfalls!) rund 90 Sekunden nicht mehr auf die Ansteuerungsbefehle. Danach reagierte das Triebwerk wieder und der Flug wurde ohne Zwischenfall fortgesetzt.

Unklarer Zusammenhang

Es liegt mir fern, aufgrund der – gerade im zweiten Fall in LA – sehr spärlichen und medial gefilterten Informationen, Theorien oder Mutmassungen aufzustellen, zumal ich das betroffene Flugzeug, dessen Systeme und Triebwerke nicht kenne. Dennoch ist interessant, dass es sich drei Mal um denselben Flugzeugtyp, mit denselben Triebwerken (Rolls Royce Trent 800) handelt. In allen drei Fällen reagierte (mindestens) ein Triebwerk nicht mehr auf die Steuerbefehle der Schubhebel und in zwei der drei Fälle fand der Zwischenfall unmittelbar vor der Landung statt.

Es kann natürlich durchaus sein, dass diese Gemeinsamkeiten absolut zufällig sind. Dennoch bin ich etwas überrascht, dass diese drei Vorfälle aufgrund dieser Gemeinsamkeiten – zumindest “offiziell” – nicht miteinander in Verbindung gebracht wurden. Des Weitern scheint es zu keinen Empfehlungen betreffend Boeing 777-200ER und/oder Trent 800 gekommen zu sein, was im AAIB Bulletin (das knapp 3 Monate nach dem Vorfall in LA herausgegeben wurde) ausdrücklich erwähnt ist. Ob dies – nach dem dritten ähnlich gelagerten Vorfall – immer noch der Fall ist, kann ich nicht sagen, da ich keinen Zugang zu solchen Informationen habe. Dennoch: gerade bei Vorfällen, deren Ursachen unklar sind und bei denen ganze Serien betroffen sein könnten, kam es in der Vergangenheit sehr oft und sehr schnell zu Empfehlungen und/oder sogar Groundings von ganzen Flotten.

Die Suche geht weiter…

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Posted in impressions, in the air, master warning, on the ground, technique matters | 4 Comments »

4 Responses

  1. HBIJL Says:

    Tja, da beginnt man sich so einiges zu fragen….

  2. HBIJL Says:

    Und wie es der Zufall so will, habe ich grad das hier gelesen… Man beachte den letzten Abschnitt. Ironie es des Schicksal oder Murphy’s Law?? Passierte am 29.06.2008

    Incident: British Airways B772 enroute on June 29th 2008, right engine unresponsive to throttles for 90 seconds

    The right hand engine of a British Airways Boeing 777-200, registration G-YMMC performing flight BA146 from Kolkata (India) to London Heathrow (UK), was unresponsive to throttle commands (thrust increase and decrease) for about 90 seconds while enroute, then the situation came back to normal and the flight continued to London without any further incident.

    The crew included First Officer Coward, who had been handling pilot on board of flight BA38 crashlanding at London Heathrow on January 17th 2008.

  3. G! Says:

    Danke für den Hinweis, ich habe den Zwischenfall grad in den Text aufgenommen… Naja, wenn derselbe F/O dabei war, sollte man vielleicht mal ihn überprüfen 😉 *grins*

  4. richi Says:

    Man könnte auch First Officer Coward auf einen Viermot umschulen, z.B. den 380er.

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