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Mein Lebenslauf in den Medien (Journalistische Inkompetenz VI)

January 22nd, 2011 by G!

Eigentlich wollte ich heute einen Beitrag zum gestrigen CCQ-Abschluss schreiben. Aus aktuellem Anlass möchte ich dies zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

Im “Der Sonntag” Artikel “Swiss-Piloten: Ich bin auch ein Lokführer” von Wirtschaftsredaktor Benjamin Weinmann werden (vermeindliche) Beispiele von Swiss-Piloten, die Nebenjobs haben, aufgezählt. Bei meiner täglichen Bloglektüre des Pilots Of Swiss Blogs habe ich erfahren, dass im Artikel auch ich bzw. mein Blog (wenn auch anonym) erwähnt wird. Dies hat mich sehr überrascht, da ich bei Swiss einen 100% Vertrag besitze und damit ein Vollzeitpensum absolviere. Zu weit gedacht, denn im Artikel heisst es:

“Wie dem Online-Lebenslauf des enervierten Piloten zu entnehmen ist, fliegt dieser seit 2007 für die Swiss und hat in derselben Zeit noch eine Jus-Disseration an der Universität St. Gallen geschrieben.”

Es ist richtig, dass ich seit 2007 für Swiss fliege. Dass ich “in derselben Zeit noch eine Jus-Dissertation an der Universität St. Gallen geschrieben” habe, ist bekanntlich falsch. Im zitierten Lebenslauf (hier abrufbar) liest sich das wie folgt (Auszug):

2004-2005 Universität St. Gallen (HSG): Ausarbeitung der Dissertation (Gesellschaftsrecht) und Assistent am Lehrstuhl Prof. Roberto
2006-2007 HOMBURGER AG: Junior Associate|Substitut
seit 2007 SWISS International Air Lines: First Officer Airbus 319/320/321 (2007-10) / 330 (seit 2009) “

Für mich gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum Herr Weinmann in einer kommerziellen Publikation eine solche Aussage macht: Erstens ist denkbar, dass Herr Weinmann meinen Lebenslauf (den er zitiert) nicht richtig gelesen hat. Das könnte man dann als schlechte und oberflächliche Recherche eines Profis beurteilen, welche die Qualität seines Produkt definiert. Zweitens ist möglich, dass Herr Weinmann meinen Lebenslauf gelesen, diesen verstanden und wider besseres Wissens etwas anderes geschrieben hat. Das möchte und kann ich ihm nicht unterstellen, da ich weder ihn, noch seine Arbeit und Arbeitsweise kenne. Drittens wäre noch die Möglichkeit, dass er den Lebenslauf nicht verstanden hat. Angesichts der einfachen, chronologischen Darstellung und der bei Journalisten regelmässig ausgeprägt vorhandenen Lesefähigkeiten gepaart mit Intelligenz erachte ich diese Variante jedoch als die Unwahrscheinlichste. Wie dem auch sei, bis ich eine Stellungnahme von Herrn Weinmann auf mein Email erhalten habe, weiss ich nicht, woran es liegt, dass er diese nicht der Wahrheit entsprechende Aussage gemacht hat.

Hinzu kommt, dass ich in den Nutzungsbedinungen meines Blogs jegliche kommerzielle Weiterverwendung von Aussagen ausdrücklich verbiete, es sei denn, es liege (vor der Publikation) eine ausdrückliche Genehmigung von mir vor. Ich wurde zu keinem Zeitpunkt für eine solche Genehmigung angefragt. Es liegt eine Verletzung meines geistigen Eigentums, meines Urheberrechts, vor. Dass sich ein Journalist, dessen professionelle Tätigkeit darin besteht, ebensolches geistiges Eigentum in Form von Artikeln herzustellen, um die Rechte anderer (wenn auch nicht professioneller Autoren) nicht kümmert, stimmt mich in höchstem Masse nachdenklich. Was würde Herr Weinmann machen und von mir denken, wenn ich seinen Artikel auf meinem (kleinen, unbedeutenden und privaten, nicht kommerziellen) Blog als mein Produkt publizieren würde?

Ich finde es, insbesondere für ein kommerzielles, professionelles Medium wie “Der Sonntag”, unprofessionell, billig, peinlich und höchst bedenklich, wenn man einen Artikel mit falschen, unwahren Angaben zurechtschustert, dass man am Ende das gewünschte Ergebnis erhält (eben: Swiss Piloten haben viele Nebenjobs und sind darum müde, siehe Beginn 4. Abschnitt im Artikel). Wenn dies noch mit einer Verletzung der Urheberrechte eines anderen Autors einhergeht, setzt dies dem Ganzen noch die Krone auf. Dies als seriösen, professionellen Journalismus zu verkaufen ist nicht nur unehrlich, sondern auch eine regelrechte Verarschung des Lesers.

Einmal mehr möchte ich an dieser Stelle die Frage stellen: Wenn in diesem Fall ganz klar falsche und unwahre Informationen in einer professionellen Medienpublikation verbreitet werden, warum soll dies in anderen Fällen nicht passieren? Die Zeit, in denen “Reporter” über das Geschehene “berichtet” (“to report”) haben, ist längstens Vergangenheit. Heute wird von Journalisten (deshalb nennt man sich ja nicht mehr Reporter) und Medien die von ihnen vertretene Meinung verbreitet. Dabei scheint man auch vor der Verbreitung von Unwahrheiten nicht zurück zuschrecken. Bedenklich. Dessen sollte man sich bei der nächsten Zeitungslektüre bewusst sein…

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Posted in master warning, off/duty, on the ground | 14 Comments »

14 Responses

  1. Richi Says:

    Da soll so ein Sprichwort existieren:

    “Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing”.

    Oder so ähnlich.

    “Dabei scheint man auch von der Verbreitung von Unwahrheiten nicht zurück zu schrecken”

    Schreck lass nach!
    Immerhin: “Unwahrheiten” klingt immer noch besser als “Lügen”;-)

  2. Al Schmid Says:

    Hear hear! Wie wahr!

  3. HBIJL Says:

    Ich weiss nicht, ich tendiere zur Version 3 😉

  4. nff Says:

    Darum lese die Rundschau – wir stehen immerhin dazu, in welchem Interesse wir schreiben!

    🙂

    keep fighting!

  5. skypointer Says:

    Tja die Journies! Die sind sogar noch schlimmer als die Rechtsverdreher… 😉

    Aber die schlimmsten sind schon die Swiss Piloten. Stellt Euch vor, da gibt es sogar noch solche die machen Militär! z.B. als Heli Pilot. Skandal!

    Da bin ich richtig froh, dass nicht auch ich noch mein Fett weg gekriegt habe. Ich bin nämlich auch noch Dienstpflichtig und bin im Dienst sogar bewaffnet. Und, ui ui ui, meine Dienstwaffe lagert bei mir zu Hause… Schlimm.

  6. Marius Says:

    Ist Dein Lebenslauf denn korrekt? Du gehst darauf leider nicht ein. Es ist ja schon aussergewöhnlich, dass eine Dissertation erst mit 2-3 Jahren Verzögerung veröffentlicht wird.

    (Schade übrigens, dass Deine Dissertation online nicht zugänglich ist. Was bei Naturwissenschaftlern, auch im Interesse des wissenschaftlichen Austausches, Standard ist, scheint Geisteswissenschaftlern immer noch grösste Mühe zu bereiten. Du bist damit ja nicht allein.)

    Aber abgesehen davon: Wieso sollte man in seiner Freizeit keine Dissertation schreiben dürfen, solange die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz nicht leidet. Junge Piloten wie Du leiden üblicherweise viel weniger unter Schichtarbeit und anderen negativen Folgen des Fliegens als ältere Piloten und haben entsprechend mehr echte Freizeit zur Verfügung. Und als beispielsweise als Single lebt, hat sowieso noch viel mehr Freizeit.

    Für Piloten, bei denen das nicht der Fall ist, sind Nebentätigkeiten aber tatsächlich heikel. Mir haben SWISS-Piloten auch schon erzählt, in ihren Verträgen seien Nebentätigkeiten verboten, aber das kann ich nicht nachprüfen, weil Euer GAV im Gegensatz zu fast allen anderen GAVs in der Schweiz nicht öffentlich ist.

    (Wieso eigentlich? Man kann GAVs ja auch ohne Zahlen zu den Löhnen veröffentlichen. Aber auch da wäre Transparenz wünschenswert. Wie Du von Deinem Dissertationsthema her sicherlich weisst, führt Lohntransparenz zu höheren Löhnen, nicht tieferen.)

    Den Hinweis auf Deine Nutzungsbedingungen finde ich für einen Juristen amüsant. Du weisst genau, dass sie für die Besucher Deiner Website nicht verbindlich sind. Und Du weisst genau, dass Du das urheberrechtliche Zitatrecht nicht aushebeln kannst.

  7. M@ Says:

    Ich sehe vom ersten Satz an, dass Herr Weigand oder Wiener oder wie er heißt überhaupt keine Ahnung von diesem Thema hat und das ändert sich auch im Verlauf des Artikels nicht mehr.

    Wann hat jemand das letzte mal etwas für das Medical gelernt?

  8. G! Says:

    @Marius
    Schön, dass du immerhin fragst, ob er korrekt ist. Er ist es oder kennst du einen Fall, wo jemand seinen Lebenslauf zu seinen UNgunsten “anpasst”? Die Fälle von denen ich gehört habe, war es immer so, dass er geschönt wurde und zB. Titel die man nicht hatte, getragen wurden usw.
    Ich weiss nicht, aus welchem fachlichen Gebiet du “kommst”, aber wie ich schon im Kommentar zum Pilots Of Swiss Blog geschrieben habe (http://pilotsofswiss.wordpress.com/2011/01/21/ich-bin-auch-ein-lokfuhrer/#comments), kenne ich Leute, die drei Jahre benötigten, bis sie die Vorstudie ihrer Dissertation abgegeben haben, solche, welche sie nach mehreren Jahren unfertig begruben, aber auch solche, die sie innert 8 Monaten beendet haben… Es gibt Leute, die schreiben ihre Diss nach dem Studium, solche die schreiben sie nach der Rechtsanwaltsprüfung, andere erst nach einigen Jahren Berufsausüben und die meisten schreiben gar keine. Was ist denn gewöhnlich oder aussergewöhnlich?

    Du sagst es ja selber: ich bin nicht alleine, wenn ich meine Dissertation nicht online zugänglich mache (obwohl dies immer noch geplant ist). Die Gründe dafür können vielseitig sein, zB. können rechtliche Verabredungen mit dem die Diss publizierenden Verlag dagegensprechen, der Autor will es nicht oder was auch immer. Falls dich meine Diss, wie es scheint so interessiert, kannst du ja gerne ein Exemplar kaufen (http://www.amazon.de/Managementverg%C3%BCtungen-Kompetenzen-Aufnahmeund-Beurteilung-juristischen/dp/3838106989/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1250699101&sr=8-1) oder aber in die nächste Universitätsbibliothek gehen und sie ausleihen oder vor Ort lesen. Das ist sogar gratis und Geiz ist derzeit ja wie falsch verstandene Transparenz “in” und geil.

    Es geht im Artikel im “Sonntag” und meiner Antwort darauf nicht darum, ob man eine Diss nebenberuflich schreiben darf oder nicht. Es geht darum, dass der Autor etwas falsches schreibt und das habe ich korrigiert. (Falls du zufällig aus der Aviatik kommen solltest, weisst du ja, wieviel geregelt ist, was man nicht erwarten würde.)

    Warum soll unser GAV öffentlich sein? Es ist ein privatrechtlicher Vertrag zwischen zwei privaten Parteien, einer rund 1000 Personen umfassenden Arbeitnehmergruppe und einer einzigen Gesellschaft. Im Gegensatz zu andern GAV’s ist dieser nur zwischen zwei Parteien abgeschlossen und gilt nur für diese. Andere GAV’s gelten für sämtliche Angehörige einer Berufsgattung mit x-beliebigen Unternehmen, das weisst du sicher.
    Warum wäre Transparenz in unserem Beruf wünschenswert? Weil es “in” ist und jeder das Gefühl hat, er müsse bei jedem Thema (das er versteht oder auch nicht) mitreden? Weil jeder weiss, wieviel Lohn dem andern zustehen müsste [Stichwort: Neid]? Weil wir Piloten sind? Veröffentlichst du deinen Arbeitsvertrag? Warum nicht? Man kann auch Einzelarbeitsverträge ohne Löhne veröffentlichen… [Eine weitere Bemerkung: (Zum Teil müssen) Managerlöhne offengelegt werden, weil dies gesetzlich vorgesehen ist. Und warum? Weil sie ihre Löhne selber festlegen können. Wir können das nicht, also vergleiche bitte nicht unterschiedliche Sachen!] Klar könnte man unseren GAV publik machen. Aber warum? Und warum denn nicht JEDEN Arbeitsvertrag in der Schweiz? Vieleicht interessiert es mich auch, was unsere Crewplaner, Loadcontroller, Fluglotsen, Migroskassierinnen, Busfahrer, Skifahrer, Fussballer usw. für Verträge haben. Man könnte alles “transparent” und öffentlich zugänglich machen, warum nicht deine Unterhosengrösse und sexuelle Vorlieben, deine Lieblingssoap? Sorry für den Ausdruck, aber der Ruf, das unser (genau unser…) GAV “transparenz” gemacht werden soll purer Schwachsinn ohne Inhalt. Lass mich doch wissen, was für ein Interesse es an der Transparenz unseres Swiss-Piloten GAV es gibt? Diese Begründung unterschlägst du, ich warte schon gespannt…

    Ich finde deinen Kommentar amüsant, denn mir scheint es, dass du etwas verwechselst: ich verbiete nicht das Zitatrecht als solches. Bitte lies doch genau, wenn du mir schon etwas vorwirfst! Ausserdem: wer (wie der “Sonntag”) einen Ausschnitt wörtlich zitiert ohne einen Quellenangabe zu machen, zitiert eben gerade nicht nicht richtig und den (rechtlichen und wissenschaftlichen) Regeln entsprechend, aber das weisst du sicher auch…

  9. L.M. Says:

    Der Journalist sollte sich bei Dir entschuldigen, finde ich.

  10. Richi Says:

    “Keine Antwort ist auch eine Antwort”.

    Ich fand “G!says” Replik auf Marius’ Antwort vielsagend, differenziert und einladend.

    Warum schweigt der eloquente Marius darauf?

    Für mich ein beredtes Schweigen; Wie gesagt:

    Keine Antwort ist auch eine Antwort.

  11. G! Says:

    In der Tat sehr schade, dass Marius keine Antwort mehr gibt. Aber wie du ja sagst, ist keine Antwort auch eine.

    Ein kleiner Nachtrag zu Marius Bemerkung, mein Zeitplan sei “aussergewöhnlich”: Herr zu Guttenberg hat an für seine Dissertation sieben Jahre benötigt und scheinbar einen nicht unwesentlichen Teil davon nicht selber geschrieben!

  12. Richi Says:

    Zu gut, der mit dem zu Guttenberg!:-)

    Obendrauf aktuell noch die London School of Economics.
    Deren Direktor, Sir Howard Davies, ist eben zurückgetreten.

    Es geht um Gaddhafi’s Sohn:
    Dieser hat dort, an der LSE seinen Doktortitel erworben.

    Sir Howard Davies sieht sich nun damit konfrontiert, dass der besagte Said Gaddafi einen Ghostwriter für seine Doktorarbeit engagiert haben soll. Dieser wiederum steht in copy & paste Verdacht.

    1,5 millionen Englische Pfund hat Said Geddhafi der Universität gespendet und zukommen lassen. (Ein Trinkgeld wohl, gemessen an den Petrodollars, zusammengerafft und abgezweigt durch den Gaddhafi-Clan)

    Fakt ist: Sir Howard Davies, Direktor, Oberhaupt und Oberhäuptling der London School of Economics ist darauf hin zurückgetreten.

    Zurückgetreten wie Guttenberg!

  13. G! Says:

    Danke für die Info. Auch das kann man gerne überprüfen, die HSG bekam (ausser den halbjährlichen Semestergebühren) keine Spende von mir. Mein Vater ist ja auch weder Diktator, noch in der Ölbranche 🙂

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