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Zukunftsmusik: ATSAW

March 15th, 2012 by G!

Ein Werkzeug, dass die Fliegerei sehr viel sicherer gemacht hat, ist das TCAS. Das “Traffic Alert and Collision Avoidance System” ist ein Kollisionswarnsystem, mit dem Verkehrsflugzeuge ausgerüstet sein müssen. Das TCAS zeigt uns auf unserem Navigationsdisplay andere Flugzeuge und deren (relative) Flughöhe (sowie die Änderung derselben) an. Befinden sich zwei Flugzeuge auf Kollisionskurs, werden die Cockpitbesatzungen beider Flugzeuge gewarnt. Als letzte Möglichkeit schlagen beide Systeme ein koordiniertes Ausweichmanöver vor. Folgen beide Besatzungen den (ausschliesslich) vertikalen Auweichmanövern innerhalb der dafür vorgesehenen Zeit, wird eine Kollision mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verhindert. Die tragischen Folgen, wenn leider und entgegen aller Vorgaben nur eine Besatzung dem System folgt, hat man 2002 in Überlingen gesehen. Das in Kürze zur Funktionsweise des TCAS. Wer es ausführlicher Wissen möchte, dem empfehle ich z.B. einen Besuch auf Wikipedia oder die aktuellste Produktbroschüre von Honeywell als PDF.

Die Entwicklungen zur Steigerung der Sicherheit und der Effizienz in der Luftfahrt machen nicht halt. So hat der TCAS Computer eine neue Funktion bekommen: ATSAW. Das bedeutet “Airborne Traffic Situational Awareness“. Der Flug LX86 (Airbus 330-300) von Zürich nach Montreal war am 7. Februar 2012 der erste kommerzielle Flug in Europa der mit einem funktionellen ATSAW System durchgeführt wurde. Bisher sind nur wenige Swiss-Maschinen mit dieser Funktion ausgerüstet, darunter auch die HB-JHJ, ein Airbus 330-300, den ich auf meinen vergangenen zwei Flügen nach CAI und JFK fliegen durfte. Dabei war es mir (nach dem Wälzen von Bulletins und Manuals) zum ersten Mal möglich, das ATSAW in der Praxis zu testen. Das ATSAW vermittelt uns ein zeitverzugsloses Bild der uns umgebenden Flugzeuge während allen Flugphasen mit mehr als den bisher bekannten Informationen. Auch hier möchte ich nicht in die Details gehen, sondern nur einen kurzen Überblick über das sehr interessante und nützliche System geben:

Bilder sagen mehr als Worte, darum hier ein Bild ohne (mit ausgeschaltetem) ATSAW:

 

Erkennbar unten in der Mitte unser Flugzeug (gross, gelb) und zwei “Traffics”, also andere Flugzeuge: das erste unmittelbar unserem gelben Flugzeugsymbol, hinter unter uns und 1000 Fuss (“-10”, also rund 300 Meter) unter uns. Sechzig nautische Meilen vor uns ein anderes Flugzeug, dieses 2000 Fuss höher (“+20”) . Das sind sämtliche Angaben, die mit einem gewöhnlichen TCAS geliefert werden. Sehr rudimentär aber dennoch lebensrettend.

Hier nun dasselbe Bild mit eingeschaltetem ATSAW (inkl. Flugidentifikation):

 Die neue Funktion gibt uns neben den bereits bekannten, wesentlich mehr Informationen über die anderen Flugzeuge:

  • Flugrichtung (anhand des entsprechend ausgerichteten Flugzeugsymbols)
  • Flugnummer ( “VIR15N”; ein Virgin Atlantic Flug)
  • Geschwindigkeit gegenüber Grund (“476” Knoten bei VIR15N).
  • Je nach System des sendenden Flugzeuges können noch weitere nützliche Informationen empfangen werden, wie z.B. die angezeigte Geschwindigkeit oder die Wake Turbulence Category.
Durch diese Zusatzinformationen können zum Beispiel in Gebieten ohne Radarführung (z.B. über den Nord- oder Südatlantik) Flughöhenwechsel mit reduzierten Separationsminimas beantragt werden, da der Computer die Werte der anderen Flugzeuge kennt und damit die nötigen Separationen berechnen bzw. bestätigen kann. Dies wiederum führt dazu, dass man früher (oder überhaupt) auf die optimale Flughöhe steigen kann, was einen effizienteren und treibstoffsparenderen Flug ermöglicht.
Die Nützlichkeit des Systems zeigte sich auch im Anflug auf CAI: Der Controller wies uns an, die Geschwindigkeit zu reduzieren, da wir “Nummer zwei” für den Anflug seien. Auf unsere Rückfrage, ob und was für eine Geschwindigkeit er denn wünsche, erhielten wir (ja, auch das gibt es in gewissen Ländern regelmässig…) keine Antwort, dies auch nach mehrmaligem Nachfragen. Dank ATSAW konnten wir die Geschwindigkeit des Austrian Airbus 320 nachschauen und stellten dabei fest, dass er wesentlich langsamer als unser Airbus 330 unterwegs war. Hätten wir unsere (bereits reduzierte) Geschwindigkeit beibehalten, hätten wir innert kurzer Zeit aufgeholt. Das wiederum hätte zu einem ineffizienten Anflug geführt, da wir zur Separation mehr Meilen hätten zurücklegen müssen. So aber konnten wir unsere Geschwindigkeit genau derjenigen der AUA anpassen und weitere Verluste vermeiden.

Dies eine kurzer Einblick in ein grossartiges und äusserst nützliches System, das der Fliegerei und der Umwelt in (naher) Zukunft noch einen sehr grossen Nutzen bringen wird! Weitere Informationen über Neuerungen und Entwicklungen zu diesem System gibt’s auch bei Eurocontrol oder bei mir, wenn’s wieder was neues zu berichten gibt.

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Posted in in the air, technique matters | 11 Comments »