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Die Zeit(en) unseres Lebens

June 18th, 2008 by G!

Die Zeit läuft unaufhaltsam.  Ich wollte mich eigentlich schon früher mit einem Beitrag zurück aus den Kurzferien melden, aber die Crewdispo machte mir einen Strich durch die Rechnung, indem sie mir – in meinen Standby-/Reservetagen – zur frühen Stunde, genaugenommen am ersten Tag um 0547 Uhr, (ziemlich ausgefüllte) Flugtage zugewiesen zugeteilt hat. Das führt dazu, dass ich mit bzw. trotz 5 Ferientagen einen der flugreichsten, wenn nicht sogar den flugreichsten Monat seit meiner Zeit bei Swiss haben werde.

Grund genug, wie bereits im vorletzten Beitrag erwähnt, etwas über die verschiedenen “Zeiten” in der Fliegerei zu schreiben und damit mit weiteren Missverständnissen aufzuräumen.

Flugzeit / Flighttime

Das ist die Zeit zwischen Abheben des Flugzeuges beim Start, bis zum Touchdown der Räder bei der Landung, also die effektive Zeit in der Luft. Diese Zeit ist für die Piloten relativ unwichtig.

Blockzeit / Blocktime

Das ist die Zeit zwischen dem Losrollen des Flugzeuges (bzw. bei Airlinern ab dem Zurückstossen vom Gate) vor einem Flug bis zum endgültigen Stillstand (am Gate) nach einem Flug. Die erste Zeit (beim Losrollen) nennt man Block OFF Zeit / Time, diejenige, wenn das Flugzeug stillsteht, Block ON. Der Begriff “Block” kommt meines Wissens von den Bremsklötzen (englisch “Block”=Klotz), welche vor und hinter die Räder gelegt werden. Darum ist die “Startzeit” nicht Block ON, wie man denken könnte, sondern OFF, weil die Blocks WEGgenommen werden.

Die Blockzeit ist die wichtigste Zeit in der Fliegerei, weil die “Flugzeit”, welche der Pilot in sein Flugbuch einträgt die Blockzeit und nicht die (effektive) Flugzeit ist. Mit anderen Worten: Wenn ein Pilot “1000 Flugstunden” hat, ist das Blockzeit.

Da das Rollen vor und nach einem Flug natürlich auch zum eigentlichen Flug gehören und man während dieser Phase bereits zahlreiche Sachen erledigt werden, die zum Flug gehören (Checks, Briefings etc.) ist es durchaus sinnvoll, dass diese Zeit als Pilot notiert werden darf. Die Tatsache, dass leider am Boden beim Rollen verhältnismässig viele Zwischenfälle passieren zeigt, wie wichtig gerade die Rollphase ist.

Aus Passagiersicht ist wichtig, dass die Flugplan-Zeiten der Airlines immer Blockzeiten sind. Wenn also ein Flug um 1400 Uhr geplant ist und um 1400 vom Gate zurückgestossen wird, ist er pünktlich “gestartet”.

Dutytime

Bei kommerziell fliegenden Piloten gibt es eine weitere Zeit, die Dutytime (englisch Duty=Auftrag). Es ist die Zeit, welche der Pilot effektiv für die Firma tätig ist. Je nach Firma gelten hier verschiedene Ansätze, wann die Dutytime beginnt und endet. Der Grund für diese weitere Zeitart liegt darin, dass die Piloten nicht erst mit dem Losrollen des Flugzeuges etwas zu tun haben und anfangen zu arbeiten und beim Andocken am Gate noch nicht “frei” sind. Im Gegenteil, man trifft sich zB. bei Swiss am ersten Flug (an der Homebase) des Tages eine Stunde vor Block Off zum Briefing, bei welchem der erste Flug geplant wird.

Die Dutytime ist für Berufspiloten deshalb sehr wichtig, weil sie am ehesten dem entspricht, was “auf dem Boden” die Arbeitszeit ist, also die Zeit, in der man etwas für seinen Lohn Geld tut :-).

Von der Theorie zur Praxis

Die Zusammenhänge zwischen diesen drei “Zeitarten” stehen nicht in einem fixen Verhältnis. Mit anderen Worten bedeut 1 Blockstunde nicht immer 2 Dutystunden oder 1 Flugstunde ist nicht immer 1.5 Blockstunden. Das lässt sich am besten mit folgenden Beispielen zeigen:

Mein nächster Flugeinsatz sieht wie folgt aus:

– ZRH 1225 MAD 1440
– MAD 1520 ZRH 1730
– ZRH 1900 FRA 2005
– FRA 2045 ZRH 2140

Die genannten Zeiten sind die offiziellen Flugplanzeiten und damit Lokalzeiten und (geplante) Blockzeiten. Wenn man diese Zeiten zusammenzählt kommt man auf 6 h 25 min Blockzeit. Die tatsächliche Gesamtflugzeit dürfte (je nach Wetter und Verkehr) schätzungsweise um 5 h liegen. Die Dutytime liegt aber bei über 10 Stunden. Dafür, dass man einen knappen 11 Stundentag hat, darf man “nur” 6 h 25 min Blockzeit aufschreiben und hat um 5 h effektive Flugzeit.

Mein letzter Flugeinsatz war:

– ZRH 1400 LPA 1715
– LPA 1755 ZRH 2255

Die Blockzeit beträgt hier 8 h 15 min, was beinahe der effektiven Flugzeit entspricht. Die Dutytime beträgt ebenfalls über 10h.

Es zeigt sich also, dass, je kürzer die Flüge sind, je länger die Pausen zwischen den Flügen und je mehr Flüge man hat, desto grösser ist die Differenz zwischen (effektiver) Flugzeit und Blockzeit einerseits und Dutytime anderseits. Demgegenüber wird bei sehr langen Flügen die Differenz zwischen Blockzeit und Dutytime grundsätzlich kleiner. Diesbezüglich also ein Ungleichgewicht zuUNgunsten der Blockzeit auf der Kurzstrecke. Die Differenz zwischen Flugzeit und Blockzeit ist in erster Linie vom Flughafen abhängig. Dabei kann die Rollzeit wegen grossen Distanzen (Madrid) oder wegen hohen Verkehrsaufkommen (London Heathrow; USA) zum Teil sehr gross werden, in den USA manchmal über eine Stunde!

Limiten

Für die einzelnen Zeiten, insbesondere Blockzeit, gibt es verschiedene vertragliche und vor allem gesetzliche Limiten. Für die Kontrolle der Limiten ist die Firma und natürlich der Pilot selber verantwortlich. Wer einen Blick in Unfallberichte wirft erkennt, dass die Einhaltung der Limiten (Ruhezeiten usw.) stets angeschaut wird. Das überrascht nicht, da diese sehr einfach zu überprüfen sind und es nur richtig oder falsch gibt.

Schlussfolgerung

Wenn ein Pilot pro Monat 85 “Stunden” hat, ist damit gewöhnlich die Blockzeit gemeint. Aus dieser Zeitangabe lassen sich überhaupt keine Rückschlüsse darüber machen, wieviel man nun tatsächlich an “Arbeitszeit” hat, da dies wie gesehen unter anderm von den angeflogenen Destinationen und der Zusammensetzung des Einsatzes (Anzahl Flüge, sog. “Legs”) abhängig ist.

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Posted in in the air, on the ground | 13 Comments »

13 Responses

  1. ajg Says:

    lieber guy, danke fuer diese erklaerungen, sehr spannend. aber was ist mit der standby time, die müsste doch auch sehr wichtig sein 😉

    lg

  2. G! Says:

    Hoi… Vereinfacht gilt das folgende: Wenn man die Stbytime (jeweils 12 Stunden) ohne Einsatz “absitzt”, wird ein gewisser Prozentsatz dieser Zeit als Dutytime angerechnet. Wenn man – wann während der Stbytime auch immer – einen Einsatz bekommt, gilt dieser.

  3. Oli Says:

    Besten Dank für die Erklärungen. 😉
    Wie sieht es eigentlich mit den max. Stunden pro Jahr aus, welcher ein Pilot fliegen darf?

    Gruss Oli

  4. Sandro Says:

    Hoi G!

    Guter Beitrag! Die, die unsere Theoriebücher schreiben, könnten von dir noch etwas lernen.

    Das Einschreiben und Zusammenrechnen der Blockzeiten ins Flugbuch ist dann wieder eine Sache für sich, da haben bei mir vor allem die Tipex-Hersteller grosse Freude daran 😉

    Gruss Sandro

  5. G! Says:

    @Oli
    Wir dürfen maximal 900 Stunden pro Jahr “fliegen”. Das sind – siehe Beitrag – BLOCKstunden. Die Limite ist GESETZLICH und gilt daher für sämtliche Piloten in der Schweiz. Soviel ich weiss, ist dies sogar eine europäische (JAR) Limite…

    @Sandro
    Danke. Naja, bei uns/mir übernimmt das immerhin der Computer 🙂

  6. Denti Says:

    Zusätzlich kann es noch weitere Limits geben. Im nördlichen Nachbarland gibt es noch zusätzlich 2000 Stunden Dutytime pro Jahr, was auf der Kurzstrecke fast immer limitierend ist, zusätzlich noch Limitierungen wieviel in 7 Tagen geflogen bzw. geruht werden muss, wieviel in 30 und in 90 Tagen.

    Das ganze ist also sehr stark reguliert, und mit dem neuen Subpart Q der JAR OPS wird es eher noch komplizierter.

  7. Miggi Says:

    Hallo Guy

    Spannender Beitrag, danke vielmals dafür. Du hast geschrieben, dass sich die Crew etwa eine Stunde vor Block Off trifft. Gilt das auch für die Langstreckenflüge, denn da gibt es ja einiges mehr zu planen nehme ich an?
    Und zweitens, wenn ihr da mehrere Flughäfen anfliegt, habt ihr ja nicht jedes Mal eine Stunde Zeit zur Vorbereitung, wird diese dann schon in Zürich gemacht?

    Gruss Miggi

  8. HBIJL Says:

    Und damit alles bald noch komplexer wird, gibts dann bald die EU OPS und schon gleich darauf die EASA OPS 😉

  9. G! Says:

    @Denti
    Merci für den Blick über die Grenze!

    @Miggi
    Danke.
    1) Die LH trifft sich in ZRH etwas länger vorher, 1:15. Bei der Langstrecke “plant” der Dispatcher, was aber nichts daran ändert, dass die Crew das ganze selber noch plant und anschaut.
    2) Das wäre schön 🙂 Nein, die folgenden Flüge werden dann rollend, dh. jeweils *während* dem Flug davor, geplant.

    @HBIJL
    Bürokratenselbstbefriedigung – und -beschäftigungstherapie! In der Fliegerei wie andernorts, die Gesetzesflut nimmt leider kein Ende…

  10. Window In The Skies » Blog Archive » Oktober Says:

    […] gibts aber noch meinen neuen Einsatzplan für den Oktober. Mit 5 Ferientagen und dennoch knapp 90 Blockstunden gibts wieder einiges zum Fliegen. Dazu gibts 12 Nightstops bei denen – da’s nur […]

  11. Window In The Skies » Blog Archive » Vulkanasche voraus – Umleitung! Says:

    […] ist am Laufen, ich gebe den neuen Flugplan ins System ein. Ein neues Problem taucht auf: unsere Dutytime! Bei solch einer Verspätung laufen wir Gefahr, über die zulässige Dutytime zu kommen. Der […]

  12. Window In The Skies » Blog Archive » Back on track Says:

    […] 93 Blockstunden im Flugzeug hinter mich gebracht und dabei fünf Starts und acht (!) mehr oder weniger […]

  13. Window In The Skies » Blog Archive » Die Nummer 1 Says:

    […] usw.). Uns Piloten wird die Entscheidung – solange wir unsere Maximale “Duty Time” noch nicht erreichen – […]

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