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Rollentausch

May 14th, 2009 by G!

Piloten sind bekanntlich sehr grosse Fachidiotenspezialisten. Bei Swiss zeichnen wir – der Captain als Verantwortlicher und der First Officer als sein Stellvertreter – verantwortlich für ein Unternehmen mit

– fünf bis zehn (oder mehr) Angestellten;
– bis zu ca. 240 Menschenleben;
– Fracht in Wert von unbekannter Höhe;
– und ein Flugzeug im Wert von 70 (Airbus 319) bis 215 Millionen (Airbus 340-300) amerikanischen Dollar.

Das Unternehmen Flug kann aber nur stattfinden, wenn unzählige andere Fachspezialisten ihren Teil dazu beitragen. Das ist sehr gut zu erkennen, wenn man sich nach einem Flug, nachdem das Flugzeug den Standplatz erreicht hat, kurz die Zeit nimmt und sitzen bleibt (statt wie die 199 anderen Passagiere sofort das Handy einzuschalten, aufzustehen und mit allen gleichzeitig das Handgepäck aus den Gepäckfächern zu nehmen, sich dabei gegenseitig fast zu erschlagen, um dann 3-5 oder noch mehr Minuten zusammengequetscht in einer unnatürlichen Haltung und mit dem Gepäckstück eines anderen Passagiers im Rücken zu warten, bis sich die Menschenschlange laaaangsam in Bewegung setzt */**). Dann kann man nämlich zuschauen, wie innert kürzester Zeit zahlreiche Personen um’s Flugzeug schwärmen um dieses zu entladen, reinigen, warten, beladen usw. Dazu kommt noch eine weitere, noch grössere Anzahl Personen “hinter den Kullissen”, die nicht sichtbar sind.

Letzten Endes sind es die Piloten, die den Flug durchführen. Deswegen macht es für das Verständnis der Prozesse und Zusammenhänge des mit einer mechanischen Uhr vergleichbaren Räderwerks “Flug” Sinn, möglichst viel von diesen (wenn teilweise auch nur sehr rudimentär) zu kennen.

Dies ist denn auch das Ziel einer Aus- und Weiterbildungsreihe für First Officer bei Swiss. Ich habe inzwischen das erste Modul besucht und durfte dabei unter anderem zu Swissport um den Bereich Move/Pushback anschauen. Was Kollege Tobi von “Bits and Bites” erlebt hat und was das Ganze mit einer fetten Katze zu tun hat, schreibt er <hier>. Swissport wurde übrigens 2009 zum neunten Mal (!) in Folge als beste Bodenabfertigungsgesellschaft “Best Global Ground Handling Services Company of the year” ausgezeichnet! – Gratulation an dieser Stelle für diese hohe und verdiente Auszeichnung!

Wenn sämtliche Vorbereitungen abgeschlossen sind, das Flugzeug betankt und beladen, die Passagiere an Bord und auf ihrem Sitz, das Handgepäck verstaut und sämtliche Türen geschlossen sind, holt der Copilot von der Bodenkontrolle die Bewilligung um das Flugzeug vom Gate zurück zu stossen und die Triebwerke zu starten. Über eine Drahtverbindung teilt dann der Captain dem Fahrer des “Schleppers” (oder in diesem Fall: dem “Stosser”) – oder im Ausnahmefall mit Handzeichen – mit, dass wir die Bewilligung zum Zurückstossen erhalten haben. Dann schieben uns die Fahrer der von uns “Pushbacktraktor” genannten Spezialfahrzeuge (offiziell: Flugzeugschlepper; Details zu den Fahrzeugen gibts beim Hersteller Goldhofer) vom Gate weg an die von der Bodenkontrolle vorgegebene Stelle und  sagen uns, wann die Triebwerke frei zum Starten sind.

… aber genug geschrieben, Bilder sagen von einem sehr interessanten und eindrücklichen Besuch mehr als Worte:

[Hinweis zu den Gallerien: wird ein Bild aus der Reihe angeklickt, wird es darüber grösser angezeigt. Ein Klick auf das grössere Bild öffnet es in einer Lightbox in der Originalgrösse]

[myginpage=rollentausch]

* ich habs versucht, den Satz noch länger zu machen … aber nicht geschafft 😉

** wenn ich als Passagier das zweifelhafte Vergnügen habe, dieses SchauTrauerspiel – das bei jedem Flug stattfindet – anzusehen, frage ich mich jeweils, wie man auf die Idee kommen kann, dass Menschen intelligent seien. Aber es ist wohl nur eine Frage der Definition…

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Posted in impressions, on the ground | 10 Comments »

10 Responses

  1. Ingo Says:

    zu Bild 4 ff.:
    Warum man für eine FUNKverbindung ein Kabel braucht, ist mir nicht ganz klar. Aber wahrscheinlich meinst Du eine SPRECHverbindung, für die das Kabel gebraucht wird 🙂

  2. Ingo Says:

    Hätte ich ja beinahe vergessen: Toller Artikel. Ist wirklich interessant, wie man die Arbeit der Kollegen anders einschätzt, wenn man die andere Seite kennen gelernt hat. Und das gilt nciht nur für die Fliegerei…

  3. MichaelLJ Says:

    Um den * Satz etwas länger zu gestalten, kann man ja einfach ein paar ergänzende Attribute vor jedes Nomen einfügen, um die langsame Langsamkeit zu verdeutlichen:

    statt wie die 199 anderen ungeduldigen Passagiere sofort das wartende Handy empfangsbereit zu schalten, aufzustehen und mit allen anderen gleichzeitig das schwere Handgepäck aus den kleinen Gepäckfächern zu nehmen, sich dabei gegenseitig fast zu erschlagen, um dann 3 bis 5 oder noch mehr Minuten zusammengequetscht in einer unnatürlichen Haltung und mit dem schweren Gepäckstück eines anderen Passagiers im steifgewordenen Rücken geduldig zu warten, bis sich die wartende Menschenschlange laaaangsam in eine fast gleichförmige Bewegung begibt.

  4. G! Says:

    @Ingo
    Danke! Unglaublich, wie aufmerksam gewisse Leute meine Beiträge lesen 🙂 Hast natürlich vollkommen Recht, ist schon angepasst. Warum ich – sowas passiert, wenn man nach einem Nachtflug einen Beitrag schreibt – darauf gekommen bin: wir benutzen zum Sprechen mit dem Traktorfahrer dasselbe Panel wie zum Funken, drücken einfach einen anderen Knopf…

    @MichaelLJ
    😀 Vielen Dank für die Verlängerung…ich werde mir das für künftige Beiträge merken *grins*

  5. akonstan Says:

    Darum heisst’s ja auf Airbus-chinesisch Communications Panel und nicht Radio Panel, oder?;)

    toller artikel btw.. es werden Errinerungen wach… auf dem Vorfeld ist’s nie langweilig!

    Gruss!

  6. Richi Says:

    “nachdem das Flugzeug den Standplatz erreicht hat”…ist mir als Passagier auch schon passiert.

    Ich bleibe dann einfach sitzen, (auch im Zug) während der Sitznachbar und die absolute Mehrheit in unnatürlicher Haltung zusammengequetscht, mit dem Gepäck des Nachfolgepassagiers im Rücken, die ganze Zeit lang verharrt…. bis Bewegung ins allgemeine Gedränge kommt und endlich die Ausgänge geöffnet werden.

    Anstehend an der Kassenschlange im Einkaufscenter: Auch nicht anders. Ein Einkaufswagen, schmerzhaft von hinten in die Fersen gedrückt – bloss weil ich nicht innert Sekunden aufgeschlossen habe – der Wagen vor mir war um 5 cm vorgerückt.
    Verrückt! Bereits Panik. Geduld Leute, Geduld!

    Noblesse oblige – verhält es sich in der Business Class ebenso?

  7. Khalil Says:

    Hallo G! .
    ich bin 16 und komme aus Berlin und ich hatte innerhalb von 3 Tagen dein ganzen Blog durchgelesen ! 😀 ich will auch Pilot werden aber ich hab noch eine menge fragen ich wurde mich freuen wenn ich deine email kriegen wurde und du mir so meine fragen beantworten könntest
    ich wurde mich soooo sehr freuen

    grüße aus berlin

  8. G! Says:

    @akonstan
    Danke. Tatsächlich geht sehr viel auf dem Vorfeld… hast du da schon einmal gearbeitet?

    Es sind das
    1) Radio Management Panel RMP (was für Funk sprechen würde…) und das
    2) Audio Control Panel ACP (was genereller ist).

    Und beim Kommunizieren mit dem Boden brauchen wir beide…

    @Richi
    Ich machs genau so: warten und den Anblick geniessen um am Ende schmerzfrei und amüsiert über den Lemmingtrieb der Menschen das Flugzeug verlassen. Ja, was meine Erfahrung / Beobachtungen angehen, verhält es sich in der C-Class zumindest auf der Kurzstrecke ebenso…die Leute müssen halt zu meetings und ihre Blackberrys checken…

    @Khalil
    Danke…Du hast Post, mal schauen, was ich dir beantworten kann!

  9. Window In The Skies » Blog Archive » Long time no see Says:

    […] der hier heruntergeladen werden kann. Ich darf  für zwei Tage ins Schulzimmer, es steht wieder eine First Officer Weiterbildung an. Fliegerisch gibt es einen Tag Europa mit dem Airbus 320 und […]

  10. Window In The Skies » Blog Archive » Wing tip clearance Says:

    […] diese frei ist. Denkbar ist, dass ein Fahrer eines Bodenfahrzeugs (Crewtransporter, Lader, Polizei, Pushbacktraktor oder was sonst noch alles auf dem Vorfeld unterwegs ist) nicht sieht, dass wir abbiegen und uns vor […]

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