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Under (Time) Pressure

November 2nd, 2010 by G!

Hand auf’s Herz: Wer hat bei seinem letzten Flug die Sicherheitsfilmvorführung angeschaut? Wie war das nochmal mit der Sauerstoffmaske?

Aus aktuellem Anlass:

“Kurz nach dem Start vom Miami International Airport nach Boston Logan verlor vergangenen Freitag ein American-Jet vom Typ B757-200 (Reg N626AA) einen Teil des Kabinendachs und musste umkehren. Der Vorfall ereignete sich in Flughöhe 310, als sich im vorderen Teil des Flugzeugs ein ca 30 x 60 cm großes Teil des Kabinendachs löste und damit einen plötzlichen Druckabfall in der Kabine verursachte.”

Quelle: Flug AA1640 – Notlandung einer American 757 nach Loch im Kabinendach, aero.de, 1.11.2010, 1437 Uhr

Dieser Vorfall geschah auf im Steigflug auf “Flughöhe 310”, das ist Flightlevel 310 (31’000 Fuss = ca. 9’500 Meter). Der Reiseflughöhe in einem modernen Flugzeug beträgt je nach Flugzeugtyp, Gewicht, Wetter, Strecke und anderen Faktoren ca. 35’000 – 41’000 Fuss (ca. 10’600 – 12’500 Meter), wobei einige Flugzeuge sogar noch höher fliegen. Die Aussentemperatur kann in diesen Höhen tiefer als -65 Grad Celsius betragen (siehe die Temperaturanzeige  in diesem Beitrag). Hinzu kommt, dass der Sauerstoffgehalt und der Umgebungsdruck (der mit zunehmender Höhe abnimmt) für die Atmung nicht mehr ausreichen – kein lebensfreundliches Klima.

Das Problem des abnehmenden Druckes mit zunehmender Höhe wird im Flugzeug mit Hilfe der Druckkabine gelöst. Es wird künstlich Druck aufgebaut, der einer Höhe von ca. 2’000-2’500 Meter über Meer entspricht (technische Details findet man bei Wikipedia; wobei sich die Werte je nach Flugzeug, Umgebungswerten und der Flughöhe unterscheiden). Dadurch bleibt die Kabinenhöhe bzw. der Luftdruck in der Kabine auf einer für den Mensch erträglichen Höhe.

Kommt es, wie bei Flug AA1640 durch ein Loch in der Flugzeughülle oder einem anderen Defekt zu einer Dekompression (einem Druckabfall), hat dies zur Folge, dass die Druckkabine “ansteigt”: Die Druckverhältnisse in der Kabine nähern sich den Umgebungsverhältnissen der tatsächlichen Reiseflughöhe des Flugzeuges an. Wie schnell diese Angleichung geht, hängt natürlich davon ab, weshalb der Druck nicht mehr gehalten werden kann und damit, wie schnell der in der Kabine herrschende Überdruck entweicht. Bei einem Loch in der Flugzeugstrucktur von der im Artikel genannten Grösse, dürfte das meiner Einschätzung nach sehr schnell gehen.

Unser Airbus 330 kann bis auf 41’000 Fuss steigen. Auf 40’000 Fuss kann der Mensch natürlich nicht mehr überleben. Wie lange hat er aber noch Zeit um zu reagieren? Eine Schätzung? In der Fliegerei spricht man von der Time of useful consciousness (TUC; übersetzt die “Zeit des nutzbaren Bewusstseins“, wobei nur der englische Begriff benutzt wird). Die TUC beschreibt die Zeit zwischen dem Eintritt einer Dekompression und dem Eintritt der Handlungsunfähigkeit durch die bereits erwähnten Folgen. Handlungsunfähigkeit bedeutet nicht automatisch Tod, sondern wie der Begriff sagt, die Unfähigkeit bewusst und kontrolliert zu handeln. Es ist also die maximale Reaktionszeit, die den Piloten und der Cabin Crew im Falle einer Dekompression bleibt um die Sauerstoffmasken anzuziehen und damit um Handlungsfähig zu bleiben um Gegenmassnahmen zu treffen. Nach der Handlungsunfähigkeit folgt irgendwann die Bewusstlosigkeit und später der Tod.

Wieviel Zeit haben Sie geschätzt? Auf 40’000 Fuss beträgt die TUC nur gerade 15-20 Sekunden! Dies ist auch der Grund, warum die Sauerstoffmasken der Piloten immer in Griffnähe sind und weshalb diese vor den Flügen auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Selbstverständlich darf ohne funktionierende Sauerstoffmasken nicht geflogen werden.

Wenn die Piloten die Maske tragen, dann wird (wie im Artikel beschrieben) als Sofortmassnahme ein Emergency Descend, also ein Sinkflug mit möglichst hoher Sinkrate eingeleitet, bis das Flugzeug wieder auf einer “lebensfähigen” Höhe ist. Verhindert die Topographie einen sofortigen Sinkflug innerhalb einer klar definierten Zeitspanne auf eine solche Höhe (z.B. über Iran, Afghanistan oder im Himalaya),  sind Aufweichflugrouten vorgesehen.

Als Passagier ist man also gut beraten, die Maske sofort anzuziehen (und darum die Sicherheitsdemonstration anzuschauen), denn die zur Verfügung stehende Zeit ist nämlich dieselbe. Allerdings ist als Passagier der Verlust der Handlungsfähigkeit nicht allzu schlimm, sofern das Flugzeug raschmöglichst wieder in eine lebenswerte Umgebung kommt. Des Weitern empfiehlt es sich während des Fluges (auch nach dem Löschen des “Anschnallen-Zeichens”) immer angeschnallt zu bleiben! Turbulenzen oder eben, ein Emergency Descend kann “jederzeit” vorkommen!

Selbstverständlich gibt es mehr Sauerstoffmasken an Bord, als Sitze vorhanden sind und damit es gar nicht erst soweit kommt, sind sind sämtliche Systeme, welche die Funktion der Druckkabine sicherstellen sollen, zwei- und zum Teil sogar dreifach vorhanden. Dazu zählen auch die Piloten. Aber wie der erwähnte Vorfall zeigt, kann immer etwas passieren.

Dies sind Fakten, die viele Leute, die sehr wenig für ihren Flug bezahlen und sich dann noch über das “schlechte Essen” oder 20 Minuten Verspätung aufregen, nicht bewusst sind.

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Long time no see

October 28th, 2010 by G!

War das Motto des ersten Klassentreffens unseres Swissair Aviation School Pilotenkurses “PK 3/99”. Zu feiern gab es 10 Jahre Schulabschluss. Mit den einen bleibt man in engem Kontakt, während man auf die andern sporadisch virtuell oder real trifft. Über andere hört man alles (nötige) ohne sie zu sehen und wieder andere hat man seither nie mehr gesehen, gehört oder gelesen. Wie es im Leben halt so ist. Nun, über die Details dieses Zusammentreffens wurde zwar Stillschweigen vereinbart, aber kann aber mit gutem Gewissen und ohne rot zu werden behaupten, dass bei unserem Treffen kein Damenslip im Schlafsack gefunden wurde… Folgendes möchte ich aber festhalten: 10 Jahre sind vergangen, wir sind – als Folge des Groundings – in diverse Airlines, die Rega, Businessjet-Unternehmen, die Luftwaffe und nicht fliegerische Unternehmen verstreut und alles war dabei: Kurzstrecken-Captains und Langstrecken-First Officers, Cheffluglehrer, stellvertretende Schulleiter, Ausbilder. Geflogen wird vom Ambulanzjet über den Bundesratsjet, die Falcon 7X, den PC-21, den Tiger F-5, den Airbus 320, 330, 340-600 bis zur Boeing 747-400 alles denkbare. Die Kinderanzahl dürfte zwanzig überschritten haben, die Anzahl grauer Haare mindestens ein Tausendfaches davon. Vieles hat sich verändert, aber nicht alles, wie ein Kollege in seiner Email nach dem Treffen geschrieben hat: “C’est drôle comme personne n’a changé!”.

Der Titel gilt auch für den Blog, den ich – auch, aber nicht nur wegen des Klassentreffens – sträflich vernachlässigt habe. Wenn ich das richtig sehe, habe ich zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren einen Monat lang keinen Beitrag ausser dem Monatsplan veröffentlicht! Ich gelobe Besserung und kann mich nur mit den Worten von Calvin (& Hobbes) versuchen herauszureden: “What happened to October?! Time is slipping through our fingers like grains of sand! It’s going to fast!”

In dem Sinne ist es auch schon wieder Zeit für den neuen Einsatzplan, der hier heruntergeladen werden kann. Ich darf  für zwei Tage ins Schulzimmer, es steht wieder eine First Officer Weiterbildung an. Fliegerisch gibt es einen Tag Europa mit dem Airbus 320 und zwei Mal geht es nach “I LOVE” New York, davon einmal über Genf mit LX22. Weil mir das Wetter in Europa im November nicht wirklich zusagt, darf ich an die Wärme nach Dubai/Muscat und zwei Mal nach Mumbai.

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Oktober

October 7th, 2010 by G!

SWISS hat eine Flottenexpansion ab 2012 (fünf A330-300, zwei A321 und zwei A320) bekannt gegeben. Dies ist für die SWISS, die Passagiere und auch im Hinblick auf die laufenden Gesamtarbeitsvertragsverhandlungen unseres Korps eine sehr gute Nachricht. So ist davon auszugehen, dass eine oder zwei neue Destinationen eröffnet werden, was natürlich (je nach Region…) ein Highlight ist. Das alles ist Zukunftsmusik, zurück in die Gegenwart:

Mein Oktoberplan wurde veröffentlicht und ist downloadbar. Bekommen habe ich nichts, was ich gewünscht habe, dafür aber zwei (Langstreckenflüge), die ich explizit vermeiden wollte. Ergibt rechnerische 36%, gefühlte – maximal – 5% Befriedigung. Wie dem auch sei, immerhin fliege ich mit bekannten Kollegen und ich werde beim allerletzten (!) Flug eines Kapitäns dabei sein, der nach unserer Landung in Zürich nie mehr einen SWISS Airbus fliegen wird!

Es geht diesen Monat nach Indien (BOM, DEL) und Afrika (DAR/NBO) und von GVA nach JFK. Am Tag vor dem Flug nach DEL werde ich einen Zehnstundentag mit vier Legs in Europa absolvieren.

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