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Reserveelement

July 3rd, 2011 by G!

Rückblick

Ein anstrengender Monat mit fünf Langstreckenflügen liegt hinter mir. Was abwechslungsreich tönt und ist, ist in Tat und Wahrheit auch ausserordentlich streng. Die Flüge nach Osten und zurück (PVG, BKK) sind zwar nur teilweise Nachtflüge, wenn man aber – wie ich – aufgrund der Zeitverschiebung vor Ort nicht viel (und wenn, dann nicht gut) schlafen kann, werden auch Tagflüge zur Durchhalteübung. Insgesamt habe ich fünf Nächte im Cockpit (mehr oder weniger) durchgemacht. Eine Statistik, die sich mit einem 20-jährigen Partygänger messen kann. Wenn dazu ein Wechsel von Ost nach West (MIA) dazu kommt, macht es das nicht wirklich einfacher, auch wenn dazwischen zur Abschwächung zwei Flüge (MCT) mit fast keiner Zeitverschiebung liegen. Die auf den ersten Blick “grosszügig” anmutenden Freitage vergehen plötzlich rasend schnell, wenn man den ersten davon immer dafür braucht, um einigermassen auszuschlafen und wieder in die richtige Zeitzone zu kommen (was regelmässig misslingt). Dann häuft sich vieles an, das unterwegs nicht und erst zuhause erledigt werden kann und schliesslich will man in den Freitagen noch leben. Freitage über das Wochenende sind zwar – aus sozialen Gesichtspunkten – willkommen, haben aber den Nachteil, dass man nicht alles erledigen kann, da Geschäfte und Büros geschlossen sind. Findet der nächste Flug am Montag statt, muss wieder etwas hinausgeschoben werden und die Pendenzenliste für die nächsten Freitage wächst wieder an. Zwölf Freitage sehen auf dem Papier sehr grosszügig aus, wenn man aber Müdigkeit, Jetlag, durchgemachte Nächte, offene Pendenzen, soziale Kontakte usw. abzieht, wird daraus sehr schnell sehr viel weniger. Sensationsgeile Medien sehen das natürlich im Hinblick auf unsere GAV-Verhandlungen anders. Daher wurde auch das bloggen vernachlässigt und stets auf der Liste der offenen Pendenzen weitergeschoben. Bis heute.

Ausblick

Lassen wir die Vergangenheit ruhen und blicken in die Zukunft, denn der neue Einsatzplan wurde natürlich schon veröffentlicht und ist > hier < downloadbar. Er enthält einen einzigen geplanten Flug nach JFK, mit dem ich seit zwei Monaten wieder einen Wunsch erfüllt bekomme. Wie, nur ein Flug?! Ferien? Fehlanzeige. Krank? Hoffentlich nicht! Zuviel Piloten? In ein paar Jahren frühestens. Planungsfehler? Nicht bei uns. Was dann? Ein Erfolgsrezept unserer Firma: R E S E R V E.

Nicht ein paar Tage, sondern fast den ganzen Juli und bis in den August hinein. Das ich nicht bekomme, was ich wünsche, ist nichts neues, aber (für mich) neu ist, dass ich nicht mit dem Monatsplan erfahre, was ich nicht bekommen habe und wohin es stattdessen geht. Bei Swiss gibt es auf der Langstrecke einen sogenannten Reservemonat. Dieser dauert insgesamt 34 Tage, wovon die letzten drei fix frei sind, damit man irgendwann wieder in den “normalen” Planungsrhythmus gelangt. Die restlichen 31 Tage davor sind auf dem Papier zwar in Reserve- und Freitage aufgeteilt, gelten aber nicht, denn sie können (innerhalb der anwendbaren Ruhe- und Flugzeitbestimmungen) fast beliebig ändern und verschoben werden. Ein solcher Reservemonat gibt der Firma natürlich eine unglaubliche Planungsflexibilität, die sie nicht hätte, wenn sie die Reserve (wie auf der Kurzstrecke oder bei Lufthansa auch auf der Langstrecke!) nur in einzelnen Tagesblöcken statt eines gewöhnlichen Fluges zuteilen könnte. Ein grosser Vorteil für die Firma, ein sehr grosser Nachteil für den betroffenen Piloten. Das sind 31 Tage, bei denen ich nichts, niente, nada vorausplanen kann, da ich mit grosser Wahrscheinlichkeit nie mehr als ein paar Tage im Voraus weiss, wann ich frei haben werde. Wenn ich Glück habe, erhalte ich möglichst früh einen “ganzen” Monatsplan eines Kollegen der länger ausfällt oder immerhin einen Flug einige Tage im Voraus. Wenn ich Pech habe, kriege ich Telefonanrufe und muss 1-1.5 Stunden (je nach Destination und Dauer des Flugeinsatzes) später im Operations Center sein, um einzuspringen. Die Chance, bei unserer akuten Pilotenknappheit einen Einsatz zu bekommen ist etwa gleich gross, wie nichts im Lotto zu gewinnen.  Folge der Pilotenknappheit ist auch, dass wir alle sechs bis neun Monate (!) mit einem solchen Reservemonat rechnen müssen. Man rechne: im schlimmsten Fall kann dies bedeuten, dass man innerhalb von sieben Monaten zwei davon ohne jegliche Vorhersehbarkeit hat! Was das von Pilotenseite für eine Flexibilität abverlangt, kann sich jeder vorstellen.

Seitenblick

Die oben genannten Nachteile unseres Berufes (Nachtflüge, fehlende Voraussehbarkeit und Planung des sozialen Lebens, nahezu keine Mitbestimmung auf den Einsatzplan usw.) sind es, die hoffentlich mit dem neuen GAV, dem wir gestern einen wichtigen Schritt näher gekommen sind, besser werden. Darum geht es in erster Linie, auch wenn die Medien das (einmal mehr) anders darstellen. Ein Problem ist, dass diese Faktoren oftmals nicht oder nur sehr schwer quantifizierbar sind. Wer sich in Sachen Airbuspiloten-GAV aus erster Hand, und ohne jede Falschinformationen oder neidgetriebene und sensationsgeile Halbwahrheiten informieren will, dem sei einmal mehr die regelmässige Lektüre des Pilots Of Swiss Blogs empfohlen.

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Doppelnull oder die Lizenz zum Töten

June 1st, 2011 by G!

Die Zeit (ich weiss, ich wiederhole mich) verfliegt. Im vergangenen Monat war ich in Muskat (Oman) und lernte, dass bei 46 Grad am Schatten nichts ist, wie es sein soll: Man schwitzt sogar im “kühlen” (= 35 Grad) Pool, Türfallen sind heiss wie Glätteisen und wenn dann einmal ein laues Windchen weht hat man das Gefühl, man stehe vor einem Fön oder hinter einem Flugzeugtriebwerk. In Shanghai (letzte Volkszählung im Nov 2010: 23 Mio. Einwohner!) durfte ich meinen ersten Kontakt mit China machen. Von einer tollen Skyline, den verlassenen Expo2010-Gebäuden über nicht wirklich einladende Tier(inner- und äussereien)speisen und nicht englisch sprechenden Taxifahrern gabs Eindrücke am laufenden Band. Das in China vieles nicht ist, wie es scheint, erkennt man nicht nur an den zu tausenden angebotenen, aber gefälschten Markenartikeln, welche den westlichen Herstellern Millionenverluste generieren, sondern auch am zensurierten Internet. Anfragen an Google laufen über Google Hongkong, Youtube, Facebook und Twitter sind  vollkommen geblockt. Man schätzt, was man (in der Schweiz) hat (erst oder umso mehr), wenn man es nicht mehr hat! Last but not least ging es nach Delhi, wo das Wetter mit einem während unserer Landezeit vorhergesagten “Staubsturm” (Duststorm, “DS” für die Flugwetterinteressierten…) planungstechnisch zwar sehr anspruchsvoll wurde, bei unserer Ankunft dann aber zu unserem Glück nicht so stattfand.

Zurück in die Gegenwart. Eigentlich hat unser Planungssystem einen “Schutzmechanismus” eingebaut: Wenn man eine tiefe (rechnerische) Befriedigung hat, wird dadurch ein Faktor höher, der es ermöglichen soll, als “Entschädigung” im nächsten Monat besser befriedigt zu werden. Das will heissen, dass ich im Juni eine hohe Befriediung haben müsste, weil ich im Mai zum fünfzigsten Planjubiläum eine null Prozent Satisfaction erhalten hatte. Soviel zur Theorie. In der Praxis sieht das anders aus. Wieder null, niente, nada Prozent. Zum zweiten Mal in Folge. Eine Doppelnull. Das wäre doch eigentlich die Lizenz zum Töten?! Erstaunlich ist, dass ich (ohne es zu wünschen…) im Juni nach Bangkok (BKK) fliege. Diese Destination ist sehr beliebt und mit meiner Seniorität im Normalfall nicht einmal mit ausschliesslichem Wünschen und wenn, nur mit “jokern” zu erhalten. Versteh einer das System bzw. die fehlende Logik. Neben einem Wunschflug (eben: “Joker”, für den ich drei Monate lang Punkte sparen musste) nach Miami (MIA) gehts weitere zwei Mal nach Dubai/Muscat (DXB/MCT) und einmal mehr nach Shanghai (PVG). Das in einem Monat. Ein volles Programm, das die Pilotenknappheit, unter der Swiss seit meiner Anstellung ununterbrochen leidet, eindrucksvoll unterstreicht.

Der Plan ist wie immer hier downloadbar.

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Heisser Jubiläumsplan

May 11th, 2011 by G!

San Francisco

San Francisco

Ich bin wieder da. Aufgrund der zahlreichen Beiträge meiner bloggenden Kollegen in den letzten Wochen dürfte den meisten meine Funkstille gar nicht aufgefallen sein. Aber jetzt ist sie vorbei. Nach zwei sehr schönen Rotationen nach SFO mit An- und Abflügen über die Golden Gate Bridge durfte ich meine wohlverdienten Ferien antreten. Wie in den Medien zu lesen ist, schuldet Swiss dem Airbuspiloten-Korps zwar knapp 25 Mannjahre (!!!) Ferien. Wenn der eigene Ferienanspruch nur sehr wenig über dem gesetzlichen Minimum liegt, ist dafür die Gefahr, dass man sie nicht bestätigt bekommt, sehr klein. Alles hat Vor- und Nachteile. Mit Kofferumpacken und all den Sachen, die man vor Ferien noch so zu erledigen hat, reichte es nicht mehr für einen Blogbeitrag. Dafür kann ich jetzt schön vorgebräunt in die Tasten hauen.

Im verbleibenden Monat schenkte mir unser Planungssystem zum fünfzigsten Jubiläumsplan erneut null, niente, nada Prozent Befriedigung. Statt nach MIA und LAX gehts in die andere Richtung: DEL, MCT und PVG. Da nützt es immerhin, dass ich von meinen Ferien kommend nicht nur vorgebräunt, sondern auch an hohe Temperaturen gewöhnt bin, denn sowohl in MCT als auch in DEL steigt das Thermometer derzeit gegen und sogar über 40 Grad. Falls es so bleibt werde ich einen Flug mit dem Chefpiloten absolvieren, allerdings eine “gewöhnliche” Rotation und kein Check. Gesprächsstoff gibts sicher trotzdem genug. Mit der Premiere nach PVG erwarte ich trotz wenig Befriedigung einen sehr interessanten Monat in welchem ich wieder mal A330 fliegen darf.

Der Plan kann hier heruntergeladen werden.

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