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Wet T-Shirt? Checked!

August 11th, 2007 by G!

Jeder Monatseinsatzplan hat einen Tag X. Gestern war mein Tag X des Monats August. Nein, ich meine weder meinen wunderschönen, beinahe-24-stündigen Nightstop in Brüssel (der war am Montag), noch meinen Schnappszahl-Geburtstag, welchen ich auf dem Weg nach Moskau "feiern" werde. Gestern hatte ich meinen ersten Simulator-Check.

Unser Planungssystem hat mich bereits ab Mitte Juli vor jedem Einsatz daran erinnert, dass der Simulator-Check bis Ende September durchgeführt werden muss. Daher rechnete ich, dass mein Check im September stattfinden würde und ich demzufolge noch alle Zeit der Welt zum Vorbereiten hätte. Das dachte ich aber nur, bis ich Ende Juli den Augustplan in der Hand hatte und ich plötzlich nur noch knappe 2 Wochen bis zum Check hatte . Immerhin hatte ich mit dem Zeitfenster 1630-2300 Glück, es hätte auch 0500-1130 oder 1930-0200 sein können…

Seit meinem Simulator-Check am Ende der (Wieder-)Ausbildung hat sich etwas wesentlich verändert: wir haben keine gedruckten Bücher mehr. Sämtliche Unterlagen stehen uns neu – und ausschliesslich – elektronisch zur Verfügung. Wir besitzen die Bücher von früher zwar noch, diese sind jedoch nicht mehr gültig, da sie nicht mehr revidiert werden. Legal – und mich muss das ja interessieren – ist also nur noch die Verwendung der elektronischen Unterlagen. Das ist sehr gewöhnungsbedürftig, aber da man irgendwann damit anfangen muss, habe ich elektronisch gelernt und markiert. Der riesige Vorteil ist, dass ich meine Markierungen in sämtlichen Unterlagen immer auf meinem Notebook habe.

Der Check beginnt mit einem 90-minütigen Briefing. Dabei trifft sich die geprüfte Crew (ein Captain und ein First Officer) und der Instruktor/Checkpilot (ein Captain) zum ersten Mal, wobei eine gemeinsame Vorbereitung der Crew – anders als bei Etihad – nicht stattfindet. Im Briefing werden die verschiedene Themen des Checks besprochen und der Instruktor stellt Fragen um die theoretischen Kenntnisse der Crew zu überprüfen.

Danach geht es in den Airbus 321-Simulator oder – wie ich ihn nenne – den Schwitzkasten, denn ohne ein durchtränktes T-Shirt habe ich den Sim bisher noch nie verlassen. 

Der Check besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil ging es um Low Visibility Operation, Start und Anflüge bei Nebel. Bei einer Sicht von 125m endet der erst Start bereits mit einem Startabbruch, weil ein Triebwerk brennt. Zurück an den Start. Es folgt ein Nebel-Anflug, bei welchem der Autopilot landen würde, wenn er dazu käme. Ein Durchstart folgt, ein Triebwerk verabschiedet sich und wir fliegen wieder im Nebel – diesmal mit einem Triebwerk – an, die Maschine landet. Wir müssen in dieser Phase "nur" die Technik und Systeme überwachen, was zentral ist, da wir erst kurz vor dem Landen (in diesem Fall auf 50ft=16m!!!) einige Lichter der Pistenbeleuchtung sehen werden und dann entscheiden, ob wir landen oder durchstarten. Bis dahin sehen wir nur grau in grau!

Der zweite und dritte Teil sind ähnlich, nur die Hauptakteure ändern. Zunächst ist der Captain der Hauptgeprüfte, danach werde ich zur Kasse bzw. an den Stick gebeten. "Hauptgeprüfte", weil es nicht nur der Einzelne, sondern im Endergebnis immer die Crew ist, welche (auch) reüssieren muss. Selbstverständlich verabschiedet sich jeweils zum schlechtesten Zeitpunkt – gerade nach V1 (der Entscheid-Geschwindigkeit, bis zu der wir bei einem Problem den Start abbrechen würden) das Triebwerk. Wir haben alles unter Kontrolle und staunen einmal mehr, wie genau man in dieser Phase fliegen muss, um die optimale Steigleistung des Flugzeuges zu erreichen, welche mit einem Triebwerk und rund 75 Tonnen Abfluggewicht natürlich nicht wirklich überragend ist. Wir müssen je zwei Anflüge mit einem Triebwerk machen, wobei es je einmal zu einem Durchstart kommt und einer vollständig manuell geflogen wird, da sich – was sonst – die Automatik verabschiedet. Dazwischen sind noch kleinere Übungen und Probleme eingebaut, welche sicherstellen, dass die 3.5 Stunden im Simulator – wortwörtlich – wie im Fluge vergehen und das es uns nicht zu ruhig wird [die Gefahr bestand bei mir nie, aber mich hat niemand gefragt…]. Dennoch, es hat aber wie erwartet vollkommen gereicht, um dem Instruktor genug Informationen für unsere Qualifikation im folgenden, 90-minütigen Debriefing zu geben – und vor allem, um meine Bekleidung Wet-T-Shirt-Contest tauglich zu machen…

Jetzt ist es überstanden und ich bin erleichtert, den Check erfolgreich absolviert zu haben. Denn wie schon einer meiner Kollegen gesagt hat, es ist mit dem Check wie mit dem Zahnarzt: man gewöhnt sich nie dran, hat immer ein komisches Gefühl und man ist froh, wenn’s vorüber ist. Dem ist so, wenn auch im Sim die blonde Zahnarztgehilfin leider fehlt. Allerdings wird die Erleichterung schon bald wieder der Ernüchterung weichen, denn – der Kaiser lässt grüssen – nach dem Check ist vor dem Check. Und der nächste Check – ob im Sim oder im Linieneinsatz – kommt bestimmt … Aber bis dahin geniesse ich weiterhin Flüge mit beiden Triebwerken, mit Autopilot und A/THR und vor allem: mit trockenen Uniformhemden!

@NFF (falls Du überhaupt bis hierher gelesen hast, denn schliesslich kennst Du das Programm ja aus eigener Erfahrung ;-)): man könnte den NDB übrigens auch nur mit WO R114 fliegen, man ist ja während der ganzen Zeit innerhalb von 5 Grad…!

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Posted in in the air | 15 Comments »

15 Responses

  1. nff Says:

    jessesgott: viel zu kompliziert für einen alten Mann….

    Wir haben übrigens gestern in Dubai einen RNAV GPS APPCH geflogen – Kommentare wie “isch das jetzt richtig” oder “was macht er jetzt” waren öfters zu hören als das richtige Wording 🙂

  2. G! Says:

    Haha, kaum offiziell erlaubt, schon kann es der NFF nicht lassen, einen GPS APCH auszuprobieren…
    Tja, ich kann dem noch gelassen entgegen schauen, denn ich bin offiziell noch NICHT GPS approved, da uns Frischlingen die Erfrischung – äh, der Refresher – noch fehlt. Aber die neue Checkliste im QRH (falls die Revision schon bis auf den Flieger gelangt ist), hilft immerhin bei den Settings.

    Gruess, G!

  3. christoph Says:

    Herzliche Glückwünsche – in zweierlei Hinsichten natürlich.

    “was macht er jetzt” – Beruhigend, dass ihr das gelegentlich auch kennenlernt, obwohl ich vielleicht auch wiedereinmal Passagier bin 🙂

  4. Dide Says:

    Herzliche Gratulation zum bestandenen ersten Check! Es werden noch deren viele folgen, ob du willst oder nicht. Wie auch immmer; was mir gefällt (und mich an die Anfänge meiner Fliegerzeit erinnert), ist deine Begeisterung, die förmlich aus jeder Silbe deiner Berichte trieft. Wenn doch nur jeder “Frischling”, um in deiner Wortwahl zu bleiben, so motiviert und angefressen wäre…
    Gruss
    Dide

  5. IJL Says:

    Hoi G

    Von mir auch herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen SIM Check. Ich hoffe das Shirt ist wieder trocken und ebenso Happy Birthday. Der August ein toller Monat dafür und das Sternzeichen ist eh eines der nettesten… Öhm, ob Löwen wohl ein wenig eitel sind ;-D

    Gruss

    IJL

  6. Angi Says:

    Herzliche Gratuliation zum bestanden SIM Check und zum Geburtstag and many happy landings!

  7. G! Says:

    @Christoph
    Danke.

    @Dide
    Danke. Ich werde mich den kommenden Checks stellen, ist schliesslich wie bei allen Prüfungen: lernen, flaues Gefühl und 100 Sachen im Kopf, die man nicht weiss und dann das gute Gefühl, wenns geklappt hat. 🙂 Nun ja, wenn ich nicht begeistert wäre, wäre ich garantiert nicht in die Firma und den Beruf zurückgekommen. Und wie Du richtig bemerkt hast, gefällts mir 😀
    Die Tatsache, dass Du (wie x andere auch) 20+ Jahre im Geschäft bist und immer noch Freude daran hast (Stichwort: Australien) zeigt aber auch, dass es eben doch eine Berufung ist und auch nach X-Jahren noch Spass machen kann. Das ist unbezahlbar.
    BTW: Wo wir’s doch davon hatten: wir dürfen die Dist offiziell und legal mit der Prog Page bestimmen (anders ist zB. der NDB 11 in VIE gar nicht fliegbar). Voraussetzung ist aber: GPS PRIMARY.

    @IJL
    Vielen Dank…Ich gebe zwar nichts auf “Sternzeichen” (ich bin auch ein Mann…), aber so gesehen bin ich schon ein echter “Löwe” – mit allen Vor- und Nachteilen (wenn’s letztere überhaupt gibt ;-)).

    @Angi
    Auch Dir vielen Dank!

  8. IJL Says:

    Hoi G

    Gebe zwar auch nichts auf Astrologie, zumal mir mal errechnet wurde, ich sei gar nicht mehr in der Löwendekade geboren, sondern eher in der Schütze Dekade, da sich dass ja alles verschoben hätte.

    Hm, das ist dann doch wieder typisch Löwe… Nachteile, was ist das? 😉 könnte glatt von mir kommen

    Gruss
    IJL

  9. G! Says:

    @IJL

    Ohä, also immer die falschen Horoskope gelesen 🙂 Naja und wenn sonst die Eigenschaften des Sternzeichens nicht wirklich mit den tatsächlichen übereinstimmen, hilft man sich in dieser “Branche” ja mit dem Aszendenten weiter…und schon hat man noch eine Liste von Eigenschaften …

  10. Philipp Says:

    Ich konnte auch schon in einem Sim mitfliegen. Mehr dazu in meinem Blog.

  11. G! Says:

    @Philipp

    Ich weiss, hab die Berichte schon gelesen, Gratulation, hat sicher Spass gemacht!

    Gruess, G!

  12. Window In The Skies » Blog Archive » Etikettenschwindel Says:

    […] Ausbildungsblock im Simulator. Dieser Block findet einmal im Jahr am Tag nach einem der beiden Simulatorchecks statt und gehört lizenztechnisch gesehen zu diesem. Weil ich diesen Einsatz aus dem Standby […]

  13. Window In The Skies » Blog Archive » Meld mi zrugg Says:

    […] scheint es egal zu sein, dass es mir vorkommt, als ob ich erst gestern meinen letzten Simulator-Check hatte, denn im Februar muss ich wieder dran glauben und in den Schwitzkasten. Immerhin hatte ich […]

  14. Window In The Skies » Blog Archive » Januar - Schon wieder Checkzeit Says:

    […] grundsätzlich “harmlos” daherkommt. Allerdings steht auch schon wieder der nächste Check im Simulator an (war der nicht grad?) und ich werde meine Nightstops in Genf und zweimal in London […]

  15. Window In The Skies » Blog Archive » Seitenwechsel Says:

    […] Am zweiten Tag ging es nach einem zweistündigen Briefing – welches um 0630 Uhr (nicht meine Zeit…) geplant war! – in die Achterbahn  den Schwitzkasten Simulator um die Theorie in die Praxis umzusetzen. Das erste Problem trat schon beim Sitz einstellen auf: sämtliche Knöpfe sind seitenverkehrt. So griff ich nach links, ins Leere, um den Sitz zu verstellen. Auch die Instrumente sind seitenverkehrt. Horizont links, Navigation rechts, Sauerstoffmaske links, das alles war bisher 4000 Stunden lang anders. Griffe, die wir auf unserer Seite im Notfall im Schlaf beherrschen, müssen jetzt neu geübt (und beidseitig beherrscht) werden. Auch geflogen wird “mit links”. Das geht, ist aber feinmotorisch ausbaufähig . Die Übungen – mit decompression (Verlust der Druckkabine), unreliable Speed (keine Geschwindigkeitsangaben) und smoke (Rauch) hatten es in sich und glichen einer Achterbahnfahrt. Zumal sie – natürlich – immer über China bzw. Afghanistan stattfanden, wo das Gelände sehr hoch ist und man immer wissen muss, wie weit man absinken darf (und muss). Hinzu kommt, dass man auf der linken Seite die Verantwortung trägt und einen operationellen Entscheid fällen muss. Wet T-shirt: checked! […]

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