Blogsearch

Egosurf

qrcode

Funkspruch des Tages (III)

July 17th, 2012 by G!

Im Himmel über der Türkei, mitten  in der Nacht (0045Z)

 

Lufthansa x: “Ankara, good morning, Lufthansa x, Flightlevel 380.”

Totenstille auf dem Funk. Einige Sekunden später:

Lufthansa x: “Ankara, good morning, Lufthansa x, Flightlevel 380.”

Immer noch keine Antwort. Wiederum einige Sekunden später:

Lufthansa x: “Ankara, good morning, Lufthansa x, Flightlevel 380.”

Totenstille zum Dritten. Eine weitere Minute später:

Controller: “Lufthansa x, Ankara.”

Totenstille, denkt sich der Lufti wohl “Wie du mir…” Einige Sekunden später, etwas bestimmter:

Controller: “Lufthansa x, Ankara.”

Totenstille. Stichwort: Was der kann… Einige Sekunden später, wenn streng nicht funktioniert, dann lustig:

Controller: “Luuuuufthansaaaaaaaaa x from Aaaaaankaraaaaa … how do you reeeeeeeead?”

Eine Sekunde später:

Lufthansa x: “Jooooooooooooo Ankaraaaaaaa, Lufthansa x … I tried to call you three times!”

23 people like this post.

Posted in impressions, in the air | 3 Comments »

LX92 – Die Nacht der zwei Notfälle

March 1st, 2012 by G!

22:22 Z

– FL260 (26000 Fuss), steigend auf FL310
– Groundspeed (Geschwindigkeit gegenüber dem Boden) 479kts
– Fuel used (verbrauchter Treibstoff) 6500kg

Wir überfliegen die Villa des siebenfachen Formel 1 Weltmeisters Michael Schumacher und ich geniesse die grossartige Nachtkulisse von Genf, die von keinem einzigen Wölkchen gestört wird. Mein Kollege ist mit der Eingabe der Streckenwinde beschäftigt. Dies müssen wir noch manuell erledigen, aber nicht mehr lange. Die neuesten beiden Airbus 330-300, die dieses Jahr zu unserer Flotte gestossen sind, können diese Daten downloaden. Bald ist dies auch mit den anderen Flugzeugen möglich.

 

22:29 Z

– FL310
– Mach 0.80

Wir haben unsere erste Reiseflughöhe erreicht und ich drücke den Knopf für die Geschwindigkeit und übergebe damit dem Computer die Geschwindigkeitswahl. Der rosa Zeiger, der mir die Zielgeschwindigkeit anzeigt, springt auf Mach 0.80. Wir werden – so zeigt es unser Navigationscomputer – pünktlich landen, daher fliegen wir wie von LX gewünscht, möglichst ökonomisch. Treibstoff ist Geld. Unter uns liegt Lyon. Mein Kollege füttert den Computer unermüdlich mit Wind- und Temperatureingaben, damit der Computer möglichst genau die ökonomiste Flughöhe und -geschwindigkeit berechnen kann.

 

23:03 Z

– Pau liegt hinter, die Pyrenäen vor uns

Da wir in der First Class “full house”, also acht Passagiere haben, müssen wir uns gedulden bis unser Essen serviert wird. Es klingelt an der FlugzeugCockpittüre. Die First Class Flight Attendant, von der unser direktes (und damit direkt auch ihres…) Wohlergehen abhängt, lächelt in die Kamera. Essenszeit. Sie bring die ersten Vorspeisen für meinen Kollegen. Als dieser vor einer guten halben Stunde die Winde eingegeben hat, habe ich mich durch das neue First Class Menu gelesen. Eben erst hat der Menuzyklus gewechselt. Für die nächsten drei Monate wird unser Gaumen von Frank Oerthle, Chef der “Galerie Arté al Lago” im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano, verwöhnt.  Er wurde mit einem Michelin Stern und 16 Gault Millau Punkten ausgezeichnet. Dementsprechend freue ich mich auf das Essen, muss aber noch warten, da wir aus Sicherheitsgründen immer nacheinander essen. Damit mir das Wasser im Mund nicht zu sehr zusammenläuft, lenke ich mich ab und überprüfe die gerechneten Werte: der optimale FL ist 320, wir sind auf 310, bestens. Die voraussichtliche Ankunftszeit wird um 09:46 Z sein, sehr gut.

 

01:43 Z

– FL340
SAT (Aussentemperatur) -50 Grad
– Temperatur in Las Palmas 15 Grad

Unter uns strahlen Gran Canaria und Las Palmas. Bald wären wir nicht soweit gekommen. Alles lief bestens. Nach der Vorspeise des Kapitäns wurde ich verhätschelt und genoss den ersten (Hummer-Kokosnuss-Bällchen mit Muschel-Tintenfisch-Salat und Zitronengras-Pannacotta mit Curymousse, dazu ein Tessiner Farina-bona-Cracker), zweiten (Tessiner Bresaola, San Pietro Schinken und Salami), den dritten (Baby-Blattsalat mit getrockneten Aprikosen und gehobeltem Schweizer Sbrinz) Gang und anschliessend die sehr gute Hauptspeise (Lammlende mit Taggia-Oliven-Kruste, Fromaggini Rosmarinkartoffeln und Bohnen mit Rosinen). Ich besiegte meinen inneren Schweinehund in einem mühsamen Kampf und bestellte keinen der wohlklingenden KalorienbombenDesserts. Der nächste Badehosensommer kommt bestimmt und wenig gegessen habe ich ja auch nicht gerade. Ich bestelle nur einen Nėspresso Lungo. Normal Ops wie man sich das wünscht. Aber Notfälle in der Fliegerei kommen meistens aus dem nichts und schlagen dann wie eine Bombe ein. So auch in diesem Fall. Das Flight Attendant lässt die Bombe platzen: “Ihr wisst, dass die Kaffeemaschinen kaputt sind? Es gibt also keinen Nėspresso, nur den normalen Kaffee…!” … … … 3 x leer schlucken … Master Warning – Power – Performance, oh Gott. ICH habe die Arschkarte schlechteste Schicht (ich muss rund sieben Stunden durchhalten) und es gibt KEINEN Néspresso?! Eine Welt bricht zusammen. Wie soll ich das überleben? Im meiner Panikattacke höre ich den Kapitän sagen: “Ah ja, die waren im Aircraftlog eingeschrieben…” Haaaallooo, und warum bitteschön sagte er mir das nicht? Genau für solche Fälle ist der Punkt “Aircraftlog” in der Checkliste doch?! Dass die Flügel und Räder dran waren, habe ich selber gesehen, aber KEINE Néspressomaschine? Langsam dämmert mir es, warum er in gröbster Pflicht- und Kameradschaftsverletzung nichts gesagt hat: er hat gehahnt, dass ich (und der andere Copi) wohl SO nicht abgeflogen wären. No Néspresso, no Flight! Ein gemeiner Hinterhalt. Fies.
Der erste Schock lässt nach und dank dem Power-Performance-Drill bin ich wieder im BootFlugzeug. Für Notfälle werden wir Piloten geschult. Erst dann zeigt sich, wer vorbereitet ist, die Notlage meistern kann und einen Plan B bereit hält. So auch ich: ein Griff in meinen Crewbag. Das schwarze Etui, dessen Inhalt für diverse (mögliche und unmögliche) Situationen wie diese zusammengestellt wurde, in der Hand, lächle ich. Ein weiterer Griff und in meiner Hand halte ich einen meiner Koffeinüberlebensäcklis: Starbucks Via. God bless America and Starbucks. Problem und Notfall 1 gelöst. Wir können weiterfliegen.

 

02:34 Z

– FL 340
– 63kts Gegenwind

Erste Wachtablösung. Der Kapitän darf sich in den Crewbunk verabschieden, während sein Stellvertreter, der “Cruise Relieve Pilot” sich auf dem linken Sitz in Zeitlupe installiert. Wer um 03:34 Schweizer Zeit geweckt wird, ist anfänglich bereits bei Zeitlupentempo am Limit. Bis er up-2-date und richtig ansprechbar ist, ist “all mine”: ich fliege und und assistiere mir selbst (so erübrigen sich Reklamationen…). One man show. Unsere Ankunftszeit ist jetzt 09:44 Z und wir haben noch 3221 Nautische Meilen vor uns. Für mich gilt es noch genau drei Stunden und fünfundzwanzig Minuten durchzuhalten. Mit Starbucks und Coke Light, God bless America!

 

03:33 Z

– Position CVS (nicht die US-amerikanische Kette, sondern das VOR von Sal auf den kapverdischen Inseln)
– Fuelcheck: wir haben 400kg auf die geplante Rechnung verloren, aber der an der Destinstion erwartete, übrige Treibstof (EFOB) ist ok.
– verbrauchter Treibstoff: 46000 kg

Ich schaue auf die Uhr, 3:33. Beim Anblick spielt U2 in meinem Kopf “Unknown Caller“: “3:33, when the numbers fell of the clockface…”. Der Soundtrack meines Nachtfluges. Die Nummern könnten für meinen Geschmack ruhig etwas schneller fallen, aber um diese Zeit verstehe ich, dass auch sie langsamer sind.

 

04:02 Z

Zeit für einen verspäteten Mitternachtssnack oder ein Vorfrühstück. Im First Class Galley mixe ich mir meinen persönlichen Wachmacher: 20 Spritzer Tabasco, 3 Pfeffermühlenumdrehungen und ein Beutel Knorr Tomatensuppe. Wirkt Wunder, während mein Kollege mit Dakar einen neue Flughöhe aushandelt.

 

04:21 Z

Beschäftigungstherapie im Kampf gegen die nächtliche Monotonie und Müdigkeit – ich nehme mir das Einreiseformular zu Brust. Ausser dem Namen kann ich aber nichts ausfüllen, da es zu Schütteln beginnt. Murphy ist dabei.

 

05:51 Z

– FL360
– Gewicht 210 Tonnen
– Nächster Ausweichflughafen: SBNT

Eine Flight Attendant hat uns besucht. Nach dem obligaten Firmenklatsch erzählt sie uns, dass sie Skilehrerin in St.Moritz ist und daher schon den einen oder anderen Promi unterrichtet hätte. Aus zensurtechnischen und persönlichkeitsrechtlichen Gründen verzichte ich an dieser Stelle auf eine Wiedergabe von Namen und Stories dazu, obwohl es einige interessante Geschichten gäbe ;-). Back to business, wir melden uns gleich bei “Atlantico” an und auf der grössten Einstellung (320NM) des Navigationsdisplays erscheint meine Erlösung: (0559). Das ist die Zeit, wo ich meinen Kollegen wecken kann und meine Schicht wenige Minuten später aufhört. Alles hat ein Ende, manchmal einfach etwas spät.

 

05:26 Z

Statt – wie ich mir das vorgestellt habe – meine Schicht locker ausklingen zu lassen, geht sie erst richtig los, denn vor uns zeichnet der Wetterradar (früher als erwartet) eine Gewitterfront ab. Zeit einen Plan zurechtzulegen:

 

05:59 Z

Seit einer guten halbem Stunde bin ich am feinjustieren des Wetterradars, interpretiere mit meinem Kollegen die Echos und umfliege sie mal rechts, mal links. Unsere über zweihundert Passagiere bekommen davon nichts mit, die meisten schlafen oder schauen TV. Zeit für meinen Kollegen aufzustehen, ich klingle ihn aus den Träumen.

 

09:06 Z

Nach knapp drei Stunden mehr oder wenig erholsamen und sändig unterbrochenem Schlaf erwache ich langsam, sehr langsam. Je mehr ich zu mir komme – was nicht schnell geht, wenn man nach einer durchgemachten Nacht von sieben bis zehn Uhr Schweizer Zeit schlafen kann – desto mehr wird mir klar, in welcher Gefahr ich mich befinde! Ein Druck, der nichts gutes verheisst. Schlagartig bin ich wach. Nicht Druck in den Ohren, sondern weiter unten. Die Blase. Die mehr als halb geleerte Wasserflasche, mehrere Coke Light, die Suppe und die Kaffees melden sich mit Pauken und Trompeten zurück. Ich krieche irgendwie aus dem Bett hervor und konzentriere mich darauf, dem Ruf der Natur nicht sofort nachgeben zu müssen. Nicht hilfreich dabei ist, dass ich mich noch anziehen muss, um auf die Toilette gehen zu können. Schliesslich will man einem First Class Passagier, der für seinen Flug nach GRU wesentlich mehr als einen Schweizer Durchschnittsmonatslohn bezahlt nicht einen halbtoten und vor allem halbnackten First Officer zumuten. Zu Recht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht winde ich mich und kämpfe mich in die Uniform und ziehe mir die Schuhe an. Bücken ist auch nicht wirklich hilfreich, wie man sich vorstellen kann. No Pain, no Gain, ich habe es geschafft! Ich reisse die Tür auf und genau in dem Moment, als ich aus der Tür trete, passiert der zweite Notafll des Tages, ein Super-Gau: nein liebe Leser, natürlich hatte ich meine Blase noch unter Kontrolle … aber durch den Vorhang tritt ein First Class Passagier im Swiss First Class Pyjama und seinen Kleidern auf dem Arm. Das bedeutet, dass er sich umzieht und frisch macht. Genau jetzt! Erfahrungsgemäss dauert das bei Männern mindestens drei, bei Frauen ab fünfzig bis unendlich Minuten. Schmerzverzehrt kehre ich in den Bunk zurück und räume auf. Ablenkungsmanöver und bloooooss nicht daran denken. Immer wieder der hoffnungsvolle Blick aus der Türe, immer wieder sehe ich rot – occupied! Ein Kampf Mann gegen die Natur.

Ich kürze ab: Ich gewinne (glücklicherweise;-) ), denn der Passagier kommt nach gefühlten 37, realen 3 Minuten erfrischt und in seinen Kleidern aus dem Klo. Ich lächle (schmerzverzerrt…), begrüsse ihn und bin froh, als ich die Türe hinter mir schliesse. Glück gehabt, auch den zweiten Notfall ohne Schaden überstanden. Ende gut, alles gut!

 

Epilog – 09:45 Z

Nach der Landung (man beachte, wie genau die Vorhersage unseres Computers war!) rollen wir Richtung Gate, als wir vom Boden die Anweisung bekommen, dass wir rund fünf Minuten warten müssten, bis unser Gate frei sei. Der Captain teilt dies den Passagieren mit und weist sie darauf hin, dass sie sitzen bleiben müssten. “Meint ihr, die haben uns verstanden und bleiben sitzen?” schaut er uns fragend ein. Noch bevor wir antworten können, hören wir eine Durchsage in der Kabine: “Sir, please take your seat!”…

28 people like this post.

Posted in impressions, in the air, master warning | 15 Comments »

Die Nummer 1

February 15th, 2012 by G!

Swiss hat vier Langstreckenflüge, welche nach 22:30 Uhr starten:

Um 22:40 Uhr

  • LX92 nach Sao Paulo / GRU
  • LX138 nach Hong Kong / HKG
und um 22:45 Uhr
  • LX 180 nach Bangkok / BKK
  • LX288 nach Johannesburg / JNB
Das Nachtflugverbot des Flughafens Zürich verbietet den Start für solche Flüge zwischen 23:00 und 06:00 Uhr. Bei Verspätungen ist es jedoch möglich das Startfenster um dreissig Minuten bis 23:30 Uhr zu verlängern. Soviel zur Theorie. Was geschieht aber, wenn es an Tagen (wie zum Beispiel während ich das schreibe), in ganz Europa Schneechaos herrscht (wie schon im Dezember von Kollege skypointer und TWRMädel gebloggt) und sich die Verspätungen den ganzen Tag über anhäufen? Dann sind wir in der Praxis.

 

Langstreckenflugzeuge werden an einem kleinen Hub wie Zürich zu einem nicht beachtlichen Teil über Umsteigepassagiere “gefüllt”. Das bedeutet, dass die Passagiere zuerst von wo auch immer nach Zürich geflogen werden müssen, um dann im Langstreckenflugzeug den Flug antreten zu können. Das übernimmt die Regional- (Avro RJ) und Kurzstreckenflotte (Airbus 320 Familie) der Swiss. Entgegen den oft geäusserten Aussagen des (selbst ernannten) “Aviatikexperten” S.M., benötigt ein Legacy Carrier wie die Swiss genug Langstreckendestinationen und damit auch -flugzeuge um überhaupt rentabel operieren und überleben zu können. Und bei einem kleinen Heimmarkt wie dem der Swiss dafür zwangsläufig Umsteigepassagiere. Was das mit den Late-birds der Swiss zu tun hat? Ganz einfach: Wenn bei einem Flug mit einem Airbus 340-300, der in der von Swiss betriebenen Konfiguration Platz für 228 Personen bietet ein Kurzstreckenflug mit 20 Anschlusspassagieren verpätet landet, sind das 8% der Langstreckenpassagiere, die fehlen. Durch einen einzigen verspäteten Kurzstreckenflug!

 

Schliessen wir den Kreis: Bei einem Schneechaostag, der einen Grossteil von Europa in Mitleidenschaft zieht, werden sehr oft dutzende oder gar hunderte Flüge abgesagt. Diejenigen die dennoch stattfinden, haben sehr oft (sehr viel) Verspätung. Dann reicht es oftmals nicht, dass die Kollegen von der Kurzstrecke alles geben, um die Verspätung aufzuholen, damit wir unsere Anschlusspassagiere haben. Mit dem Resultat, dass viele der Anschlusspassagiere fehlen. Die Airline muss dann den sehr wichtigen Grundsatzentscheid treffen, ob man die Langstrecke ohne diese abfliegen lässt (mit den damit verbundenen Konsequenzen wie Übernachtungsmöglichkeiten suchen (und bezahlen), Umbuchungen, Reklamationen, Kosten usw.) oder ob man die Langstrecke warten lässt (ebenfalls mit den damit verbundenen Konsequenzen: Reklamationen wg. Unpünktlichkeit, Gefahr des Nachtflugverbots usw.). Uns Piloten wird die Entscheidung – solange wir unsere Maximale “Duty Time” noch nicht erreichen – abgenommen.

 

Zurück in die Praxis: Als ich auf meiner Vorletzten Rotation aus dem Standby den Nachtflug nach JNB zugeteilt bekam, ahnte ich Böses im zuvor genannten Sinn, da es den ganzen Tag über schneite. So kam es denn auch, dass uns bei unserer Planung bereits gesagt wurde, dass diverse Anschlussflüge derzeit “critical” und sogar schon jetzt “negative” seien. Während bei “negative” die Verspätung schon so gross ist, dass definitiv nicht auf die Passagiere gewartet wird, besteht bei den “criticals” noch eine Chance, dass gewartet wird. Der Entscheid ist also in letzterem Fall noch nicht gefällt. Als wir im Cockpit eintreffen, erhalten wir die Meldung, dass wir ein “ETD”, eine “Estimated Time of Departure” haben. Hinter den Kulissen wurde also entschieden, dass wir auf Passagiere warten. Das erste (der aufmerksame Leser, ahnt was kommt…) ETD war auf 22:10 UTC, also 23:10 Lokalzeit ZRH angesetzt. Das bedeutete zweierlei: erstens bereits 25 Minuten Abflugverspätung und zweitens werden wir dann bereits zehn Minuten nach der ersten der “heiligen” Nachtflugsperrzeiten zurückstossen. “Departure” bedeutet hier nämlich (wie im Flugplan) zurückstossen vom Gate und nicht Abflug. Da wir uns aufgrund des Schnees bereits zum Enteisen des Flugzeuges anmelden mussten, planten wir mit einer effektiven Startzeit von ca. 23:30 Uhr. Ziemlich spät…

 

Es wurde noch später. Die Kurzversion der Informationen, welche wir bekamen:
  • Info um 22:12 Uhr: ETD 23:10 Uhr
  • Info um 23:14 Uhr: ETD 23:20 Uhr
  • Info um 23:25 Uhr: ETD 23:30 Uhr
  • Info um 23:30 Uhr: ETD 23:33 Uhr
  • Info um 23:38 Uhr: ETD 23:40 Uhr
Etwas ausführlicher: Zwischen diesen Informationen lagen diverse Anrufe bei unserer Einsatzleitstelle um zu fragen, wann und ob die Passagiere dann noch kommen würden und um abzuklären ob und sicherzustellen dass wir noch starten durften. Dazu kamen diverse Ansagen des Captains an die Passagiere, welche die Situation erklärten und persönliche Besuche in der Kabine. Interessant ist, wenn unter solchen Bedingungen Passagiere das Gefühl haben, dass wir sie anlügen würden (“Geben Sie es doch zu, es fehlen gar keine Anschlusspassagiere. Ich habe es satt, immer angelogen zu werden.”), obwohl einige Minuten später zahlreiche Leute durch die Türe spazieren.

 

Als die Passagiere dann endlich erschienen (was der “angelogene” Passagier dachte, entgeht meiner Kenntnis…), musste “nur noch” das Gepäck geladen werden. Aber auch das geht bei Temperaturen wesentlich unter dem Gefrierpunkt nicht einfacher, denn die Bodencrew und die Technik stiessen an ihre Grenzen: Das Ladesystem klemmt, da mehrere Teile eingefroren sind. Handarbeit und (rohe) Gewalt sind gefragt. Die Bodencrew kämpft gegen die Zeit und die unmenschlichen Temperaturen. Unser Abflug ist in Gefahr, das ETD wird immer weiter hinausgeschoben. Letzten Endes siegt die Bodencrew dank unermüdlichem Einsatz gegen die Technik und sämtliche Container und Gepäckstücke, auch diejenigen der Anschlusspassagiere, sind im Flugzeugbauch verstaut.

 

Um 23:40 Uhr beginnt wie vorhergesehen der Pushback. Danach rollen wir zum Enteisen des Flugzeuges, obwohl – als wir noch am Gate standen – eine Passagierin dem Captain bei seinem Gang durch die Kabine den ernstgemeinten Tip gab, dass es nicht nötig sei, das Flugzeug zu enteisen. Der Schnee auf dem Flügel würde dann beim Fliegen schon weggeweht (sic!). Mein Kollege beantwortete diesen Tip hervorragend: “…würde er vielleicht schon, aber die Frage ist, ob wir überhaupt abheben würden, wenn soviel Schnee auf dem Flügel liegt. Und da wir das lieber nicht ausprobieren, sondern sicher sein wollen, dass wir fliegen, werden wir das Flugzeug zur Sicherheit von uns allen an Bord enteisen lassen.” Während dem Enteisen spekulieren wir darüber, ob wir überhaupt noch starten dürfen, denn es ist ja bereits kurz vor Mitternacht. Nach der erwähnten “Startverlängerung” bis 23:30 sind Starts zwar noch möglich, aber nur mit – wie es in unseren Unterlagen heisst – “further permission”. Was die Bedinungen für diese Bewilligung sind, entzieht sich meinen Kenntnissen. Unsere Einsatzleitstelle meinte nur, dass es “noch klappen” werde. Wir hofften, waren aber nicht so sicher, da das Enteisen eines schneebedeckten Airbus 340 seine Zeit benötigt. Vielleicht kann uns TWRMädel in einem Beitrag auf “read you five” mal erklären, was in so einem Fall hinter dem Mik bzw. den Kulissen abläuft.

 

Auch das Enteisen brachten wir hinter uns. Inzwischen war es auf den Frequenzen still, wenn wir nicht funkten. Kein Wunder, die (natürlich ebenfalls mit Verspätung gestarteten) Kollegen der übrigen Nachtflüge waren allesamt schon in der Luft, als wir die Enteisungsfläche Richtung Piste 34 verliessen. Nach dem Überqueren der Piste 28 begrüsste uns der Aproncontroller mit den Worten: “LX288, guete Abig, taxi to Runway34, YOU ARE NUMBER ONE!”. Glächter im Cockpit. Number one? Kein Wunder, ausser uns gab es de facto niemanden mehr auf dem Flughafen, der noch abfliegen wollte. Es stimmt also doch: “Die Letzten werden die Ersten sein…”

 

Unsere 252 Tonnen schwere Maschine hob um genau 00:08 Uhr Lokalzeit Zürich und damit 68 Minuten nach Beginn der Nachtflugsperre ab.
PS: Beim Anflug in Zürich am übernächsten Morgen waren wir sehr zu meinem Leidwesen nur die Nummer 3 hinter den Kollegen aus BKK und HKG. Damit wäre der Beweis, dass ich [noch] nicht mit
Schoggi im Tower war, erbracht…

17 people like this post.

Posted in in the air, on the ground | 10 Comments »

« Previous Entries